Von Ieva Lesinska aus Riga zu Evelyn Dorn, einer jungen Frau aus Ostberlin, und zurück und immer weiter – Zum Film „Die Tochter des Spions“ von Jaak Kilmi und Gints Grube

Szene aus dem Film "Die Tochter des Spions" von von Jaak Kilmi und Gints Grube. © Kick Film GmbH

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Mitten im Kalten Krieg zwischen den militärischen Super- und vor allem Atommächten VSA und UDSSR wechselt ein Spion, ein Agent, ein Kundschafter des Friedens die Seite. Von Rot zu Blau, von Ost nach West, vom KGB zum CIA.

Vor diesem Hintergrund zeigen Jaak Kilmi und Gints Grube in ihrem Spielfilm „Die Tochter des Spions“ in 90 Minuten den kurzen Weg von Ieva Lesinska zu Evelyn Dorn und den langen Weg zu sich selbst.

Geheime Dienste, verstecktes Leben

Am 3.9.1978 ändert sich für die damals 19 Jahre junge Ieva Lesinska irgendwie alles, nicht nur der Vor- und Nachname, dabei wollte die junge Frau aus der Sowjetunion nur ihren Vater, der bei der den VN in New York arbeitet, besuchen. Nach ihrem Flug über den Eisernen Vorhang und großen Teich erfährt sie am Ende der Reise vom Herrn Papa am Ende des Hudson, dass er nicht das ist, was er auch ihr vorgab, zu sein. Er offenbart ihr, seit 20 Jahren ein Doppelagent zu sein, also sowohl für den KGB also auch für die CIA zu arbeitet. Dem Doppelkassierer reiche fortan die Einseitigkeit und scheinbar das einfache Leben. Er wolle aussteigen, voll und ganz zu den VS-Amerikanern überlaufen.

Lesinska möge sich entscheiden zwischen VSA und UdSSR, zwischen Vater, der auch dort eine Frau hat, und Mutter, die daheim auf ihre Rückkehr wartet. Sie entscheidet sich in der kunterbunten Glitzerwelt der Stadt, die niemals schläft, für das Neue, für die noch unbekannte Neue Welt und ein neues Leben. Für etwas mehr Reichtum statt Riga wird sie zu einer DDR-Emmigrantin mit VS-amerikanischem Pass. Für die nächsten acht Jahre ist sie Evelyn Dorn, ein Frau aus Ostberlin…

In den VSA lebt sie in einem Schutzprogramm, schaft den Einstieg und den Aufstieg. Sie lernt und studiert Englisch und Literatur. Sie heiratet in jungen Jahren einen VS-Amerikaner.

Als nach acht Jahren ihr Vater auf mehr oder weniger mysteriöse Weise ums Leben kommt – ein Blick in den Obduktionsbericht wird ihr verweigert -, wachsen nicht nur ihre Zweifel an seinem Tod, sondern auch am eigenen Leben, dem Sein im Haste-was-dann-biste-was-Land. Sie will ihren alten Namen und Pass zurück.

Und als Michail Gorbatschow mit Gefolge und Perestroika sowie Glasnost zu retten versucht, was nicht mehr zu retten ist, der Vorhang fällt, die UdSSR implodiert und zerfällt, Lettland von Moskau in die Unabhängig ziehen gelassen wird, kehrt sie 1991 in ihre alte Heimat, nach Riga zurück. Doch ihr Geheimnis behält sie für sich, vorerst.

Doch 30 Jahre später, ihr eigenes Mädchen wird erwachsen, will sie endlich mehr über sich und ihre Vergangenheit und die ihres Vaters in Erfahrung bringen.

Sie, Ieva Lesinska-Geibere, alias Evelyn Dorn, ist längst eine preisgekrönte Übersetzerin und eine Schlüsselfigur des literarischen Journalismus in Lettland. Sie hat in drei Ländern gelebt, verfügt über Abschlüsse in Französisch und Philosophie und beherrscht sechs Sprachen.

2017 veröffentlichte sie eine Auswahl der Schriften ihres Vaters mit dem Titel „Between Two Worlds“.

Einerseits wirkt der Film wie eine Dokumentar-Seifenoper, bei welcher der Kameramann der Protagonistin hinterher geistert und der Gucker entgeistert überlegt, ober er das alles spannend und merkwürdig melancholisch oder absurd-komisch finden soll. Andererseits ist das nicht nur alles gestellt und gedreht, vorbereitet und vorgeführt, ja, inszeniert, sondern so und nicht anders und somit ein wenig Wirklichkeit, Leben und Werk einer Person, die das Leben und Werk einer anderen Person ergründen will, also auch die Zeit und die Orten und die Gesellschaft und die Staaten und so weiter, was den Film überfrachtet, und darüber sich selbst, was alles dokumentiert wird, und also ein Biopic hoch drei. Wer’s aushält, der soll’s gucken.

Filmographische Angaben

  • Titel: Die Tochter des Spions
  • Genre: Biopic und Dokumentarfilm
  • Originalsprache: Lettisch, Englisch, Deutsch, Russisch
  • Sprache: Deutsch
  • Jahr: 2019
  • Buch und Regie: Jaak Kilmi, Gints Grube
  • Kamera: Aigars Sērmukšs, LGC, Roland Wagner
  • Ton: Anete Vanaga, Klāvs Siliņš, Oskars Ostrovskis, Björn Rothe
  • Schnitt: Armands Začs, Alexander Laudien
  • Schnittberatung: Stephan Krumbiege
  • Musik: Janek Murd, Jan Trojan
  • Produzenten: Jörg Bundschuh, Gints Grube, Jaak Kilmi, Julietta Sichel
  • Altersfreigabe: FSK ab 6 Jahren
  • Produktion: Kick-Film GmbH
  • Verleih: Im Film Agentur und Verleih
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