Wie Löschenkohl seinen Namen zur Marke macht – Serie: Das Wien Museum Karlsplatz zeigt „Hieronymus Löschenkohl. Sensationen aus dem Alten Wien“ (Teil 2/2)

Hieronymus Löschenkohl: Ballonlandung vor Wien, 1791

Eher bekommen die Schaulustigen, die Sensationslüsternen ihr Fett weg. Den in den Runden der Anlage stehen die Menschen, die nun, als der so schön bunt gestreifte Ballon vom Wind gezaust nach rechts kippt, auf dieser Seite schreiend Reißaus nehmen, einige sind vom Windstoß schon niedergeworfen worden, aber die andren sind im Laufschritt unterwegs aus der Gefahrenzone,  seien es nun hochgeschürte Damen in langen Gewändern oder die bestrumpften Edelherren, denen nun nicht mehr der Schutz ihrer Damen wichtig ist, sondern ihre eigene Haut und vor allem der Wunsch, die schöne Bekleidung zu retten. Wie eine allgemeine Uniformierung der Kleidung einhergeht mit einer bunten Vielfalt, zeigt dieses Bild auch besonders schön. Aber es gibt auch die positive Entsprechung: die Landung, hier im Bild, aber längst nicht so witzig!

Das nämlich wird einem beim Durchstreifen der Ausstellung auch klar, deren viele Exponate wir nur rühmen können, aber unmöglich aufzählen, daß dieser Löschenkohl nicht umsonst so erfolgreich mit seinen vielen Ideen wurde. Er konnte einfach technisch viel. Er konnte zeichnen, konnte lithographieren, beherrscht den Kupferstich, die Farbgestaltung sowieso und hatte Köpfchen genug, sich auch noch die richtigen Themen zu angeln, die in der Luft lagen. Entweder berichtete er von Sensationen wie dem Blanchardexperiment oder er prangerte schon etwas an, was erst später virulent wurde oder er griff ein allgemein gültiges Thema auf, wie das Neujahresfest, dies von 1782, was sich gut jedes Jahr wiederholen ließ. Sein erfolgreichster Druck allerdings wurde „Maria Theresias letzter Tag“ von 1781.

Sein Gespür für das Interesse des Volkes an Kaufenswertem würde ihn auch heute zum reichen Mann machen. Er war wirklich ein Medienartist. Ein kreativer dazu. Denn nun ging es mit den Dingen rund, die heute den Souvenirgeschäften ihre Existenzberechtigung geben. Nein, bedruckte Tassen und Magneten verkaufte er noch nicht, aber sonst alles! Kalender und Glückwunschkarten – da war er der allererste! Anbieter, zuvor schrieb man sie selber mit der Hand und bemalte sie auch– und bedruckte Tapeten und vor allem bemalte Fächer, aber auch Gesellschaftsspiele entwarf er– kennen Sie Tarock? Da hat er aber wohl kein Spiel ’designed’?

Denn er war auch ein Entwerfer und wieder in doppeltem Sinne. Er hatte die Idee und er führte sie künstlerisch aus und produzierte sie dann auch noch persönlich. Alles in einer Hand, ein Ideal für die heutige Zerstückelung, die man Arbeitsteilung nennt. Und dann konnte man an einem Platz, am Kohlmarkt dann auch noch seine Produkte ansehen, anfassen, bevor man sie kaufen durfte. Kein Wunder, daß es genug gab, die nur zum Gaffen gekommen waren, wie heute die Bewunderer der Luxusgeschäfte in den Luxuseinkaufsstraßen. Der Name Löschenkohl war ein Begriff geworden.

