Berlin, BRD (Weltexpress). Als die Hitlerwehrmacht zu Beginn des Zweiten Weltkrieges Blitzsiege gegen Polen, Dänemark, die Niederlande, Belgien, Norwegen erzielte, die britisch-französischen Truppen 4. Juni 1940 eine Niederlage erlitten und die Wehrmacht ihre Offensive in Frankreich fortsetzte, meinte Italiens faschistischer Diktator Benito Mussolini, „im September ist alles vorbei“ und trat in den Krieg ein, um sich einen Anteil an der Beute zu sichern. Am 10. Juni 1940 gab er vom Balkon des Palazzo Venezia in Rom die Kriegserklärung an Großbritannien und Frankreich bekannt: „Volk Italiens! Zu den Waffen! (…)Wir wollen die Ketten der territorialen und militärischen Ordnung, die uns in unserem Meer erwürgen, sprengen, weil ein 45-Millionen-Volk nicht wirklich frei ist, wenn es keinen freien Zugang zum Ozean hat.“
Die von Italien an der Alpenfront eröffneten Angriffe zeitigten jedoch kaum Erfolge und übten keinen Einfluss auf die Kampfhandlungen in der Endphase des Frankreichfeldzuges der Wehrmacht aus. Bei den Waffenstillstandsverhandlungen mit Frankreich am 24. Juni 1940 in Rom konnte Mussolini seine Ansprüche auf Korsika, Tunis und Djibouti nicht durchsetzen. Hitler billigte ihm nur einen kleinen Küstenstreifen an der Côte d´Azur bis Mentone zu.
So versuchte Mussolini seine Großmachtansprüche auf dem Balkan und in Nordafrika zur Geltung zu bringen. Nachdem Griechenlands Staatschef, General Ioannis Metaxas, ein Ultimatum Mussolinis, Italien das Recht einzuräumen, in Griechenland an strategisch wichtigen Punkten des Landes Militärstützpunkte zu errichten, abgelehnt hatte, fielen am 14. Oktober 1940 italienische Truppen von Albanien aus in Griechenland ein. Die schlecht ausgerüsteten griechischen Soldaten, die zu Fuß an die Front in den Bergen des nördlichen Epirus marschierten, hielten die modern ausgerüsteten, mit neuem Kriegsgerät angreifenden Italiener nicht nur auf, sondern trieben sie mitten im Winter 1940/41 bis weit hinein in ihre Ausgangsstellungen nach Albanien zurück. Hitler soll, als er von dem Überfall erfuhr, einen Tobsuchtanfall erlitten haben. Mussolini hatte ihn vorher nicht informiert. Als Generalstabschef Badoglio das ansprach, entgegen ihm Mussolini: „Haben die uns vielleicht wegen des Norwegenfeldzuges irgendeine Mitteilung gemacht? Haben die es vorher angekündigt, als sie vorhatten, die Offensive im Westen anzufangen? Sie haben uns als nicht vorhanden betrachtet – und jetzt zahle ich es ihnen mit gleicher Münze zurück“. 1 Goebbels sprach von „Schmach und Schande“, dass die Italiener „vollkommen in die Pfanne gehauen“ wurden und die Sache „für Berlin allmählich peinlich“ wurde, dass sein Verbündeter vor aller Welt „richtiggehend verprügelt“ wurde. Hitler wartete zunächst ab. Als sich jedoch britische Unterstützung abzeichnete und die Griechen zu Gegenangriffen ansetzten, bot er dem „Duce“, um einer Intervention britischer Truppen begegnen zu können, die Entsendung je einer Luftlande- und Fallschirmjägerdivision an, was dieser jedoch ablehnte.2 Am 9. März 1941 begann Mussolini eine zweite Offensive zur Eroberung Griechenlands, die ebenfalls nach einer Woche zusammenbrach, worüber Hitler wiederum nicht informiert worden war. Danach startete die Wehrmacht im Vorfeld der Aggression gegen die UdSSR am 6. April von Bulgarien und Ungarn aus zum geplanten Überfall auf Jugoslawien und Griechenland. Die italienischen Truppen wurden von nun an dem Oberbefehl der Wehrmacht unterstellt. Nach außen wurde das Gesicht gewahrt und Mussolini und das Comando Suprèmo angeführt.
