Der Präsident gegen den Kollaps oder der personifizierte Kollaps? – Donald Trump mit Virus, aber ohne Präsidenten- und Dauerkrieg

Donald J. Trump, Washington, Freitag, 6. Oktober 2017. © Official White House photo by Shealah Craighead

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Nach seiner Corona-Infektion ist der amerikanische Präsident außer Gefecht gesetzt. Es spielt fast keine Rolle, wo er sich gerade aufhält. Sei es im Weißen Haus oder im Militärhospital unter dem Schutz seiner Doktoren und Spin-Doktoren, mit veränderten Stoßrichtungen gehen die politischen Grabenkämpfe in den USA unverändert weiter. Unmittelbar nach den ersten Meldungen über die Krankheit schien Schockstarre die üblichen Verdächtigen unter den Kontrahenten befallen zu haben. Standard-Formulierungen des Mitgefühls, bigott wie immer, bestimmten die Presselage. Nachdem allerdings die „Kampfgruppe Ärzte“ vor das Walter-Reed-Hospital“ getreten war und eine merkwürdige Interpretation eines von Ärzten zu verantwortenden Bulletins vornahmen, brachen die publizistischen und politischen Dämme. Einzig Jo Biden schien in geradezu väterlicher Art davon eine Ausnahme zu machen, auch wenn sich bei seinen öffentlich wieder- gegebenen Auftritten andere Fragen stellen, die nicht minder gravierend sind. Auffallend war allerdings, dass vertraute Gesichter aus den jahrelangen Breitseiten gegen Präsident Trump sofort das mediale Feld zu beherrschen schienen. Das Bild war eindeutig und drängte sich auf. Hier ging es um den nicht enden wollenden Kampf gegen einen amerikanischen Präsidenten, bei dem aus britischen Giftküchen stammende Verleumdungen von Anfang an diesem Präsidenten keine Chance gelassen haben und auch nicht lassen wollten.

Das war selbst in der Selbstzerfleischungsphase westlicher Demokratien hoch ungewöhnlich. Man muss sich deshalb fragen, was dahinter stehen könnte? Die Frage ist schon deshalb zwangsläufig, weil eine in „Bonner Zeiten“ recht ordentliche Berichterstattung über die Vereinigten Staaten längst nicht mehr gegeben ist. Wie in einer Einheitsfront haben sich die über finanzielle Zweckgemeinschaften verbandelten öffentlich-rechtlichen und privaten Medien so etwas wie auf Präsident Trump eingeschossen, dass einem schlecht werden kann. Die Corona-Pandemie macht jetzt den aus der Welt der Jagd sprichwörtlichen „Blattschuss“ scheinbar deshalb möglich, weil sich in der Behandlung der Pandemie durch Präsident Trump jetzt die seit Jahren dem Präsidenten Trump unterstellte mediale Unfähigkeit geradezu jeden Tag bei den Zahlen der in den USA Infizierten und vor allem der über zweihunderttausend toten Menschen zu manifestieren scheint. Gerade die in Berlin und nicht nur dort anzutreffende Überheblichkeit Präsident Trump gegenüber hat es ja schon immer gewusst. „Der kann es nicht“, das war das Motto seit Amtsantritt und die Unfähigkeit bekam ein Gesicht: das von Präsident Trump. Die amerikanischen Gesprächspartner, die in ARD und ZDF jahrelang gegen Präsident Trump geschossen hatten, schienen heilfroh darüber sein zu können, in der Pandemie nicht nur eine Bestätigung ihrer jahrlangen Vorwürfe erfahren zu können. Seine eigene Erkrankung personifizierte eine persönliche Unfähigkeit: die des Präsidenten und mächtigsten Mannes, jedenfalls der noch auf dem Papier bestehenden „westlichen Gemeinschaft“ Wie soll jemand mit Wurzeln in der Pfalz, der noch nicht einmal einer Pandemie Herr wird, die globalen Probleme, wenn nicht lösen, dann doch zu seinen Gunsten entscheiden? Im früheren und demokratischen Westdeutschland kannten wir das doch schon, das mit dem Pfälzer. Man musste in den Redaktionen hier im Lande noch nicht einmal die Archive schwärzen.

