Stralsund, Deutschland (Weltexpress). „Die haben wir doch gestern noch in Kiel gesehen“, meint ein Urlauber aus Süddeutschland erstaunt, als er die Gangway betritt. Dass es die erste „Gorch Fock“ (Baujahr 1933) ist, erfährt er spätestens an Bord. Auch dass die zweite (Baujahr 1958) in Stralsunds Partnerstadt an der Kieler Förde zu Hause, aber, weil ein Schiff der Deutschen Marine, dort nur ganz selten zu besichtigen ist. Nummer eins (Baujahr 1933), seit 2003 als Museumsschiff am Strelasund, ist ab 7. Mai 2024 nach sechsamonatigem Werftaufenthalt und Übernahme in städtisches Eigentum hingegen wieder täglich zu sehen.

Lebenslauf „Gorch Fock“ (I)

Die erste „Gorch Fock“, Nachfolgebau der am 26. Juli vor Fehmarn in einer Gewitterböe gesunkenen „Niobe“, fuhr von 1933 bis Kriegsbeginn als Ausbildungsschiff für die Inspektion des Bildungswesens der Marine. Auf der Bark wurden Offiziers- und Unteroffiziersschüler ausgebildet. Sie war dann stationäres Schul- und Büroschiff in Stralsund. Am 19. April 1944 wurde sie wieder in Dienst gestellt. Am 1. Mai 1945 stand die Rote Armee vor der Stadt. Von einem Hügel bei Devin beschossen Panzer 45 Minuten lang die ankernde Bark, deren Maschine zudem ausgebaut war. Eine Flucht war daher nicht mehr möglich. So wurde der Segler vor Stralsund – zwischen der Insel Dänholm (Wiege der deutschen Marinen) und Rügens Halbinsel Drigge auf der Position 54° 17´ 28“ N und 13°08´22“ E von einem Sprengkommando versenkt.

1947 wurde sie im Auftrag der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) von einem Stralsunder Unternehmen gehoben, in Rostock und Wismar instandgesetzt und als „Tovarishch“ 1951 in Dienst gestellt.

Neben Seefahrtsschülern nahm die „Tovarishch“ ab 1991 auch segelbegeisterte Windjammerfreunde auf ihre Reisen mit, die vorzugsweise in westeuropäische Häfen führten. 1992 segelte die „Tovarishch“ in der Flotte des Columbus-Race“ nach Amerika. Der 60. Geburtstag des Schiffes wurde im Sommer 1993 in Rostock gefeiert. Vor Stralsund wurde der Versenkung 1945 gedacht. Dann aber wurde das (Schiffs-)leben schwer: Die Liste erforderlicher Reparaturen wurde länger, Mittel für Reparaturen standen in der Ukraine nicht zur Verfügung.

Eine Hilfsorganisation in Newcastle segelte 1993 mit Jugendlichen auf der „Tovarishch“. Um diesen Erfolg zu wiederholen, setzte sich die Organisation für die Überholung des Schiffes ein. Englische Ingenieure besichtigten das Schiff in Kherson. 500.000 Pfund sollten das dritte Leben der „Tovarishch“ möglich machen. Im Mai 1995 segelte die „Tovarishch“ mit ökonomischer Hilfe von Tall-Ship Friends nach Newcastle.

Der wirkliche Zustand der „Tovarishch“ kam erst im Trockendock, im wahrsten Sinne des Wortes, ans Tageslicht: Umfangreiche Stahlarbeiten waren nötig, die verfügbaren Mittel reichten nicht aus. Die Arbeiten kamen nicht in Gang.

Die „Tovarishch“ musste in Northshields festmachen, denn ein Betriebsverbot verwehrte dem Schiff den weiteren Weg in die Heimat. Tall-Ship Friends gründete die “Tovarishch Support Group” in Newcastle. Diese versorgte ab April 1995 die Mannschaft und beschaffte Diesel für den Stromerzeuger. Mit vielen kleinen Spenden aus der Bevölkerung wurde das Schiff unterstützt. Vereinsmitglieder in Hamburg kümmerten sich regelmäßig um den Heimtransport von Crewmitgliedern.

