So komplex die Welt der Erscheinungen auch ist, so einfach sind die verborgenen Wiederholungen: Bringt dieselbe Arbeitsmenge infolge ihrer gestiegenen Produktivkraft eine vermehrte Warenmenge hervor, so sinkt nicht nur der Arbeitswert der einzelnen Ware, es sinken auch die Lohnkosten für die einzelne Ware und es steigt daher der Profit des Kapitalisten, solange die Ware zum alten Peis verkauft werden kann. Mit den Werten der Waren sinken zwar bald auch die Preise, aber wenn Produktivkraftsteigerung und Preissenkung bei den Waren angekommen sind, die in den Konsum der Arbeiter eingehen, dann verbilligt sich die Arbeitskraft absolut auch für die kapitalistische Klasse. Da die Bereicherung der Kapitalisten durch die Lohnkostensenkung ihr Zweck ist, zeigt sich der antagonistischen Charakter der kapitalistischen Produktivkraftsteigerung also bereits im Ansatz. Wie sollte ein gesellschaftlicher Strukturwandel, der dieser Produktivkraftsteigerung folgt, der „Arbeiterklasse“ einen „astronomischen Lebensstandard“ bescheren? Es ist auch sinnfällig ganz anders: Die gewaltigen Fortschritte in der kapitalistischen Reichtumsproduktion führen stets nicht minder gewaltige Elendsquartiere im Schlepptau.
Die Änderungen der Warenwerte, die sich als Preisänderungen darstellen, drücken regelmäßig eine neue Verteilung der gesellschaftlichen Arbeitsmengen aus, auf die eine jede gesellschaftliche Produktivkraftsteigerung fast zwangsläufig hinausläuft, auf eine neue Verteilung also der toten und der lebendigen Arbeit, des konstanten und des variablen Kapitals und des Mehrwerts. Diese Neuverteilung ist heutzutage zwar das blinde Geschäft des Kapitals, das den unwiderstehlichen Kräften des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses in seiner kapitalistischen Form folgt, aber die Ergebnisse sind so wenig zufällig wie die zugrunde liegende Absicht. Warum sonst befürchtet Sinn „Härten für die Betroffenen“? Anders als im Spielkasino sind Gewinner und Verlierer dieser Veranstaltung voraussehbar, wenn man die Gesellschaftsklassen in den Blick nimmt und nicht ihre jeweiligen Besatzungen. Strukturwandel ist vor allem die spezifisch bürgerliche Variante der Neuverteilung der gesellschaftlichen Arbeit, nämlich naturwüchsig und zwangsläufig zum Vorteil der Bourgeoisie, von der die Initiative ausgeht. Weil die durch die wirksamere Arbeit frei gewordene Zeit von vornherein beschlagnahmt wird von den kapitalistischen Anwendern, die sie ja auch mit ihrer Maßnahme angestrebt hatten, werden jetzt überzählige Arbeiter festgestellt und freigesetzt, also von ihren Lebensbedingungen befreit und der mildtätigen Gesinnung der vermögenden Klassen überantwortet, wenn nicht eine besondere Gunst der Umstände sie brauchbar werden lässt für ein anderes unternehmungslustiges Kapital oder vielleicht auch für irgendeine staatliche Amtsstube oder für die Privatverwendung irgendeines Geldmenschen. Nach diesem Muster wandeln sich immer wieder die „Strukturen“ der gesellschaftlichen Tätigkeit – und Herrn Sinn quält die Sorge, die „Besitzstände“ der Besitzlosen könnten von Staats wegen verteidigt werden und auf diesem Wege die Verfügbarkeit der Freigesetzten beeinträchtigen – und damit die Besitzstände der Besitzenden. Wenn der Professor für einen ungehemmten Strukturwandel eintritt, dann sorgt er sich um die Einschränkung der Verfügbarkeit der Besitzlosen als Lohnarbeiter – und wendet sich daher auch gegen jede planmäßige Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit. Wo kämen wir denn damit hin! Beschäftigungsgarantien oder eine nennenswerte Sicherung des Lebensunterhaltes für freie Lohnarbeiter kommen dort einer Menschenrechtsverletzung gleich, wo die kapitalistische Planwirtschaft im Sinne einer Kontrolle der gesellschaftlichen Arbeitskraft für die Zwecke der Klasse ihrer Anwender das herrschende Ideal ist. Denn weil das Einkommen der begünstigten Klassen nur die Geldgestalt unbezahlter Mehrarbeit ist, ist es ohne Erpressung nicht zu haben, weil der nicht brauchbar ist für Fronarbeit, der ein ordentliches Auskommen hat. Wer nicht erpresst werden kann, der taugt nicht für die kapitalistische Kommandowirtschaft, nicht für die Front und nicht für die Reservearmee.