In einem ehemaligen Berliner Fabrikgebäude wird am Gold geschmiedet oder Sport frei mit dem FES

Das Institut FES bzw. das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten. © Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten, Quelle: www.fes-sport.de

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Kaum zu glauben, aber die Goldspur der deutschen Bobpiloten, Rennrodlern und Skeleton-Artisten führt nach Berlin. Die goldenen Kufen der Weltmeister Francesco Friedrich im Zweier- und Vierer-Bob, des Rennrodelweltmeisters Felix Loch, der Bob-Weltmeisterin Mariama Jamanka, der Rodelweltmeisterin Natalie Gaisenberger sowie des Skeleton-WM-Goldgirls Tina Hermann schmiedeten geschickte Hände in Berlin-Oberschöneweide.

Dort tüfteln am Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten, in Sportlerkreisen kurz FES genannt, 85 helle Köpf um den deutschen Topathleten möglichst Hightech-Geräte mit auf den Weg zu Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen zu geben. Allein bei den Weltmeisterschaften 2019 der „Bobies“, Rodler und Skeleton-Stars rasten die deutschen Athleten zu 20 Medaillen – davon 10 in Gold.

Thomas Schwab, Sportdirektor des Bob- und Schlittensportverbandes, ist es im Grunde egal auf welchen Kufen, die deutschen Athleten durch die Eiskanäle der Welt rasen. „Hauptsache sie gewinnen“, sagt er und schaut dann aber schon aus Bayern mit freundlichem Blick in Richtung Berlin: „Gut, dass wir das FES haben.“

Bobbundestrainer René Spies sieht in den Wissenschaftler und Technikern von der Spree eine ganz wichtige Komponente beim Formaufbau der Athleten: „Ein Weltklasseathlet muss über starke Athletik, ausgefeilte Technik und mentale Stärke verfügen. Die Grundlage für eine Topleistung bilden bei den Bobpiloten und Anschiebern natürlich die Geräte. Da leistet das FES eine ganz tolle Arbeit. Wenn der Schlitten nicht läuft, verpufft selbst die beste Athletik.“

Was nichts damit zu tun hat, dass den deutschen Eiskanal-Artisten auch Technik der österreichischen Firma Wallner und des lettischen Unternehmens BTC zur Verfügung steht. Die Trainer lassen den Sportlern freie Hand, welches Material sie einsetzen. „Natalie Gaisenberger und mein Sohn Felix benutzten FES-Kufen, die sie dann nach ihren Wünschen noch bearbeiten“, verrät uns Rodel-Bundestrainer Norbert Loch. 20 Medaillen bei Welttitelkämpfen und als „Zugabe“ noch sieben EM-Medaillen!

Ein toller Einstieg für Michael Nitsch, der seit 1. Januar auf dem Chefsessel des Instituts sitzt. Ein Greenhorn ist er nicht, schließlich tüftelt er bereits 27 Jahre an FES-Produkten mit. Schon in die Weltmeister-Zeitfahrmaschinen des Rad-Olympiasiegers Jan Ullrich flossen Nitsch-Ideen mit ein.

Bis zum 31. Dezember 2018 leitete Harald Schaale die Geräte-Schmiede an der Spree. Nach 37 Instituts-Jahren, davon 25 Jahre als Direktor, verabschiedet sich der 66-Jährige in den Ruhestand. Harald Schaale hinterließ ein bestelltes Feld, wie an den jüngsten WM-Erfolgen zu erkennen ist. Das FES gehört zu den Staatgeheimnissen des deutschen Hochleistungssports.

„Naja, Staatsgeheimnis. So hoch würde ich unsere Arbeit nicht anbinden. Es ist aber richtig, dass wir weltweit das einzige Institut dieser Art sind“, wirft Diplom-Ingenieur Nitsch einen Blick über den Gartenzaun. Die Tüftler-Villa gehört zu den Phänomenen der Wendezeit. Die Gründung des FES geht auf das Jahr 1963, also zu tiefen DDR-Zeiten, zurück. Vieles wurde in den Wendejahren im Osten abgewickelt wie zum Beispiel die DHfK oder das Schützen-Zentrum in Leipzig. Das FES überstand alle Wirren. Ex-Direktor Harald Schaale erinnert sich daran: „Die Trainer aus dem Osten plädierten natürlich für den Erhalt des FES. Zum Glück erkannten auch einige Sportfunktionäre der alten Bundesrepublik den Wert unseres Instituts. Der damalige NOK-Präsident Willi Daume, Kanu-Präsident Ulrich Feldhoff und der heutige IOC-Präsident Dr. Thomas Bach gehörten zu den Unterstützern. Grünes Licht für unser Institut gab am Ende der damalige Bundesinnenminister und heutige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble.“

Nicht nur im Eiskanal profitierten die Athleten von den Gedankenspielen der Ingenieure und Techniker aus Berlin. Ruderer, Segler, Radsportler, Schützen oder Kanuten schätzen ebenfalls die Kunst der Oberschöneweidner. Wenn Rat gebraucht wird, stehen nicht nur die Theoretiker bereit. So weiß auch Thomas Flach woher der Wind weht. Der zweimalige Segel-Olympiasieger schaltet immer auf Empfang, wenn den Athleten Fragen auf der Seele brennen. „Er weiß, wie Sportler ticken“, meint Michael Nitsch. Wenn im nächsten Jahr bei den Olympischen Spielen in Tokio die Kanuten zum wiederholten Male um Gold kämpfen, dann hatten natürlich auch die FESler ihre Hände mit im Spiel. Der Winter ist abgehakt. „Schon seit Monaten konzentrieren wir uns auf die Geräte für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio“, berichtet uns Direktor Michael Nitsch und lehnte sich dann ganz weit aus dem Fenster: „Unser Räder sind Spitze. Ich gehe davon aus, dass unser Bahn-Vierer im nächsten Jahr mit um die Medaillen fährt.“ Eine Vierer-Medaille wäre eine gewaltige Hausnummer. Zum letzten Mal lächelten nämlich Robert Bartko, Jens Lehmann, Daniel Becke, Guido Fulst und Olaf Pollak 2000 als Goldmedaillengewinner von einem olympischen Siegerpodest.

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