Im Januar 1999 lag dem Schiffseigner ein Konzept vor, die „Tovarishch“ nach Wilhelmshaven zu bringen und dort zu restaurieren. Grundlage war der von der Stadt Wilhelmshaven zugesagte kostenfreie Liegeplatz. Im August wurde der Vertrag unterzeichnet. Am 1. September 1999 verließ die „Tovarishch“ mit Schlepperhilfe Middlesborough und traf am 3. September in Wilhelmshaven ein. Dort war sie auch im Jahr 2000 zur „EXPO am Meer“ zu besichtigen.

Aufgrund der anhaltend schlechten finanziellen Situation wurden verschiedene Vorschläge zur Erhaltung des Schiffes gemacht. Schließlich erwarb der Verein Tall-Ship Friends Deutschland e.V. die „Tovarishch“. Im September 2003 wurde die Bark an Bord des Dockschiffes „Condock V“ huckepack von Wilhelmshaven nach Stralsund gebracht.

Entscheidend für die Rückholaktion war, dass das Schiff an seinen früheren Liegeplatz Ballastkiste im Stralsunder Nordhafen, in Sichtweite der Versenkungsposition zwischen Drigge und Dänholm, zurückkehrte, wo zeitweilig auch ihre beiden Schwesterschiffe lagen.

Seit der Zeit wird die Bark aus Spendenmitteln von Freiwilligen restauriert. Ziel ist es, die „Gorch Fock“ (I) als Museumsschiff für Stralsund zu erhalten. Wobei die Hansestadt mit Unterstützung durch Landesmittel als Käufer auftreten und mit Hilfe einer Stiftung oder Betreibergesellschaft der Schiffsbetrieb gewährleistet wird.

An Werftkosten für die Rekonstruktion würden, so rechnen Experten, zwischen sechs und acht Millionen Euro anfallen, die aus Landesdenkmal-Mitteln zufließen sollen.

Wie der Höhepunkt des historischen Heimkehr-Tages 2003 verlief, schildern die folgenden Zeilen.

Rückkehr der Großsegler-Legende: Ein Traum wurde wahr

Nach fünfjährigem Tauziehen und siebenwöchigem Facelifting auf der Volkswerft kehrte der „Weiße Schwan der Ostsee“ in seinen alten und gleichzeitig neuen Heimathafen Stralsund zurück. Am 29. November 2003 wurde die Bark, bis dahin „Tovarishch“, an der Ballastkiste im Nordhafen von Rosemarie Schmidt-Walther auf ihren ersten Namen „Gorch Fock“ getauft – das dritte Leben des legendären Seglers seit 1933 begann damit. Initiiert vom Autor, der aus Eckernförde stammt und auf beiden Schiffen gefahren ist. Schon als Schüler stand er auf der Seelustbrücke, um „Gorch Fock“ (II) zu sehen, wenn sie in der Bucht vor Anker lag. Nur um eine seemännische Ausbildung auf einem „Tiefwassersegler“ zu bekommen, meldete er sich 1965 freiwillig als Offiziersanwärter zur damaligen Bundesmarine. Später fuhr er auf Handelsschiffen um die Welt.

„Ich bin ja so aufgeregt“, gesteht Erich Lafrenz. Der 83-jährige Kieler kann zu Recht sagen, auf der ersten „Gorch Fock“ gefahren zu sein. „Als Wachtmeister war ich bis zur Versenkung des Segelschulschiffes am 30. April 1945 im Strelasund dabei“. Heute sind er und drei seiner ehemaligen Kameraden von der Bordgemeinschaft „Gorch Fock“ Ehrengäste.

Mit zwei Schleppern wird die 1330-Tonnen Bark durch die Ziegelgrabenbrücke an ihren alten und neuen Liegeplatz verholt.

Punkt zehn Uhr ist die „Gorch Fock“ festgemacht – an ihrem alten Liegeplatz Ballastkiste. Sprachlos bestaunt von Tausenden. Sie warten nur darauf, endlich „ihr“ Schiff besichtigen zu können. Doch was wäre alles ohne eine Zeremonie? Das Marinemusikkorps Ostsee besorgt die musikalische Einstimmung mit „Gruß an Kiel“, die Stralsunder Partnerstadt, in der die zweite „Gorch Fock“ der Deutschen Marine zu Hause ist.

