Wie der Luftkrieg gegen Nordvietnam mit einer Niederlage endete – Erinnerungen an den Kampf Vietnams gegen die USA, der mit dem Sieg im April 1975 endete

Am 6. März 1968 griff die amerikanische Armee die Lac Trung-Strasse in Hanoier Stadtbezirk Hai Ba Trung an.18 Sprengbomben wurden abgeworfen. Unter den Todesopfern war auch die dreijährige Trung Thi Quang  (rechts im Vordergrund der Kinderwagen des Mädchens). Getötet wurde auch seine Mutter, Trung Thi Son.15 Wohnhäuser wurden völlig zerstört. © Foto: Irene Feldbauer

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Schon bald nach unserer Ankunft konnten wir an einem Sonntag im November 1967 eine Flak-Batterie bei Hanoi besichtigen. Nach kurzer Fahrt trafen wir diesseits des Roten Flusses in einem Wäldchen immergrüner Bäume bei einer gut getarnten Einheit von Hanoi ein. Die mit sowjetischen 100 mm-Kanonen ausgerüstete Batterie war, wie uns der Batteriechef, ein Leutnant, erzählte, im Februar 1965 aufgestellt worden und hatte seitdem an 80 Gefechten teilgenommen. Von den bis dahin über Hanoi abgeschossenen 182 US-Maschinen kamen fünf auf ihr Konto. An weiteren 49 Abschüssen war sie beteiligt. Er führte uns seine Bedienung vor. Wer in der Vorstellung lebte, die Kanone mit gezogenem Rohr könne bei der Abwehr strahlgetriebener Flugzeuge keine Rolle mehr spielen, wurde hier eines Besseren belehrt. Es handelte sich um Geschütze des sowjetischen Typs KS 19, die Flugzeuge bekämpfen konnten, die mit Geschwindigkeiten bis zu 1.200 km/h und in Höhen bis zu 14 km angriffen. Zu seiner Batterie gehörten sechs Geschütze, die, so erläuterte uns der Leutnant, nach Angaben der radargesteuerten Feuerleitstation schossen, die Aufklärung, Ortung, Erkennung, Auswertung und Zielzuweisung vornahm. Bei Ausfall der Radarsteuerung war die Bedienung jedoch auch in der Lage, tieffliegende Luftziele mit Hilfe des Visiers zu bekämpfen. Die Batterie konnte in einer Minute 90 Splittergranaten mit einer Gesamtmasse von 1.400 Kg verschießen. Wir lernten hochspezialisierte Soldaten kennen, die der modernsten und stärksten imperialistischen Militärmacht entgegentraten. Sie bilden sich darauf nichts ein, blieben einfache, bescheidene Menschen, wie wir sie täglich kennen lernten. Nur eins sagten sie uns, und das ohne Pathos. „Wir werden niemals aufgeben, auch die Amerikaner werden in Vietnam ihr Dien Bien Phu erleben.“

Wie später noch so oft, spürten wir den Stolz der vietnamesischen Soldaten auf ihre sowjetischen Waffen. Ob Gewehre, MPis, Fla-Kanonen und -Raketen oder die Panzer T-54, die später auch in den Befreiungsschlachten in Südvietnam eingesetzt wurden, sie wiesen oft auf ihre Herkunft hin. Sie wussten, es waren Waffen, mit denen die Sowjetarmee den Faschismus geschlagen und im Zweiten Weltkrieg den Sieg errungen hatte. Das stärkte ihr eigene Zuversicht. Auch in Thanh Hoa an der Ham Rong-Brücke sagte uns ein Flak-Offizier, „auch wir werden damit siegen“.