In völliger Verkennung der militärischen Möglichkeiten hatte Mussolini im Sommer 1940 bereits mehrere Angriffe in Nord- und Ostafrika geführt. Im Juli stießen seine Truppen nach Sudan und Kenia vor. Am 3. August waren sie in Britisch Somaliland eingefallen, das sie am 19. August mit der Einnahme von Berbera fast vollständig eroberten. Im September drangen sie von Libyen aus in Ägypten bis Sidi Barrani vor. Die abenteuerlichen Vorstöße scheiterten binnen kurzer Zeit. Sidi Barrani wurde am 10. Dezember von den Briten zurückerobert. Am 22. Januar 1941 nahm die 8. britische Armee Montgomerys Tobruk ein, am 8. Februar Mersa el Brega und Agheila. Die Briten zerschlugen zehn italienische Divisionen, machten 130.000 Gefangene, erbeuteten zahlreiche Panzer und Geschütze. Am 18. Januar 1941 begann in Ostafrika 3 der Angriff auf die italienische Besatzung, die am 18. Mai 1941 kapitulierte.
Auch in Nordafrika wurde die völlige Niederlage vorerst durch das ab 6. Februar 1941 zu Hilfe geschickte deutsche Afrikakorps abgewendet. Rommel, der Befehlshaber der deutsch-italienischen Verbände, konnte die Niederlage auf diesem Kriegsschauplatz jedoch nur hinauszuzögern. Am 13. Mai 1943 kapitulierte am Kap Bon nahe Tunis die zur Hälfte aus Deutschen und Italienern bestehende 250.000 Mann zählende Heeresgruppe Afrika, von der Rommel vorher abberufen wurde,
Das Scheitern Mussolini im Jahre 1940/41 zeigte, dass Italien seine Expansionsziele nur noch mit deutscher Hilfe in Angriff nehmen konnte. Mussolini musste dabei seine Pläne den deutschen unterordnen, wobei sich Hitler die günstige strategische Lage Italiens für seine eigenen Ziele zunutze machte. Dabei wurde sichtbar, dass der römische Imperialismus dem raffinierteren, rücksichtsloseren und in Aggressionskriegen erfahrenen deutschen unterlegen war.
Seitens Berlins führte das, besonders nach dem Sturz Mussolinis in einer Palastrevolte im Juli 1943, dem Ausscheiden Italiens aus der faschistischen Achse und im Oktober des Jahres der Kriegserklärung an Hitlerdeutschland zum verstärkten Anwachsen bereits latent vorhandener rassistischer Ressentiments gegen die Italiener. In Kreisen der Hitlerpartei und Militärs wurden die Italiener als „rassisch minderwertige Menschen“ und „niedere Wesen“ diffamiert. 4 Nach einer Einschätzung des Wehrmachtsbefehlshabers Südost, des 1947 in Jugoslawien als Kriegsverbrecher hingerichteten Generaloberst Löhr, disqualifizierten sich die Italiener „durch Fehlen an Härte und durch zu viel Verhandlungsbereitschaft als echtes Herrenvolk“. Den Leiter der Kanzlei der Hitlerpartei, den 1946 in Nürnberg in Abwesenheit als Kriegsverbrecher verurteilten Martin Bormann, 5 veranlasste das im Oktober 1944 anzuweisen, dass Ehen oder intime Beziehungen mit Italienern, wo immer möglich, zu verhindern seien, da sie die „Reinerhaltung deutschen Blutes gefährdeten“. Nach Kriegsende planten Hitler und führende Militärs, wie Generalleutnant Glaise von Horstenau in seinen Erinnerungen über ein Gespräch mit dem 1946 als Kriegsverbrecher hingerichteten Chef des OKW, Feldmarschall Keitel, notierte, dass „dieser aufgeblasene, lächerliche italienische Imperialismus (…) liquidiert wird.“ Schließlich wurde Italien zum Sündenbock für die „deutsche Niederlage“ erklärt. Seine „effektive Ohnmacht“ sei Deutschland „zum Verhängnis“ geworden, lautete eine der „Schuldzuweisungen“, die Hitler im April 1945 in seinem sogenannten „Politischen Testament“ äußerte. Er kam auf die italienischen Misserfolge in Griechenland 1940/41 zurück und behauptete allen Ernstes, dass sich aus der Notwendigkeit des Eingreifens der Wehrmacht im Südosten die „unheilvolle Verspätung“ des Russlandfeldzuges und die ganze Niederlage an der Ostfront abgeleitet habe.
Anmerkungen:
1 Pietro Badoglio: Italien im Zweiten Weltkrieg, München, Leipzig 1947, S. 52).
2 Gerhard Schreiber „Deutsche Kriegsverbrechen in Italien“, München 1996, S. 17 ff.), ferner Andreas Hillgruber: Von El Alamein bis Stalingrad, München 1964.
3 Nach der Eroberung Äthiopiens hatte Mussolini dieses am 1. Juni 1936 mit Eritrea und Italienisch Somaliland zur Kolonie Italienisch Ostafrika zusammeneschlossen.
4 Schreiber, S. 22 ff.
5 Nach der Flucht aus dem Führerbunker soll er sich nach verschiedenen Quellen am 2. Mai 1945 selbst umgebracht haben.
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