In der Bundesliga kennt er alles – Wird Jogi Löw auch nach der WM 2018 Bundestrainer sein?

Rasen mit Fußball. © Foto: Andreas Hagemoser, 2016

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Fußball-Präsident Reinhard Grindel ist zuversichtlich. Bundes-Trainer Joachim Löw habe Gesprächsbereitschaft signalisiert zur Vertragsverlängerung nach der WM-Endrunde 2018 in Russland. Löw sei das Beste, was der Nationalmannschaft passieren könne!
Ähnlich sehen es die Spieler, Medien, Öffentlichkeit. Und Oliver Bierhoff, Manager der Nationalelf und Löw eng verbunden, bestätigt, dass jener nicht „amtsmüde“ und bereit zum Weitermachen sei.

Auch für den Umworbenen selbst dürfte das „zweitwichtigste Amt nach dem des Kanzlers (-in)“, so die etwas ironische Übertreibung, als Weiterbeschäftigung das Beste sein. Teamchef des aktuellen Weltmeisters zu bleiben ist derzeit eine Art Traumjob für jeden Fußball-Lehrer, gleichzusetzen mit einem Vollkomfortsessel.

Nun drei höchst dominant herausgespielte Siege in der WM-Qualifikation. 8:0 Tore. Und einen Kader, um den jeder Kollege weltweit den 56-jährigen Schwarzwälder Löw beneiden dürfte. Auf allen Positionen absolute Könner der Weltklasse, fast durchweg mit identisch gleichwertigen Akteuren dahinter. Man habe derzeit zwei gleichstarke Mannschaften befand Mittelfeldantreiber Sami Khedira. Die Nordiren konnten auf drei Profis aus der englischen Premier League verweisen, der Rest kam aus der zweiten und dritten Liga. In Löws Eliteformation standen ausnahmslos Hochkaräter aus den Spitzenklubs Englands, Spaniens, Italiens sowie aus der Bundesliga!

Die Ansammlung von Edelkickern im Kreis der mehr als 7 Millionen Mitglieder im Deutschen Fußball-Bund (DFB) ist nicht Löws Verdienst, sondern dem vor Jahren durch den Ex-Dresdner Matthias Sammer, fußballerisch einer der Besten auch in der Nationalmannschaft, dann Trainer und Sportdirektor bei Rekordmeister Bayern München, in Gang gesetzten Nachwuchsprogramm zu verdanken, mit einem Netz von Sichtungs- und Leistungsstützpunkten und modernen Trainingsinhalten.

Aus einer Vielzahl von erstklassigen Einzelspielern, mitunter mit Hang zu Star- und Ego-Attitüden, ist es Löw seit Beginn seiner Amtsübernahme nach der Heim-WM 2006, davor zwei Jahre treuer Assistent des Radikalreformers Jürgen Klinsmann, immer besser gelungen, eine kompakte Einheit auf dem Rasen und im Wollen zum Erfolg zu präsentieren. Fünfmal gab es bei EM/WM seither immer mindestens den Einzug ins Halbfinale. Mit der Krönung des WM-Titels vor zwei Jahren in Brasilien!

Statistiker vermeldeten nach dem 2:0 über Nordirland, damit seien auch die 94 Rekordsiege des legendären WM-Meistertrainers von 1954, Sepp Herberger, durch Löw auf der Trainerbank erreicht!

Nach dem Aus bei der EM im Halbfinale gegen Gastgeber Frankreich hatte Löw enttäuscht und schmallippig verkündet, über seine Zukunft werde er sich später und 2017 äußern. Und angefügt, ein Job in der Bundesliga käme für ihn nicht in Betracht. Da kenne er ja alles! Und ja, im Ausland gäbe es schon etwas, was ihn reizen würde.

Hoppla, in der Bundesliga kenne er alles?- Das dürfte eingefleischte Fußball-Kritiker irritieren und eher als Versprecher durchgehen.
Denn aus der Warte des Trainers oder als Kicker kann das nicht gemeint sein. Auch wenn er als Profi beim Zweitligisten Freiburg zumindest lokale Anerkennung erntete. Als Assistent und dann Coach des VfB Stuttgart (immerhin Pokalsieg 1997) und des Karlsruher SC langte es nur zu wenig bleibendem Ruhm. Dieser war auch im Ausland bescheiden. Mit Stationen in der Schweiz, in Österreich (1x Meister mit Austria Wien) sowie in der Türkei.

Dass ihn Klinsmann ins DFB-Flaggschiff holte, wo Löw im Hintergrund den sportlichen Teil für die Nationalmannschaft maßgeblich erledigte, während Klinsmann als Aufsichtsratsvorsitzender Medien und die Öffentlichkeit versorgte, war der entscheidende Knackpunkt in Löws Karriere.
Neben den erwähnten sportlichen Meriten hat er Ehrungen und Auszeichnungen eingeheimst, die er als Vereins-Trainer kaum bekommen würde: FIFA-Trainer des Jahres nach dem WM-Sieg, in Deutschland Trainer des Jahres, Bundesverdienstkreuz, Medienpreis usw.

Kritische Momente oder gar Skandale/Skandälchen blieben unter Regie von Trainer Löw/Manager Bierhoff im Gegensatz zu mitunter turbulentem Geschehen in der Vergangenheit im My-Bereich. Ex-Capitano Michael Ballack wurde kein angemessener Abschied gewährt, nachdem jener Bierhoff höchst derb angemotzt hatte. Nicht gut kam öffentlich ein Anflug von Raffgier beim Ex-BWL-Studenten Bierhoff an, als jener vom Ex-Präsidenten Theo Zwanziger beim Vertragspoker nach der WM 2010 für sich und Löw ganz nebenbei zusätzlich ein Handschlaghonorar in Höhe eines Jahresgehalts herausschlagen wollte…

Ansonsten weitgehend magere Zeiten für die Boulevardpresse mit Berichten oder Enthüllungen aus den Fünf-Sterne-Herbergen der Auswahlkicker. Ein bezahlter Maulwurf – das war einmal zu Matthäus-Zeiten!

