Bestärkt wird der Fachmann aus Vancouver in seiner Erwartung durch die ungewöhnlich offene Ansage des Rekord-Favoriten Nummer eins. „Ja, ich will hier den Weltrekord brechen und denke, dass es möglich ist“, erklärte Wilson Kipsang am Freitag auf der Pressekonferenz in einem Hotel am Potsdamer Platz.
Die Bestmarke wird von seinem kenianischen Landsmann Patrick Makau gehalten. Jener schaffte 2011 bei seiner Tempohatz über die 42,195 km an gleicher Stelle die Fabelzeit von 2:03:38 Stunden!
Doch der 31-jährige Kipsang war in jenem Jahr nur einem Monat später in Frankfurt/M. nur 4 Sekunden später im Ziel. Und ist damit der Zweitschnellste aller Zeiten.
Doch Makau hatte nach seinem Sturmlauf wenig Glück. Verletzungen warfen ihn aus der Erfolgsspur. In Berlin wollte er nun wieder groß auftrumpfen. Doch eine Knieverletzung verhindert den Auftritt. Und so ist er nurmehr als Ehrengast dabei, nachdem er im April in London lediglich als Elfter mit 2:14 ins Ziel gekommen war.
Als Favoriten für Sonntag sieht der Noch-Weltrekordler vor allem seine Landsleute an. Neben dem erwähnten Kipsang dessen Namensvetter Geoffrey Kipsang (2:06:12) und Eliud Kipchoge (2:05:30).
Auch Mark Milde, als Renndirektor zuständig für die Verpflichtung der Topläufer, glaubt: „Ich denke, der Sieger am Sonntag wird einer von denen sein, die hier vorn auf dem Podium sitzen.“
Damit ist das kenianische Trio gemeint. Der Brasilianer Marilson dos Santos ist 36 und verkündet, sein Ziel sei vor allem der Südamerika-Rekord seines Landsmannes Ronaldo da Costa. Der markierte 1998 an der Spree 2:06:05 – seinerzeit als Sensation empfundener Weltrekord!
Und der Fünfte auf dem Podium spielt den Part des deutschen Hoffnungsträgers. Andre Pollmächer, der Wahl-Düsseldorfer, reflektiert vor allem darauf, seine Bestzeit von 2:13:09 aus dem Jahre 2009 zu knacken, „und damit die EM-Norm für 2014 zu erfüllen.“
Wilson Kipsang gibt sein Debüt auf Berliner Asphalt. Nach Triumphen in Frankfurt/M. (2x) und London 2012 und dort wenig später noch Olympia-Bronze, möchte er nun eins draufsetzen.
Die Weltmeisterschaften im August in Moskau – dort erlebten die Männer der führenden Langstrecken-Nation ein Debakel, blieben ohne Medaille – ließ er wie seine beiden sonntäglichen Konkurrenten aus. WM – das gäbe zwar Prestige, aber weniger Geld – und so plante er wie andere Spitzenläufer die Saison ohne den kräftezehrenden Kampf im heißen Moskau.
Sollte sein Rekord-Vorhaben erfolgreich enden, bekäme der Sieger mit entsprechendem Zeitbonus schon allein durch offizielle Prämien deutlich über 100 000 Euro. Was durch eine garantierte Antrittsgage noch erheblich aufgestockt wird.
„Ich bin sehr gut vorbereitet und denke, dass wir bei günstigem Wetter den Rekord angreifen können“, sagt Kipsang und bezieht das „wir“ auf eine Zusammenarbeit in der Führungsgruppe.
Eliud Kipchoge (28) gibt sich zurückhaltender. Er wolle vor allem unter 2:05 bleiben, gibt er an. Weil sein Hausrekord seit April bei 2:05:30 steht. Den erzielte er in Hamburg bei seiner Marathon-Premiere! Er sei ein "Läufer der alten Schule", erklärt er lächelnd. Bedeutet, erst Weltspitze auf der Bahn (Weltmeister 2003 über 5000 m, Olympiadritter 2008). Und dann – wie der erfolgreichste Langstreckler aller Zeiten und Vierfach-Berlin-Gewinner, Haile Gebrselassie (Äthiopien) – beim Umstieg auf die Langdistanz auf Anhieb ganz vorn mit dabei.
Geoffrey Kipsang schließlich hat – wird im November 21 – den Vorzug der jugendlich-unverbrauchten Kräfte.Vor zwei Jahren war er einer der Tempomacher bei Makaus WR-Sturmlauf. Jetz will er – na klar – seine Bestzeit von 2:06:12 (im Vorjahr als Dritter in Berlin) in Regionen um die 2:05 drücken.
Bei all den hochgesteckten Plänen sollte man nicht außer Acht lassen, was die zweimalige Weltrekordlerin Tegla Loroupe (Kenia) zu bedenken gibt. "Beim Marathon kannst du nie mit Bestimmtheit sagen, ich werde hier und heute den Rekord brechen." Bei ihrem Sieg 1999 in Berlin (2:20:43) habe sie erst nach Kilometer 40 angefangen, "an den Rekord zu denken."
Loroupe erklärte das bei einer PR-Aktion "Kinder fragen Marathon-Stars" auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof.
Dort empfing auch die Vitalmesse und rechnete mit rund 100 000 Besuchern. Da gab es von etwa 200 Ausstellern alles, was für Lauf-und Inline-Interessierte an Produkten, Trend, Infos und Empfehlungen infrage kommt. Eine gigantische Show in einem Milliarden-Markt!
Natürlich ist der Deutsch-Kanadier Stebner mit raus zum wohl ersten Kompakt-Großflughafen Tempelhof gefahren. In Braunschweig geboren, noch als Baby mit den Eltern nach Kanada ausgewandert, hat sich der Architekt auch mit seinem Laufhobby einem Namen gemacht. Weniger mit sportlichen Glanztaten – bei 25 Starts Bestzeit 2:54 -, als vielmehr mit Berichten und Texten über die Szene in nordamerikanischen Laufmagazinen. Und als Organisator. Seit Jahren wird das Marathon-Spektakel in Vancouver unter seiner Regie abgespult.
Der diesjährige Berlin-Stopp ist insgesamt sein dritter hier. Der erste war privat. 1974 war das, „als die Mauer noch stand“. Dann kam er 2003, erkannte die Stadt kaum wieder und erlebte den Weltrekord des Kenianers Paul Tergat. Nun freut er sich, "dass ich erneut Augenzeuge solch eines historischen Moments werden kann."