Skandal beim Theatertreffen – Kopf ab für ein Mitglied der Jury

Dass die Kriterien für wissenschaftliche Arbeiten an Universitäten mit denen für Beiträge in Theaterprogrammheften oder dem Magazin des Theatertreffens nicht vergleichbar sind, versteht sich eigentlich von selbst. Diese sind keine Forschungsarbeiten, in denen z.B. Quellen für Hintergrundinformationen angegeben werden müssen. Von TheaterkritikerInnen werden solche Informationen aus Programmheften, selbstverständlich auch ohne Quellenangabe, gern und unwidersprochen übernommen und dazu häufig auch noch die eine oder andere als treffend erachtete Formulierung im Text.

Während aber KritikerInnen nach Premieren mit ihren Texten Neuland erschließen, haben es die Jury-Mitglieder des TT, die von der Leitung des Theatertreffens zur Begutachtung von Vorstellungen geschickt werden, mit bereits rezensierten Inszenierungen zu tun und sind, falls sie für die Einladung einer Inszenierung votieren, neben eigenen Notizen mit einer Menge bereits veröffentlichten Materials versehen, dem sie wahrscheinlich in vielen Fällen nichts Neues mehr hinzufügen können.

Zu den zehn Inszenierungen, die. nach vielen Reisen und vielen Diskussionen, von der Jury ausgewählt werden, verfassen die Jury-Mitglieder Begleittexte für das TT-Magazin. Jeweils ein Jury-Mitglied formuliert, stellvertretend für die gesamte Jury, seinen persönlichen Eindruck von der Inszenierung in einer Laudatio, die selbstverständlich auch werbewirksam sein sollte.

Das Magazin liegt im Haus der Berliner Festspiele gratis aus und dürfte, in sehr vielen Fällen, nach allenfalls flüchtigem Durchblättern im Papiermüll landen. Wem schadet es, wenn in den Texten, die während des Festivals kaum gelesen und danach endgültig vergessen werden, eine Passage auftaucht, die sich ebenfalls in einem Programmheft findet?

Auch die Leitung des Theatertreffens hielt das offenbar zunächst nicht für gravierend, denn sie teilte in einer Pressemitteilung mit, sie habe bereits vor Drucklegung des Magazins durch die Dramaturgin des Residenztheaters von den Übereinstimmungen zwischen Muscionicos Text mit dem Programmheft erfahren, sich jedoch nicht zum Eingreifen genötigt gesehen.

Weitere Recherchen haben ergeben, dass Daniele Muscionico im TT-Magazin des letzten Jahres einige Aussagen des Regisseurs Luk Perceval aus dem Programmheft des Thalia Theaters ohne Quellenangabe in ihre Laudatio zu „Jeder stirbt für sich allein“ eingebaut hat. Ungewöhnlich ist ein solches Vorgehen nicht, peinlich eigentlich auch nicht und ganz sicher nicht kriminell.

Daniele Muscionico hat sich für ihren Fehler entschuldigt und ihr Amt als Jurorin des Theatertreffens niedergelegt. Schade, hier wurde eine kompetente und geistreiche Journalistin und Theaterkritikerin, die sich durch ihre Arbeit einen guten Ruf erworben hat, Opfer einer lächerlichen, beckmesserischen Kampagne.

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