An der Strasse Nummer Eins

Auch die Straße Nr. Eins nach Süden wurde durch ein wirksames Netz von Flak- und Raketenbatterien gesichert. Ihr wirksames Abwehrfeuer verhinderte oft, dass die angreifenden Maschinen ihr Bomben und Raketen sicher ins Ziel bringen konnten. Ein Beispiel ihrer Wirksamkeit erlebten wir einmal an einer Fähre am Lam bei Vinh. Wenige km vor seiner Mündung in das südchinesische Meer ist der Fluss dort etwa 1000 Meter breit. Es war im Januar 1968, wir waren schon auf der Heimfahrt, als wir die südlich von Vinh über den Fluss führende Fähre passierten. Ich hatte dem Fährmann gerade ein paar Fragen gestellt, als der Luftbeobachter mit einer Eisenschiene an einen hohlen Bombenkörper schlug. Das dumpfe Dröhnen seiner Alarmschläge hatte kaum begonnen, als sie bereits von den harten Abschüssen der Flakbatterien hinter einer Uferböschung übertönt wurden. Dann heulte mit dem bekannten schrillen Pfeifton auch schon der erste feindliche Düsenjäger über die Fähre hinweg. Aber die Bomben fielen einige Dutzend Meter links neben ihr in den Fluss und ließen riesige Wasserfontänen emporschießen. Der Fährmann drückte mir die Hand, aber was er sagte, verstand ich in dem Höllenlärm, der um uns herum tobte, schon nicht mehr. Dann rannte er zur Fähre, die bereits abstieß. Mit einem Satz, den man dem kleinen Vietnamesen kaum zugetraut hätte, schnellte er auf die Fähre, die wohl schon über einen Meter vom Ufer entfernt war, und landete wohlbehalten. Nach einer guten Viertelstunde verstummte der Gefechtslärm. Vom gegenüber liegenden Ufer meldete der Funker, dass die Fähre ohne Schaden angekommen war. Das wirksame Feuer der Flakbatterien zu beiden Seiten des Lam hatte die angreifenden Luftpiraten daran gehindert, ihre Bombenlast sicher ins Ziel zu werfen.

An der Drachenbrücke bei Than Hoa

In Thanh Hoa war das Ziel vor allem die Brücke des Ham Rong, des „Drachen-Rachen“. Den Rachen bildeten zwei gegenüber liegende Felsen, zwischen denen sich die stählerne Brücke über den Fluss spannte, der Sage nach also vom Rachen eines großen Drachen gehalten wurde. Dazu muss man wissen, dass der Drache nicht nur in Vietnam, sondern im ganzen Fernen Osten kein schreckliches Ungeheuer darstellt, sondern eine dem Menschen wohl gesonnene, wenn auch gewaltige Erscheinung ist. Im Frühjahr 1968 erlebte ich Angriffe auf die Brücke. Die Angreifer empfing ein enormes Abwehrfeuer. 1.660mal, so erfuhr ich, war die über 300 Meter lange Brücke über den Ma bis dahin angegriffen worden. An manchen Tagen gab es 15 Angriffe. Einmal griffen 75 Maschinen in mehreren Wellen an. Sogar schwimmende Minen warfen die Angreifer in den Fluss, um die Pfeiler zu sprengen. Einen Angriff kommandierte Kriegsminister McNamara 1966, als er sich in Südvietnam aufhielt, selbst. Sein Foto war in amerikanischen Zeitungen zu sehen, als er an Bord des Flugzeugträgers „Independence“ auf einen Knopf drückte und den Start zum Angriff freigab.

Während des Kampfes gegen die französischen Kolonialtruppen hatten Pioniere der Volksarmee den Übergang gesprengt, um die Verbindungen zu deren Oberkommando nach Hanoi zu unterbrechen. Erst im Mai 1964 war die Brücke wieder fertiggestellt worden.