Dennoch stellte beispielsweise die Neue Züricher Zeitung fest, scheint ein Teil der deutschen Fußballanhänger Löw nicht voll und ganz in sein Herz geschlossen zu haben. Wenn er vor die Mikrofone tritt, komme mitunter eine Distanzierung herüber, wie wenn der Fußballkanzler zu seinem Volk spricht. Ein Gestus der Unfehlbarkeit oder Alternativlosigkeit zum Verkündeten.

Auf kritische Ansichten zu Nominierungen, Aufstellungen oder Taktiken reagiert er ungern oder gar nicht. Und korrigiert dann aber im Turnierverlauf – Lahm im Mittelfeld, als rechter oder linker Außenverteidiger, gelernter Mittelstürmer oder falsche Neun, Dreier- oder Viererkette u.ä – seinen vorher verteidigten Spielplan stillschweigend.

Ein Visionär mit einer erklärten Fußball-Philosophie sei er nicht unbedingt. Vermag aber Änderungen zu erkennen und ist bereit, diese seiner Mannschaft zu vermitteln. Bei der Personalführung wäre die Neigung sichtbar, Erfahrungen älterer Spieler höher zu wuchten als die Bereitschaft, mit jungen Spielern auch mal ein Wagnis einzugehen.

Zu vorsichtig, eine Spur zu defensiv und zu sehr auf das Spiel des Gegners ausgerichtet zu sein, haben ihm Kritiker vorgeworfen.
Nach der EM konstatierten u.a. der Tagesspiegel und die FAZ – auch, weil Löw sich mit seinem Stab Zeit für eine nachbereitende Analyse ließ -, es seien Anzeichen vorhanden, der Bundestrainer habe es sich ein bisschen bequem gemacht im Job. Beispielsweise sich kaum um das Auftreten der U23 –Auswahl gekümmert, Sprungbrett zur Nationalmannschaft. Oder richtungsweisende Erkenntnisse nach der EM vermissen lassen.

Nach dem überaus positiven Start in die WM-Qualifikation aber ist Löw wieder in Schwung geraten. Will die Mannschaft fit haben zur erfolgreichen WM-Titelverteidigung 2018. Durch eine weiter „gnadenlos durchgezogene Qualifikation“ und das Heranführen jüngerer Spieler im November gegen San Marino bzw. beim Confed Cup. Und sich dann mit Bierhoff gleich mal nach passenden WM-Quartieren in Russland umsehen.

Dass urbane Teile des Fußballvolks hierzulande oder Medien mit der Person des Bundestrainers aber immer noch fremdeln, hängt möglicherweise mit seiner Außendarstellung zusammen. Die mitunter gestelzt daher kommenden Statements vor der Kamera, die berechneten Gesten und Aktivitäten in die Kameras. Das bewusste Balljonglieren am Rand – seht her, was für ein toller Rastelli ich bin -, die für Fußball, dem einstigen Proletariersport, übersteigerte Kleiderordnung: Maßanzüge, Schals, hautenge Hemden, oder aber Goldkettchen und kragenloser Pulli. Putzig, dass die unmittelbaren Assistenten dann fast immer identisch im outfit sind, während andere Helfer die schlichte, übliche Betreuerkluft bevorzugen.

Dass die schwarze Haartracht immer gleichbleibend schwarz und strukturell bleibt, führte bei Google zur Suchkombination Löw Toupet wie sein narzisshaftes Gebaren zu Löw schwul? Beides ist nicht, wird dem Neugierigen kundgetan.

Mit solchen lästigen Nebenerscheinungen, so war die Scheidung kürzlich eher eine Mini-Nachricht, als Person des öffentlichen Interesses muss Löw klarkommen.

Auch damit, dass sein offizielles Gehalt von rund 3,3 Millionen jährlich von den Toptrainern der Branche in den Großvereinen Real Madrid, Manchester, Barcelona, München um ein Mehrfaches übertroffen wird. Allerdings hat Löw nicht nur viel mehr Zeit, sich bei drei potenten (oder mehr) Sponsoren ins Zeug zu legen. Wobei sein Privatvermögen mittlerweile nach Schätzungen bereits auf 15 bis 18 Millionen angestiegen sein soll.

Was also sollte Löw veranlassen, nach 2018 den Luxusjob und die Komfortzone Bundestrainer – Superkader, garantierter Erfolg, loyale und kompetente Mitarbeiter-Crew – aufzugeben?- Gegen eine Anstellung auf einem Schleudersitz mit Stress Woche für Woche, mit kleinen und großen Pöbeleien von Fans oder Medien?- Und gar im Ausland noch, wo ein Weltmeistertrainer aus Germany sicher von der ersten Minute noch stärker im Fokus stehen dürfte als der Rest der Kollegen?!

Nein, Jogi Löw wird Bundestrainer bleiben. Vielleicht nicht bis ans Ende seines Berufslebens als Fußball-Lehrer. Zehn Jahres hat er bravourös gemeistert. Da ist es nicht mehr weit zu den 14 von Helmut Schön (1964 – 1978), der Europa- und Weltmeisterschaft gewann. Wäre denk- und machbar auch für Jogi Löw!

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