Ist man bei dieser interessanten Ausstellung am Ende angelangt, könnte man gleich noch einmal von vorne beginnen, denn nun weiß man als Nebenprodukt soviel über die geschichtlichen Verhältnisse, daß einem beim zweiten Blick auf die Blätter einfach mehr noch auffällt. Aber dann wundert man sich um so mehr, daß sich das alles ein Mann alleine ausgedacht hat und man denkt weiter, daß dieser Marktstratege seiner eigenen Zeit um zweihundert Jahre voraus war. Daß er mit den Namen „Löschenkohl“ – sowieso ein Unding, so zu heißen – eine Marke geschaffen hatte, die so eigenwillig im Gedächtnis bleibt und man auf einmal zu wissen glaubt, daß war gar nicht nur ein Mann, das waren gleich mehrere. Aber so denken wir heute, durch Medienmacht und Manipulation geschult. Gerne wüßte man mehr Persönliches über den am 11. Januar 1807 in Wien Gestorbenen. Aber da kann’s kaum etwas gegeben haben, denn er hat ja dauernd gearbeitet. Also so oder so ein Vertreter der Moderne.

Katalog: Hieronymus Löschenkohl. Sensationen aus dem alten Wien, hrsg. von Monika Sommer, Christian Brandstätter Verlag, Wien 2009. Den Katalog, den braucht man, ehrlich gesagt, dringend. Denn auch den echten Weanern sind die geschichtlichen Vorfälle der Donaumetropole nicht mehr in der Erinnerung, die damals das Volk aufbrachten, denn nichts ist so alt wie die Sensation von gestern. Aber wenig ist so spannend, wie dem nachzugehen, was dem Katalog gelingt.Eine Vielzahl von Fragestellungen wie „Löschenkohls Fabrik und der Markt“ werden differenziert betrachtet und natürlich gibt es dann auch das Objektverzeichnis der Ausstellung.

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Ausstellung:

bis 16. August 2009 im Wienmuseum.

Reiseliteratur:

Felix Czeike, Wien, DuMont Kunstreiseführer, 2005
Baedecker Allianz Reiseführer Wien, o.J.
Lonely Planet. Wien. Deutsche Ausgabe 2007
Walter M. Weiss, Wien, DuMont Reisetaschenbuch, 2007
Marco Polo, Wien 2006
Marco Polo, Wien, Reise-Hörbuch

Tip:

Gute Dienste leistete uns erneut das kleinen Städte-Notizbuch „Wien“ von Moleskine, das wir schon für den früheren Besuch nutzten und wo wir jetzt sofort die selbst notierten Adressen, Telefonnummern und Hinweise finden, die für uns in Wien wichtig wurden. Auch die Stadtpläne und U- und S-Bahnübersichten führen– wenn man sie benutzt – an den richtigen Ort. In der hinteren Klappe verstauen wir Kärtchen und Fahrscheine, von denen wir das letzte Mal schrieben: „ die nun nicht mehr verloren(gehen) und die wichtigsten Ereignisse hat man auch schnell aufgeschrieben, so daß das Büchelchen beides schafft: Festhalten dessen, was war und gut aufbereitete Adressen- und Übersichtsliste für den nächsten Wienaufenthalt.“ Stimmt.

Anreise:

Viele Wege führen nach Wien. Wir schafften es auf die Schnelle mit Air Berlin, haben aber auch schon gute Erfahrungen mit den Nachtzügen gemacht; auch tagsüber gibt es nun häufigere und schnellere Bahnverbindungen aus der Bundesrepublik nach Wien.

Aufenthalt:

Betten finden Sie überall, obwohl man glaubt, ganz Italien besuche derzeit Wien! Überall sind sie auf Italienisch zu hören, die meist sehr jungen und ungeheuer kulturinteressierten Wienbesucher. Wir kamen perfekt unter in zweien der drei Hiltons in Wien). Sinnvoll ist es, sich die Wien-Karte zuzulegen mitsamt dem Kuponheft, das auch noch ein kleines Übersichtsheft über die Museen und sonstige Möglichkeiten zur Besichtigung in Wien ist, die Sie dann verbilligt wahrnehmen können. Die Touristen-Information finden Sie im 1. Bezirk, Albertinaplatz/Ecke Maysedergasse.

Mit freundlicher Unterstützung von Air Berlin, dem Wien Tourismus, der Wiener Festwochen und diverser Museen und den Hilton Hotels Wien.

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