Ist es das wirklich, was man uns mit eindeutiger Stoßrichtung seit Tagen einflößen will? Die Unfähigkeit eines Präsidenten, der die Zahl der Infizierten und der toten Menschen ungerührt zu Kenntnis nimmt, ohne die Konsequenzen zu ziehen, die in anderen Staaten möglich sind? Ist er gar der Unmensch, als den Jo Biden ihn darzustellen sucht, der an seine Milliardärsfreunde denkt und deren Gewinnsteigerungen in die Krise und nicht an „Jo von der Main Street“. Die Antwort auf diese und andere Fragen in dem Zusammenhang ist dramatisch. Der kranke Präsident verkörpert wie kein Zweiter den Kern des amerikanischen Staates und dessen Charakter seit der Brandschatzung von Atlanta im amerikanischen Bürgerkrieg 1864, sollte man meinen. Aber das genaue Gegenteil ist auf einem zentralen Gebiet der Fall. Er hat es nicht mit Krieg und hat seinen ersten Wahlkampf ausdrücklich unter dieses Postulat gestellt. Die Vereinigten Staaten waren bis Präsident Trump ohne Krieg nicht denkbar. Sie waren der einsame weltweite Spitzenreiter. Wenn an diesem Freitag wieder der berüchtigte Friedensnobelpreis verliehen wird, erinnert man sich ungern an den Dauerkrieger Obama oder George W. Bush, erst recht nicht an Bill Clinton mit Frau Albright, die mit dem Jugoslawien-Krieg die Charta der Vereinten Nationen regelrecht in Stücke geschossen haben. Alles spricht dafür, dass Herr Trump als Präsident ins Amt kam, weil sich über die Dauerkriege die Vereinigten Staaten so verausgabt hatten, wie es schlimmer nicht geht. Selbst das Auspressen ihrer sogenannten Verbündeten reicht nicht mehr, Kriege zu führen, weil die finanzielle und menschliche Basis wegbrach. Die Finanzkrise 2008 war der Nachweis für den Konkurs zwecks Kriegsfinanzierung.

Genau hier setzte Präsident Trump an und er war und ist vermutlich der einzige, dem in der verfilzten amerikanischen Elite als „mittelständischer Milliardär“ dieses Unterfangen gelingen kann: Amerika als Staat ohne Dauerkrieg und wie andere Staaten in einer gewissen Größenordnung auch. Nicht sicher, aber durchaus nachprüfbar, wie die vier Jahre gezeigt haben. Das Unvorstellbare liegt im Verhalten derjenigen, die es schon zu Beginn eines neuen Weltkrieges nicht mehr geben würde: die europäischen Verbündeten unter Führung der „Größten Kanzlerin des Universums“ aus Deutschland. Sie zeigten Präsident Trump die kalte Schulter und kooperierten offen mit den Kräften in Washington, die vor allem jede Zusammenarbeit mit Moskau als Schlüssel für eine friedlichere Welt zu hintertreiben suchten. Bis heute ist der amerikanische Präsident eingemauert und Corona ist geradezu ein Bild für alle Umstände, die sich gegen ihn verschworen haben. „America first“ war und ist der Versuch, es nicht zum Schlimmsten kommen zu lassen und wieder eine tragfähige staatliche Basis zu schaffen. Wenn die Zeichen in Deutschland weiter so auf Sturm stehen, wie sich das schon seit langem abzeichnet, wird man hier froh sein können, wenn die staatliche Spitze auch einmal an Deutschland denken würde.

Aber, warum Spitzenreiter bei den Pandemiefolgen, die man getrost auch deshalb den Vereinigten Staaten zuschreiben kann, weil es die amerikanische Regierung, nach allem was man darüber weiß, Anfang der neunziger Jahre gewesen ist, die WHO aus der Zuständigkeit der Staaten zu lösen. Stattdessen soll gerade auf dem weltweiten Gesundheitssektor den privaten Globalmilliardären das Spielfeld für die von ihnen propagierte „Neue Weltordnung“ zur Verfügung gestellt werden. In diesen Tagen hat die britische BBC eine Weltkarte über die am meisten betroffenen Staaten gesendet. Die Speerspitzen des Kapitalismus, die USA und Großbritannien sind demnach die meistbetroffenenen Staaten. Ganz im Gegensatz zu den Staaten, in denen Reste der „Sozialen Marktwirtschaft“ noch einigermaßen tragfähige staatliche Strukturen übrig gelassen haben. Kann es deshalb sein, dass es dem amerikanischen Präsidenten auf dem zentralen Feld der staatlichen Gesundheitspolitik so geht wie bei „USA ohne Krieg“? Die Vereinigten Staaten hatten zu keinem Zeitpunkt so etwas wie die solide staatliche Struktur, die europäischen Staaten zu eigen gewesen war. Wie es ein heute immer noch führender demokratischer Kongressabgeordneter mir unter vier Augen in der OSZE-Auseinandersetzung über Wirtschaftspolitik einmal in Stockholm sagte: „Willy, wenn wir könnten, würden wir auch ‚Soziale Marktwirtschaft‘ betreiben. Wenn wir es machen würden, wären wir pleite.“

Hat Präsident Trump mit einer staatlichen Gesundheitsstruktur, die es vorgefunden hatte, nur das gemacht, was marode Systeme – und nicht die Sondermedizin für Wohlhabende – zu leisten vermögen, wenn man sie nicht total ruinieren will? Die Auseinandersetzungen kommen noch, das ist sicher.

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Willy Wimmer
Staatssekretär des Bundesministers der Verteidigung a.D. Von 1994 bis 2000 war Willy Wimmer Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).