Rosemarie Schmidt-Walther, waschechte Stralsunderin, indes stellt sich einem NDR-Interview: „Ein Schiff zu taufen, das macht man doch nur einmal im Leben“, spricht sie lächelnd in die Mikrofone.

„Vor 70 Jahren“, so beginnt die Taufpatin ihre Rede, „wurdest Du mit einem Spruch des Dichters Johann Kinau alias Gorch Fock getauft. Seitdem hast du eine wechselvolle Geschichte durchlebt, auch im wahrsten Sinne des Wortes Höhen und Tiefen. Jetzt bist du wieder zurückgekehrt in deinen alten Heimathafen Stralsund. Ich wünsche dir ein langes Schiffsleben und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel! Ich taufe Dich auf den Namen ´Gorch Fock`!“ Nach gezieltem Wurf ein dumpfer Knall, und die Champagnerflasche platzt am schneeweißen Rumpf. Flaggenparade: Reederei- samt Schwarz-Rot-Gold steigen am Besanmast auf. Kaum sind die letzten Klänge der Nationalhymne verweht und die Gäste im Kapitänssalon zum Sektempfang abgetaucht, haben die Helfer keine Chance mehr: Halb Stralsund stürmt das neue maritime Symbol der Hansestadt. „Gorch Fock“ ist endlich wieder zu Hause!

Technische Daten

  • Bauwerft: Blohm & Voss, Hamburg; Baunummer: 495
  • Stapellauf: 3. Mai 1933 nach nur 100 Tagen Bauzeit
  • Indienststellung: 27. Juni 1933
  • Schiffstyp: Bark
  • Vermessung (BRZ): 1330 Tonnen
  • Länge über alles: 82,1 Meter
  • Breite: 12,0 Meter
  • Tiefgang (maximal bei voller Ausrüstung mit 1545 Tonnen): 5,2 Meter
  • Seitenhöhe: 7,3 Meter
  • Masthöhe: 42 Meter
  • Segelfläche: 1797 m²
  • Anzahl Segel: 23
  • Größte Rahlänge: 24.6 Meter

Schiffsgeschichte im Überblick:

  • Unterstellt bis 27. April 1945: 1. Schiffsstammregiment Stralsund-Dänholm
  • Versenkt: 30. April/1. Mai 1945 im Strelasund westlich Halbinsel Drigge
  • Gehoben: 16. September 1947 durch eine Stralsunder Bergungsfirma
  • Instandgesetzt: Rostock/Wismar vom 23. September 1948 bis 15. Juni 1950
  • Indienststellung: 15. Juni 1951 als „Towarishch“ für sowjetische Marine
  • 1990: Übergabe an die Ukraine, Heimathafen nach wie vor Cherson
  • 1993: erstmals wieder Besuch am Strelasund (17./18. August; mit dabei der Autor als Kapitänleutnant der Reserve und Verbindungsoffizier der Deutschen Marine)
  • 1995: in England aufgelegt; Reparaturbeginn; Arbeiten stagnieren jedoch
  • Zurückgelegte Seemeilen während weltweiter Regatten und Ausbildungsreisen: rund 400.000 ( = rund 19 mal um die Erde)
  • September 1999: Überführung per Schlepper nach Wilhelmshaven
  • 2000 bis 2002: Ausstellungsschiff für „EXPO am Meer“
  • 9. September 2003: Tall-Ship Friends Deutschland e.V. erwirbt die Bark
  • 23./24. September 2003: Überführung im Dockschiff “Condock V” nach Stralsund
  • 7. Oktober bis 27. November 2003: Volkswerft Stralsund GmbH nimmt das Schiff nach acht Jahren erstmals aus dem Wasser und stellt die Schwimmfähigkeit wieder her
  • 29. November 2003: Verholung an den jetzigen und früheren Liegeplatz Ballastkiste im Stralsunder Nordhafen
  • feierliches Heißen der deutschen Flagge
  • Taufe auf den ersten Namen „Gorch Fock“ durch die Stralsunderin Rosemarie Schmidt-Walther, Ehefrau des Initiators der Rückholaktion, Dr. Peer Schmidt-Walther

Ablieferung 1933 – ein Augenzeuge berichtet

Nach Beendigung der äußerst knapp bemessenen Bauzeit lag das Segelschulschiff „Gorch Fock“ an dem bei der Bestellung zugesagten Tage, dem 24. Juni d. J., in allen Teilen fertig zur Übergabefahrt bereit.

