Richard David Precht – der maximale Minimalismus als philosophisches Sendeformat im ZDF

Gero von Boehm © WELTEXPRESS, Foto: HS

Die Vorstellung seiner neuen Fernsehsendung „Precht“ scheint eher Pflicht als Kür. Er ist der Protagonist, er ist der Erklärer: Auch gegenüber den anwesenden Journalisten, die – nicht überraschend – zahlreich dem Erklärer lauschten.

Ein Format ohne Schnickschnack

Precht in der Mitte, und neben ihm das Urgestein der anspruchsvollen Fernsehunterhaltung Gero von Boehm, dem es zu verdanken ist, dass Precht eine eigene Sendung im ZDF bekommen hat. Drei Jahre hat gedauert, bis von Boehm verkünden konnte, dass man ein Format gefunden habe, das Precht auf den Leib geschrieben ist. Ein Format ohne Schnickschnack: maximaler Minimalismus! Precht sitzt unter einem modernen Kronleuchter auf einem harten Stuhl, ihm gegenüber sein Gast: dicht, sehr dicht. Man will Distanz vermeiden, sich in die Augen schauen, dem Gegenüber an den Lippen hängen. Precht ist nicht der Interviewer, er ist Teil einer philosophischen Abhandlung eines Themas, eines aktuellen Themas.

Erster Gast: der Neurobiologe Gerald Hüther

Precht redet, möchte nicht überzeugen, sondern erklären. In der ersten Sendung am 2. September, zu nachtschlafender Zeit, wird ihm Gerald Hüther, Neurobiologe und Prof. Dr. Dr., aus Göttingen gegenüber sitzen. Beiden kommt die Kamera immer wieder so nahe, dass Gesichter oder Hände den Bildschirm füllen. Sparsam geht die Kamera mit der Totalen um, nichts soll ablenken, nichts soll von Worten ablenken. Der Zuschauer soll vom Nachdenken zweier Koryphäen profitieren, beim Denken zuschauen.

Precht ist kein zweiter Sloterdijk – im Gegenteil
Gero von Boehm © WELTEXPRESS, Foto: HS
Dies macht den Unterschied zu Sloterdijks „Philosophischem Quartett“. Precht und von Boehm betonen immer wieder, dass „Precht“ nicht als dessen Nachfolge-Sendung zu sehen ist. Lediglich der Sendeplatz bleibt. „Precht“ ist keine Frage-und-Antwort-Sendung, eher eine Wissensvermittlung an ein Publikum, das nach Antworten auf aktuelle Fragen lechzt. So wird es sein in der ersten Sendung mit dem Thema Bildung: „Skandal Schule – Macht lernen dumm?“ Beide, Precht und Hüther, sind scharfe Kritiker des deutschen Bildungssystems. Beide kritisieren ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, zeigen aber auch erfrischende, allerdings nicht immer neue Alternativen auf. Beide betreiben Ursachenforschung, und Hüther rechnet sogar damit, dass es unser heutiges Schulsystem in sechs Jahren nicht mehr geben wird.

Ohne den Namen zu nennen, aber aufgrund des Fazits am Ende der Sendung erhält Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung, sicher ungewollt das „Prädikat Auslaufmodell“. Ihr katholisch geprägter Konservatismus bremst eine moderne Bildungspolitik aus.

Eine Sprache, die alle Zuhörer verstehen sollen

Was die Sendung aber auszeichnet, das ist eine Sprache, die jeder Zuhörer versteht und die Statements nachvollziehbar macht ohne als Besserwisser zu erscheinen. „Precht“ wird mit Sicherheit nach einer gewissen Anlaufzeit zu einem Erfolg, dessen ist sich Regisseur Gero von Boehm sicher, der mit 500.000 bis 800.000 Zuschauern rechnet. Und da das ZDF auch im Internet stark aufgestellt ist, bekam auch Precht eine eigene Seite (www.precht.zdf.de), auf der die jeweiligen Sendungen zu sehen sind, auch auf „3sat“ wird Precht einen Sendeplatz bekommen.

Sendetermine im ZDF:
2. September 2012, 23.25 Uhr, Gast Gerald Hüther.
7. Oktober 2012, Gast: Springer-Chef Mathias Döpfner

Tipp:
Auf Weltexpress TV können Sie Pocket-Interviews von Horst Schöck mit Richard David Precht und Gero von Boehm sehen.

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