Pulp Fiction – Christian Tramitz schießt im Kino als Groschenheftheld „Jerry Cotton“

„Auf diesen Moment habe ich mein Leben lang gewartet.“, frohlockt Phil Dekker (Christian Ulmen). Der unerfahrene Ermittler wurde zum Partner des Spitzenagenten Jerry Cotton (Christian Tramitz) berufen. Darauf gewartet? Da ist er der einzige. Als Parodie auf eine Parodie ist „Jerry Cotton“ zum Scheitern verdammt. Ein Werk, welches ein Genre persifliert, muss man ernst nehmen, um dessen Humor zu bewahren. „Jerry Cotton“ will den Humor der Vorlage ins Aberwitzige übersteigern und tötet ihn damit ab. Jerry wird des Mordes an dem Ganoven Sammy Serano (Moritz Bleibtreu) verdächtigt, dem einzigen Kriminellen, den er nicht überführen konnte. Als Cottons Partner Ted Conroy (Janek Rieke) umgebracht wird, muss Jerry untertauchen. Bei seinen Ermittlungen stößt er auf die geheimnisvolle Malena (Monica Cruz) und ihre Komplizen. Unerwartete Unterstützung erhält er von Dekker. Doch Jerry verlässt sich lieber auf seine alten Freunde: „Smith & Wesson“. Shoot, G-Man!

„Lass die Finger von der Sache, die ist ´ne Nummer zu groß für dich.“, rät ein Kollege Jerry. Gleiches gilt für die Regisseure in Hinblick auf ihre Vorlage. „Ich kenne alle ihre Romane.“, beteuert Dekker gegenüber Cotton. Die Regisseure nicht. Der Trash-Charme der Vorlage fehlt ihrem „Jerry Cotton“. „Ich sollte nach Hollywood gehen und nicht mit euch Verlierern hier rumhängen.“ Die Worte der Hauptfigur wirken wie eine reumütige Klage der ursprünglichen Romanfigur. Die Autoren hingegen gratulieren sich in ihren Dialogen permanent selbst zu ihrer vermeintlichen Originalität: „Guter Witz, Jerry!“, „Man hatten wir einen Spaß!“ Wenigstens hinter der Kamera einer, der sich amüsiert, wenn schon im Kino keiner lacht. Mr. Cotton selbst scheint sich zu langweilen: „Es wird früher spannend als ich gedacht hatte.“, bemerkt er in einer Szene. Das ist zu euphemistisch ausgedrückt. Spannend wird es nie.

Mit dem Alltag amerikanischer FBI-Agenten hat „Jerry Cotton“ so viel zu tun wie ein Karl-May-Roman mit dem Wilden Westen. Ursprünglich hatte Autor Delfried Kaufmann den ersten Cotton-Roman „Ich jagte den Gangster-Chef“ als Persiflage gedacht. Dennoch wurde die Geschichte ernst genommen. Mag sein, dass der Klientel, der seine Lektüre prinzipiell am Zeitschriften-Kiosk auswählt, nicht der intelligenteste ist. Ähnlich schätzt das Regie-Duo das Kinopublikum ein. Ein Pulp-Heft zeigt die erste Einstellung. „Jason Spirit“ steht auf dem Umschlag, eine Persiflage auf die Hefte der Horror-Reihe „Jason Dark“. Überdeutlich wie die Anspielung auf dem Titel des Groschenheftes drängt sich jeder der Film-Witze auf. Mehr als die Unterwelt „Jerry Cotton“ fürchtete das Regie-Duo anscheinend, das Publikum mit ihrem Humor intellektuell zu überfordern. So plump ist die Satire in Szene gesetzt, dass sie kaum noch den Namen verdient. Lustig machen sich Boss und Stennert nur über ihre Protagonisten. Sich und ihre Witze nehmen sie todernst. Hauptdarsteller Christian Tramitz war mit dieser stilistischen Unschlüssigkeit anscheinend überfordert. Unsicher, ob er ernst oder albern aussehen soll, entscheidet er sich für nichts von beidem und blickt ausdruckslos in die Kamera.

Der wahre „Jerry Cotton“ George Nader muss die Wiederbelebung der Figur, die er in den Sechzigern in acht Spielfilmen verkörperte, nicht mehr mitansehen. Der 2002 verstorbenen Schauspieler kann sich nur noch im Grab umdrehen. Marschieren Cotton und Co. endlich gewohnt protzig dem Abspann entgegen, sieht das bedrohlich nach einer geplanten Fortsetzung aus. Ihr Vorgesetzter verkündet: „Das FBI braucht sie, New York braucht sie, Amerika braucht sie.“ Nur das Kino braucht sie nicht.

Titel: Jerry Cotton

Land/ Jahr: Deutschland 2010

Genre: Actionkomödie

Kinostart: 11. März 2010

Regie und Drehbuch: Cyrill Boss, Philipp Stennert

Darsteller: Christian Tramitz, Christian Ulmen, Monica Cruz, Christiane Paul, Heino Ferch

Laufzeit: 99 Minuten

Verleih: Constantin

www.jerrycotton.film.de

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