Mit der auf der Werft gewohnten Pünktlichkeit wurde Schlag 08:00 Uhr vormittags der Landsteg aufgenommen, die Trossen losgeworfen und „Gorch Fock“ setzte sich unter Assistenz eines Werftschleppers in Bewegung.

Zunächst wurde bei regnerischem Wetter bis 11:30 Uhr elbabwärts gesteuert, bei Krautsand die Kompasse reguliert und im Anschluss daran bei aufklarendem Wetter eine zweistündige Vollfahrt durchgeführt.

Während dieser Zeit nahm der Kommandant, Kpt. z. See Mewis, mit militärischer Gründlichkeit eine Besichtigung der Deckseinrichtung und sämtlicher Innenräume vor, um den Ablieferungszustand des Schiffes zu prüfen.

Bei der immer wieder reizvollen Kanalfahrt verging die Zeit sehr schnell und um 21:20 Uhr erreichten wir Rendsburg, wo das Schiff für die Nacht festgelegt wurde. In dieser Stadt hatten sich Tausende am Ufer eingefunden und besonders die Rendsburger Jugend begrüßte das neue Schulschiff stürmisch.

Der nächste Tag brachte ab 06:15 Uhr die Weiterfahrt nach Holtenau, das um 09:00 Uhr erreicht wurde. Als die letzte Hochbrücke passiert war, begann ein eifriges und interessantes Treiben an Bord. Stengen und Rahen für Fock und Großmast mussten wieder aufgebracht werden, wofür der ganze Sonntag vorgesehen war. Es war eine reine Freude, wie die von Kpt. Elingius angemusterten sechs jungen Handelsschiffmatrosen mit den erfahrenen Werfttaklern und unter Mithilfe der Stammmannschaft in stundenlanger, mühseliger Arbeit zwischen Himmel und Erde die Takelung und Besegelung wieder vervollständigten, und um 17:30 Uhr war alles geschafft und „Gorch Fock“ lag klar zum Aussegeln in der Kieler Förde.

Am Vormittag hatte der Chef der Marineleitung bereits von seinem uns umfahrenden Boot aus dem Schiffe den folgenden Willkommensgruß durch Winker entboten: „Ich begrüße das Eintreffen des neuen schönen Schulschiffes.“

Der lang ersehnte Tag der Probefahrt brach verheißungsvoll an, guter Segelwind in Stärke 2 bis 3 und sichtiges Wetter.

Morgens 07:22 Uhr wurde von der Boje weg gesegelt, die Maschine trat bei dem günstigen Wind nicht in Tätigkeit, nach und nach wurden alle 22 Segel gesetzt und das Schiff machte bald gute Fahrt.

Damit hatte die Probefahrt der Werft, die unter dem Kommando von Kpt. Elingius stand, ihr Ende gefunden. Sie war vollkommen zufriedenstellend ausgefallen.

Um 17:15 Uhr sprach dann Herr Kpt. z. S. Mewis als Vorsitzender der Abnahmekommission in einer kurzen Ansprache, mit einem Dank an die Bauwerft, die vorläufige Abnahme aus.

Herr Walther Blohm dankte im Namen der Werft in einer eindrucksvollen Erwiderung und betonte besonders, mit welcher Liebe von allen Stellen der Werft an diesem bemerkenswerten Tag gearbeitet worden sei. Anschließend sprach Herr Blohm auch Herrn Kpt. Elingius Dank und Anerkennung für die Beratung beim Bau und für die Führung während der Probefahrt aus.

Um 18:45 Uhr lag das Schiff an der Blücherbrücke fest.

Fritz Heidsiek, Werftzeitung Blohm & Voß

Segelausbildung

Matrose Eberhard Schilling hielt in seinem Logbuch die Segelausbildung 1939 an der Kieler Blücherbrücke fest. Das war Drill und nochmals Drill, bis jeder Tampen bekannt war und alle Handgriffe wie im Schlaf saßen.