Feuertaufe für MiG-Jäger

Am 3. April 1965 wurde sie das erste Mal angegriffen. Anders als man sich das im Pentagon vorgestellt hatte, wurde der Tag zu einem historischen Ereignis. Und das in zweierlei Hinsicht: Für die DRV zur Wende in der Luftschlacht gegen den Aggressor und zur Geburtsstunde ihrer Luftstreitkräfte, die zum ersten Mal ihre Mig-Jäger einsetzten. Die USA-Militärs hatten wiederholt angedroht, die Luftangriffe auf ganz Nordvietnam auszuweiten. Es bedurfte keines besonderen militärischen Scharfsinns, die Angriffe auf die Ham Rong-Brücke zu erwarten. Die nordvietnamesischen Piloten waren hervorragend auf diesen Tag vorbereitet. In der UdSSR hatten sie die besten Jagdflieger ausgebildet, darunter Flieger, die über Erfahrungen aus den Kämpfen mit der Luftwaffe Hitlerdeutschlands verfügten. Die nordvietnamesischen Piloten lösten sich rund um die Uhr gefechtsbereit in ihren in gut verdeckten Hangars stehenden Mig 21, den damals mordernsten sowjetischen Typen, ab. Das seit Anfang der sechziger Jahre in den Luftstreitkräften des Warschauer Vertrages und anderer verbündeter Staaten als Standarttyp eingesetzte Flugzeug erhielt an der Ham Rong Brücke seine Feuertaufe. Die Mig 21 erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 2.450 km/h, eine Gipfelhöhe von 2.400 Meter und hatte ein Reichweite von 2.300 Km. Zum Luftkampf war sie mit im Rumpf untergebrachten Kanonen und Luft-Luft-Raketen, die an Aufhängungen unter dem Rumpf oder den Tragflächen angebracht waren, ausgerüstet. Die MG 21 erwies sich in Vietnam den vergleichbaren US-Maschinen überlegen.

Als im Morgengrauen des 3. April der Einsatzbefehl erging, stieg Staffel um Staffel in den blauen Himmel und erschien, für die Luftpiraten völlig überraschend, über der Ham Rong-Brücke. Sie griffen, wie in amerikanischen Zeitungen nachzulesen war, mit hohem taktischen Geschick und fliegerischen Können unerschrocken an und schossen 12 US-Flugzeuge ab, darunter mehrere F-105, die damals modernsten Jagdbomber der Air Force. Die Amerikanische Nachrichtenagentur „AP“ schrieb über die Luftkämpfe an diesem Tag: „Es ist zur ersten Feindberührung mit der nordvietnamesischen Luftwaffe gekommen, bei der die Amerikaner eine Schlappe erlitten.“

Seit diesem Tag schnellten die Abschussziffern in die Höhe. Waren seit August 1964 bis zum 2. April 1965 über der DRV 103 USA-Flugzeuge abgeschossen worden, so stieg ihre Zahl bereits Ende April 1965 auf 263 an. Die amerikanischen Verluste stiegen noch schneller, als drei Monate später in Nordvietnam ein Fla-Raketennetz installiert wurde. Der Schlappe an der Ham Rong-Brücke folgten weitere US-Niederlagen. Es zeigte sich, dass die DRV, nicht zuletzt dank der militärischen Hilfe der UdSSR und der VR China, nicht zur Kapitulation gezwungen werden konnte. Das und die wachsenden internationalen Proteste zwangen Washington schließlich, am 1. November 1968 die bedingungslose Einstellung der Luftangriffe zu erklären. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die nordvietnamesische Luftabwehr fast 3.243 USA-Flugzeuge abgeschossen, darunter eine Anzahl Hubschrauber. Die Erfolge ihrer Mig-Jäger verleiteten die Volksarmee übrigens nicht dazu, mit diesen die offensive Auseinandersetzung zu suchen. In diesem Sektor wäre sie angesichts ihres schmalen Territoriums der in Gestalt ihrer Flugzeugträger sowie der Basen in Südvietnam und Thailand über ein viel umfassenderes Potenzial verfügenden US-Air Force unterlegen gewesen.

Beeindruckend in Thanh Hoa war der Besuch einer nur aus Frauen bestehenden Milizeinheit. 12 Mädchen, das Älteste 23, bedienten in drei Gruppen, die einen Feuerzug bildeten, je ein 12,7 mm Fla-MG sowjetischer Konstruktion. Am 16. Juni des Jahres hatten sie eine A 4 D abgeschossen. Sie bedauerten, dass sie sich nicht im Gefecht vorstellen konnten, veranstalteten aber ein Übungsschießen. Es war erstaunlich, wie sie ihre MGs beherrschten. Auf 300 Meter jagten sie einen Feuerstoß genau ins Schwarze der Scheibe. Die Zugführerin, 20 Jahre, hübsch zum Verlieben, sprach mit blitzenden Augen. „Der Unterschied während des Angriffs ist nur, ruhig bleiben, nicht die Nerven verlieren, die Stutzen in die Schultern pressen, die Abzugsbügel fest mit beiden Händen halten, genau diese ein, zwei Sekunden abwarten, bis der Rumpf der Maschine im Fadenkreuz liegt, dann einen langen Feuerstoß abgeben.

