Der Albtraum geht weiter: Hertha BSC gegen SC Heerenveen 0:1 (0:1)

Ganze 13134 Zuschauer verfolgten den über weite Strecken bemühten, aber nur leidlich unterhaltsamen Kick zweier Mannschaften, die fußballerisch nur selten den Zauberstab auspackten. Das Tor des Tages erzielte Hernan Losada in der 35. Spielminute, als Hertha-Verteidiger Nemjana Pejcinovic einen 60-Meter-Pass falsch berechnete, der eine gefühlte Ewigkeit durch die Luft segelte. Gästekapitän Michel Breuer brachte den Ball von rechts scharf vors Tor, gegen den folgenden Schuss aus acht Metern war der solide haltende Sascha Burchert machtlos.

Eigentlich gab es an diesem Abend nur zwei Momente, die beim trotz allem erschienenen, tapferen Rest der Berlin-Fans für heitere Begeisterung sorgten. Der erste war die Ankündigung des Stadionsprechers, dass die zweite Halbzeit ohne den in Hälfte Eins erneut völlig versagenden Artur Wichniarek stattfinden würde. Dieser war zuvor mit einem gellenden Pfeifkonzert empfangen worden.

Der zweite Moment der Freude war ein eigentlich harmloser Versprecher. Normalerweise nicht der Rede wert, aber symptomatisch, weil bei Hertha zur Zeit wirklich alles schief geht. Lediglich 3134 Zuschauern wurde über die Lautsprecher für ihr Erscheinen gedankt, eine Zahl, die bei anhaltender Erfolglosigkeit der Mannschaft in den Bereich des Vorstellbaren rücken könnte.

Aber auch so war die Atmosphäre im Olympiastadion gespenstisch genug. Über weite Strecken schwieg sogar der harte Kern der Ostkurve zu den Ereignissen auf dem Platz, der niederländische Anhang der „Superfriezen“ war akustisch mindestens ebenbürtig.

Stattdessen brachten diverse Spruchbänder die angespannte Gemütslage der gebeutelten Fans auf den Punkt: „Aufwachen“ und „Jetzt seid Ihr dran“ waren dabei noch die harmlosen Varianten.

Wie tief die Enttäuschung der noch vor Monaten in Meisterschaftsträumen befindlichen Hertha-Anhänger mittlerweile sitzt, zeigte sich nach dem Schlusspfiff.

Nur noch zu zehnt, weil Patrick Ebert wegen eines Ausrasters kurz vor Spielschluss noch vom Platz geflogen war, schlichen die Spieler gen Ostkurve. Auf Höhe des Tores blieben neun von Ihnen wie eingeschüchterte kleine Jungs stehen und konnten einem langsam wirklich leid tun. Wieder einmal war es Kapitän Arne Friedrich, der sich schützend vor seine Kollegen stellte, und in die Kurve ging. Nichts für schwache Nerven, denn ohrenbetäubend und einstimmig klang ihm ein überzeugend vorgetragenes „Wir ham die Schnauze voll“ entgegen. Inhalte der folgenden Wortwechsel sind diesmal nicht bekannt.

Das eigentlich Erschreckende an diesem Spiel war die Erkenntnis, dass Hertha wirklich alles zu versuchen schien, den Tabellen-Sechzehnten der holländischen Ehrendivision zu besiegen. Allein, die Umsetzung dieses naheliegenden Vorhabens scheiterte schlicht und ergreifend an der Unfähigkeit der Mannschaft.

Haarsträubende technische Fehler, mangelnde Zuordnung, hilfloser Pseudofußball und vor allem ein nicht mehr zu unterbietendes Versagen vor dem Tor des Gegners prägten über sehr weite Strecken das Spiel der Berliner. Wenn dann kurz nach einem Pfostenschuss der ohnehin führenden Gastmannschaft am eigenen Strafraum Hackentricks probiert werden, kann es nicht wundern, dass die Zuschauer irgendwann nicht mehr mitmachen.

Bei allem Respekt und ohne jegliche Häme, aber: So spielt ein Absteiger.

Heerenveen, wahrlich kein Gigant am Fußballhimmel, hat aus zweieinhalb Chancen ein Tor gemacht, spielte ruhiger und besonnener, freilich ohne zu glänzen.

Hertha BSC machte dagegen selbst in der Schlussviertelstunde in Überzahl nie wirklich einen überlegenen Eindruck. Immer wieder ging bei den Aktionen mindestens ein Detail daneben, gab es Aussetzer, Wackler, Missverständnisse.

Der Sturm: ein schlechter Witz, das Mittelfeld: anfällig für Konter und hüftsteif in der Vorwärtsbewegung, die Abwehr: bis auf Arne Friedrich immer wieder ein Schwachpunkt in entscheidenden Situationen.

Kurz: Es brennt an allen Ecken in Berlins Traditionsclub und es gibt nach wie vor wenig Anzeichen dafür, als könnten die verantwortlichen Akteure den Brand in absehbarer Zeit löschen.

Friedhelm Funkel, ein erfahrener und sympathischer Vertreter seiner Zunft, spricht nicht umsonst von der bisher schwersten Aufgabe seiner Trainerlaufbahn. Aber auch er weiß sich nach außen hin nicht anders zu helfen, als immer wieder gebetsmühlenartig ein Weitermachen wie bisher einzufordern, das letztendlich zum Erfolgserlebnis führen soll.

Es bestehen erhebliche Zweifel ob das reichen wird, sowohl am Sonntag gegen Wolfsburg, am 5.11. beim Rückspiel in den Niederlanden, wie auch am Ende der Saison gegen den Abstieg.

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