„Seefahrt ist not!“, ziert der Buchtitel von Johann Kinau alias Gorch Fock die Seite 1. Dann das Foto des Matrosen Schilling und „Allgemeines über das Logbuch“: „…ein dienstliches Buch. Kritik in dienstlichen Angelegenheiten ist zu unterbleiben“. Der 20-jährige Eberhard Schilling notierte seine ersten Eindrücke:

Dienstag, 28. Februar 1939: „Nach langer Fahrt von Stralsund (wo er seine Grundausbildung absolvierte; Anm.) lief unser Zug endlich in den Kieler Bahnhof ein. Auf dem Bahnsteig nahmen uns gleich unsere neuen Vorgesetzten in Empfang. Dann holten wir unsere Seesäcke aus dem Güterwagen ab und verstauten sie in einem Prahm, der uns dann zur Blücherbrücke brachte.

Dienstag, 14. März: „Heute ging es nun zum ersten Mal aus der Kieler Förde hinaus. In der Strander Bucht kreuzten wir hin und her. Da der Wind ungünstig war, verließen wir mit Maschinenkraft den Hafen. Draussen übten wir nun frei von allen Bindungen Wende- und Halsemanöver.

Endlich sanken wir dann in unsere Hängematten und schliefen fest durch bis zum Wecken.

Mittwoch, 15. März: Der Wind, der gestern schon ganz nett geweht hatte, war noch stärker geworden, und das Schiff schaukelte ganz ordentlich. Nachts wurde noch der zwote Anker geworfen, da der erste nicht hielt und das Schiff abtrieb. Durch das Stampfen wurden die Mägen mehrerer Matrosen in Aufruhr gebracht, und die jungen Seeleute brachten Neptun ihr erstes Opfer. Aber die Vorgesetzten hatten hierfür kein Verständnis.

Plötzlich kam eine Böe und legte das Schiff stark nach Backbord über. Das ganze Geschirr rutschte an die Bordwand und zersplitterte teilweise an Deck. Im selben Augenblick ertönte dann auch die

Alarmanlage: ´Alle Mann klar zum Manöver!` Wir rannten an Deck und bargen die Segel. Mit sehr viel Mühe gelang es dann auch.

Sonntag, 30. April (während der Atlantik-Überquerung): Es gab mehrere, die der Versuchung nicht widerstehen konnten, die der zum Erkalten aufgestellte Pudding bot. So etwas konnte natürlich nicht unbemerkt bleiben, und bald darauf hatte man schon die ersten beim Naschen ertappt. Es gab einen demgemäßen starken Rabatz. Am nächsten Tag machte unsere Wachhälfte dann ´allerlei von zwei bis drei!` Eine Stunde in der südlichen Sonne gescheucht zu werden, hielt auch der Stärkste nicht für eine angenehme Freizeitbeschäftigung. Wir mussten dabei auch drei Mal über die Bramsaling klettern.“

Wer sich ein fantastisch detailliertes Modell (Maßstab 1: 90) dieser oder anderer Schiffe leisten möchte, dem sei die Modellbauwerft „The Model Shipyard“ in Mossel Bay/Südafrika empfohlen: www.shipyard.co.za; Tel.: 0021-44-691 1531. Für rund 1600 € (zuzüglich ca. 400 Euro für Verpackung, Transport und Zoll) kann man sich „sein“ Modell (nach individuellen Vorgaben) bauen lassen. Bei uns in Stralsund steht die „Gorch Fock“ (I) im Reichsmarine-Zustand 1933. Ein weiteres Modell habe ich am 21. November 2008 Prof. Peter Tamm, dem Stiftungsgründer des Internationalem Maritimen Museums (IMM) in Hamburg als Sprecher des Fördervereins „Gorch Fock“ (I), Stralsund, übergeben.

Dr. Peer Schmidt-Walther neben einem Modell der Gorch Fock I im Rathaus Stralsund. © Dr. Peer Schmidt-Walther

Bordausbildung in der „Gorch Fock“ (II)-Praxis 1965 (Crew IV/65)

Ich selbst machte 1965 als Offiziersanwärter die 20. AA (Auslands-Ausbildungsreise) zu den Kanarischen Inseln mit. Sie gilt bis heute als eine der stürmischsten in der Geschichte der Bark. Wenn ich meine eigenen Logbuchaufzeichnungen mit denen von Eberhard Schilling (1939) vergleiche, entdecke ich erstaunliche Ähnlichkeiten.