Zur Militärhilfe der UdSSR oder anderer sozialistischer Staaten konnte man während des Krieges wenig erfahren. Sicher war, dass den Löwenanteil daran die UdSSR bestritt, die nicht nur die erforderliche modernste Militärtechnik lieferte, sondern auch einen hohen Prozentsatz des Militärpersonals bei sich im Lande aber auch durch Spezialisten vor Ort ausbildete. Ob sowjetische Piloten über Nordvietnam selbst am Steuerknüppel saßen, ist nicht bekannt geworden. Unter Freunden trafen wir schon mal einen sowjetischen Militärexperten, der durchblicken ließ, dass so mancher von ihnen wohl die Heimat nicht wiedersehen werde. Als sicher galt, dass nordkoreanische Piloten vor Ort ihre Kriegserfahrungen vermittelten. Mit Militärexperten war auch die VR China im Norden der DRV vertreten. Nie haben sich Truppen der UdSSR oder anderer sozialistischer Staaten in der DRV befunden. Vorschläge, darunter aus der DDR, Freiwillige nach dem Vorbild der Internationalen Brigaden in Spanien nach Vietnam zu entsenden, wurden aus Hanoi immer abschlägig beschieden. Das war vor allem darauf zurück zu führen, dass man den USA keinen Vorwand zur Rechtfertigung ihrer eigenen massiven Truppenpräsenz im Süden liefern wollte.

3000 nordvietnamesische Luftabwehrkadetten zur Ausbildung in Moskau

Zur sowjetischen Militärhilfe gab es jedoch nicht wenige westliche Artikel. Die US-Zeitschrift „The Reporter“ berichtete am 12. Januar 1966: „Eines ist klar: die Russen verstärken ihre Hilfe für Vietnam. (…) Seit Herbst 1965 ist die Zahl der konventionellen Flugzeugabwehrgeschütze in Nordvietnam von 1.500 auf mindestens 5.000 gestiegen; in einer inoffiziellen Schätzung, die in Washington angestellt wurde, werden sie sogar mit 7.000 beziffert. Im Herbst 1965 gab es nur vier nordvietnamesische Batterien, von denen aus SAM (Fla-Raketen) abgefeuert wurden. Bis Anfang 1966 hatte sich diese Zahl auf 25 oder 30 mit je sechs Abschussvorrichtungen erhöht. Es gab etwa 130 Abschussbasen, von denen aus die Batterien feuern konnten, 20 Prozent waren derzeit besetzt und aktiv. (…) In Washington ist man der Meinung, dass möglicherweise schon einige der sowjetischen Militärs, die zu SAM-Abschussbasen in Nordvietnam beordert wurden, verwundet oder sogar getötet worden sind, denn sie leisten ihren Dienst unter den gleichen Kampfbedingungen wie ihre einheimischen Schüler. Die sowjetischen Experten bilden ihre Schüler in oder bei Hanoi aus und ziehen dann mit ihnen zu den jeweiligen Gefechtsstationen, um zu sehen, wie sie sich im Feuer bewähren. Die weitere Unterweisung findet an Ort und Stelle statt.

Ein größerer Teil der sowjetischen Ausbildung für die Vietnamesen wurde in der Sowjetunion durchgeführt. Die Zahlen an sich waren schon beeindruckend. Am 15. März 1966 berichtete Radio Moskau, dass fast 3.000 junge Vietnamesen und Vietnamesinnen zu jener Zeit in der Sowjetunion lernten. Den bedeutsamsten Fall stellten die nordvietnamesischen Luftwaffenkadetten dar, die von Veteranen der sowjetischen Luftwaffe ausgebildet wurden, um Überschallbomber Mig 21 zu fliegen. Mitte Dezember 1966 hatte sich die Zahl der in Vietnam stationierten Migs nach der inoffiziellen Schätzung der westlichen Geheimdienste auf 180 oder sogar 200 erhöht. Die zuletzt eingetroffenen sollten einige Migs 21 cs und 21 ds mit Deltaschwingen sein.

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