Wird der Sicherheitsgurt weniger genutzt? – Zwei Studien geben Hinweise auf eine sinkende Gurtanlegequote – Vor allem problematisch: Kinder, Innerortsfahrten, Insassen im Fond und in älteren Pkw

Auch die Gurtsicherung von Kindern war mit 98 Prozent relativ hoch, und die von Lkw-Fahrern hatte sich im Vergleich zu 2010 sogar „leicht verbessert“, so die BASt. Schaut man aber genauer hin, fallen einige Ausreißer auf. Erwachsene Pkw-Passagiere auf der Rückbank schnallen sich innerorts nur zu 94 Prozent an. Jedes zehnte Kind, das innerorts im Pkw mitfuhr, wurde falsch mit einem Erwachsenengurt gesichert.

Vertieft analysiert hat das Problem die Dekra in einer aktuell veröffentlichten Studie vom Mai dieses Jahres. Nach bundesweiter Beobachtung von 20.000 Fahrzeugen stellt die Dekra „Defizite insbesondere bei der Sicherung von Kindern, der Insassen älterer Fahrzeuge, bei Passagieren auf den Rücksitzen sowie im Innerortsbereich“ fest, sogar „Anzeichen, daß die Autofahrer wieder seltener die Sicherheitsgurte anlegen“.

An den Dekra-Zahlen überrascht, daß in älteren Pkw der Baujahre zwischen 1995 und 2005 mit 94,5 Prozent der Gurt weniger verwendet wurde als in allen Pkw von vor 1995 zusammen (95,3 Prozent). Die Stuttgarter Sachverständigenorganisation hat auch herausgefunden, daß neun Prozent aller Kinder nicht oder ungeeignet gesichert sind; wenn sie auf dem Beifahrersitz mitfahren, dann sind sie sogar in jedem fünften Fall falsch angeschnallt.

Um dem entgegenzuwirken, weist Clemens Klinke, der Vorsitzende von Dekras Automobilsparte, darauf hin, daß man sich einer „fatalen Fehleinschätzung“ hingäbe, zu meinen, man könne sich bei einem Stadtunfall notfalls mit den Händen abfangen. „Bereits bei einem Aufprall von 14 km/h“, erklärt Klinke, „wirken Kräfte, die dem Achtfachen des Körpergewichts entsprechen.“ In etlichen Crashtests sei nachgewiesen worden: „Der Mensch kann solche Kräfte nicht auffangen.“

Das schafft nur der Gurt, und das zeigt, wie wichtig er ist. Bei allen technologischen Neuerungen – der Sicherheitsgurt ist nach Einschätzung von Dekra nach wie vor der „Lebensretter Nummer eins“. Nicht zu vergessen: Auch die Wirkung des Airbags ist abhängig vom Sicherheitsgurt.

Um das Risiko zu reduzieren, bei einem Unfall getötet zu werden, hält Dekra eine hundertprozentige Gurtanlegequote im Straßenverkehr für erforderlich. Um die Gesundheit und das Leben ihrer Sprößlinge im Auto zu schützen, wird Eltern empfohlen, die je nach Alter richtigen Rückhaltesysteme für ihre Kinder zu verwenden. An die Adresse der Autohersteller geht die Forderung nach Einbau von Gurtwarnsystemen auch für die hinteren Sitzreihen, und die Politik wird aufgefordert, mit Aufklärungskampagnen und dem Ausbau der Verkehrserziehung für mehr Achtsamkeit bei der Gurtbenutzung unter allen Autonutzern zu sorgen.

Übrigens fiel den Dekra-Experten bei der Beobachtung der 20.000 Pkw noch ein ganz anderes Problem auf: „Auf jeden nicht Angeschnallten kamen etwas drei Leute mit Handy am Ohr. Oft wurde sogar im Internet gesurft.“ Die mangelnde Aufmerksamkeit im Straßenverkehr – und das betrifft alle Verkehrsteilnehmer – wird wohl das nächste Problem sein, dem man sich zur Verbesserung der Verkehrsscheit widmen wird.

Im Detail: So schnallt man sich richtig an

Die Verkehrswacht hat zusammengetragen, was man beim Anschnallen der Sicherheitsgurte im Auto beachten sollte: Der Gurt muß eng am Körper anliegen und darf nicht verdreht sein. Daher sollte man dicke Jacken oder Winterpullover ausziehen, bevor man ins Auto steigt. „Optimal sitzt der Gurt, wenn er straff über Hüfte und Schulter läuft und nicht am Hals einschneidet“, so die Verkehrswacht. Wer einen Schal trägt, sollte darauf achten, daß er nicht vom Gurt eingeklemmt wird, sondern über dem Gurt liegt, sonst kann es bei einem Unfall zur Strangulierung kommen. Dasselbe gilt bei Krawatten.

Kindern sollte man das Anlegen des Gurtes gut erklären, in der ersten Zeit helfen und immer wieder nachprüfen. Bei Kindersitzen muß der Gurt in die dafür vorgesehen Führungen gelegt werden. Der Nachwuchs sollte Schulranzen oder Rucksack unbedingt vorher ablegen.

Der heute übliche Dreipunktgurt „erlaubt den Insassen eine hohe Bewegungsfreiheit bei gleichzeitig hoher Schutzwirkung“, so die Verkehrswacht. „Die Gurtrolle blockiert erst ab einer bestimmten Rotationsgeschwindigkeit, damit der Gurt nicht bereits beim Anlegen klemmt.“ In modernen Autos gibt es Gurtstraffer, die den Gurt bei einem Unfall automatisch fest anziehen. Und der Gurtkraftbegrenzer reduziert die maximale Einwirkung des Gurtes, um Verletzungen zu vermeiden.

kb

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