Montag, 8. November: Gegen 19.45 h, ich war gerade zum Abschmieren „meines“ Hilfsdiesels in der Maschine, kam plötzlich das Signal „Kilo – beide Wachen klar zum Manöver!“ An Oberdeck sah´s entsprechend aus: ein Sturm mit satter Stärke 10 Bft und darüber heulte durch das Rigg, Krängung bis zu 28 Grad, Wasser kam über. Um nicht über Bord gespült zu werden, brachten wir über der Verschanzung die „Leichenfänger“-Netze an. Bis auf Untermarsen, Fock und Groß wurde alles geborgen. Im Großtopp hing plötzlich ein Kamerad schreiend nur noch an den Segeln – haarscharf am Absturz vorbei. Nachts schliefen wir angezogen auf den Hängematten. Zwei Stunden später ein fürchterlicher Knall, und ich flog an Deck. Der Hängemattssteert war gerissen – bei dem Seegang kein Wunder! Mit ein paar blauen Flecken kam ich noch einmal glimpflich davon.

Mittwoch, 10. November: Der Wind hatte erheblich zugenommen. Er wurde in Regenböen so stark, dass auch Bram und Obermars geborgen werden mussten. Das Tief hatte uns voll erwischt! Die grauen Wellenberge zeigten beängstigende Höhen. Zuletzt waren nur noch Vor-Untermars, Fock und Groß-Untermars als Sturmbesegelung gesetzt. Zum ersten Mal war ich heute im Besanmast, um den unteren Besan zu bergen.

Vor der Ronde sprachen der IO und der Kommandant (Kapitän zur See Peter Lohmeyer; Anm.) zu uns. Wir wurden für unsere Haltung während der Sturmtage gelobt. Anschließend gab der Kommandant das traditionelle – und schönste! – Kommando: „Besanschot an!“ Wir traten Steuerbord achteraus zum Rum-Empfang an. Das ist, seit es Segelschiffe gibt, als Anerkennung üblich. Manche stellten sich auch mehrmals an, denn im gelben Ölzeug sahen wir alle gleich aus. Der Abendgesang vom „weißen Schiff, das wir lieben“, fiel umso kräftiger aus.

Übrigens: Der Zusatz (I) – in Klammern hinter den Abführungszeichen – gehört nicht zum Schiffsnamen, sondern dient nur zur Unterscheidung gegenüber der „Gorch Fock“ (II) der Deutschen Marine.

Warum immer noch Segelschiffsausbildung?

Die Ausbildung auf einem Segelschulschiff hat in Deutschland eine lange Tradition. Trotz modernster Technik in der Marine ist der Ausbildungsabschnitt „Segelschulschiff“ nach wie vor für die Deutsche Marine von großer Bedeutung. Nirgendwo wird der Einfluss des Wetters auf Schiff und Besatzung so intensiv erlebt und zur gesicherten Erfahrung wie auf einem Großsegler. Nirgendwo sonst wird die menschliche Abhängigkeit voneinander so deutlich zur Gewissheit wie in den Rahen bei einer Sturmfahrt.

Die Bedeutung der Seemannschaft als berufsspezifische Grundlage der Seefahrt kann nur auf einem von Wind und Wetter abhängigen Segler glaubhaft vermittelt werden. Außerdem erzieht die ungewohnte Enge und der Mangel an Komfort zur Kameradschaft, Rücksichtnahme und fördert den Teamgeist. Dies sind alles Eigenschaften, die für den Dienst an Bord auch der supermodernen Boote und Schiffe unerlässlich sind.

Das Schiff hat sich als „Botschafter in Blau“ für die Verbesserung zwischenstaatlicher Beziehungen einerseits, als Ausbildungsschiff für den Führungsnachwuchs sowie als Werbeträger für die Marine im Inland andererseits so sehr bewährt.

Gorch Fock/Johann Kinau verglich einen Segler auch mit dem „Lebensschiff“. Seemännisch knapp sagte er dazu aus eigener Erfahrung: „Du kannst dein Leben nicht verlängern, noch verbreitern – nur vertiefen.“

Anmerkung:

Siehe auch die Beiträge

im WELTEXPRESS.

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