Fünf Scharlatane schwätzten in der und über die „City West“

Gerhard Kirsch © Foto: Gero Schreier, 2015

Die Scharlatane des Abends

waren Gregor Andreewitch, aktueller General Manager des Waldorf Astoria Hotel auf der anderen Straßenseite, Dr. Stefan Elfenbein, der als Juryvorsitzender „Berliner Meisterköche“ vorgestellt wurde und sich als Lohnschreiber für Feinschmecker und weitere Blätter ins Szene setzte, ansonsten auf die Tränendrüse drückte, Klaus-Jürgen Meier, großgewachsenener wie kleingeistiger Vorstandsvorsitzender "der AG City", Reinhard Naumann, Bezirksbürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf, dem seine SPD-Mitgliedschaft aus jedem Satz tropfte, und Ted Walle, der als "Centre Manager des Bikini Berlin" präsentiert wurde.

Ulrich Bülow vom "ZDF Hauptstadtstudio Berlin" moderierte die Veranstaltung, obwohl es nichts zu moderieren gab. Passend zum Altherrenpublikum des Anstaltssenders, der Dank Zwangsabgaben von einem Apparat, deren Funktionäre mehr mit Partei- und Scheckbücher als mit Sachbücher in Verbindung gebracht werden, stellte der Mann sich ins intellektuelle Abseits und Fragen zum Fischefüttern (siehe oben). Alle durften Blubbern. Nein, mit Lügenpresse hat das (ZDF) in diesem Fall wirklich nichts zu tun. Das Prädikat Presse paßt nicht.

Und Lügen? Altherrengeschwätz und Anekdoten wurde zum Besten gegeben, ab und an artig applaudiert. Das Medienforum war an diesem Dienstagabend Public Relations pur und also nichts weiter als Werbung. Von einem “hochkarätigen Podium” sprechen und schreiben können nur diejenigen, die den geistigen Tieffliegern am Mikrofon nicht das Wasser reichen können.

Das Geschwätz des Abends

Damit im Wasserglas kein Sturm aufkommt, wurde das Thema geglättet. Folgende Fragen sollten gestellt werden: “Wie kann die City West wieder zu früherem Glanz finden, damit sich Touristen aus aller Welt willkommen fühlen? Sind die touristischen und gastronomischen Angebote attraktiv genug, um modernen Wünschen von Reisenden zu entsprechen? Wie können insbesondere höhere Aufenthaltsqualität und längere Verweildauer erreicht werden? Haben BIKINI und andere Projekte junge Impulse ausgelöst? Wie kann dies noch gefördert werden? Was bieten neue Restaurants mit ansprechender Optik den Gästen an kulinarischen Genüssen? Wie steht es um eine angenehme Willkommenskultur, namentlich um eine anziehende Freiluftgastronomie?”

Walle beantwortete alle Fragen mit Grün und erklärte allen Ernstes, das sein Haus ein “Concept-Store” sei. Das blieb sowohl auf dem Podium wie im Publikum unwidersprochen. Aber nicht hier und heute im WELTEXPRESS: Auch das “Bikini-Haus” ist nur ein Warenhaus. Punkt. Eines von vielen in der “City West” genannten Gegend zwischen Zoo und Kudamm, wo das quasireligiöse dingliche Verhältnis zu Produkten, die Menschen in arbeitsteiliger Produktion bzw. gesellschaftlicher Arbeit füreinander herstellen, als Fetisch zur Schau gestellt wird. Wir wollen an dieser Stelle nicht über den Geldfetisch und den Kapitalfetisch als Weiterentwicklungen des Warenfetischs schreiben, doch klarstellen, dass dort Waren ausgestellt und verkauft werden. Pars pro toto steht jedes Warenhaus der “City West” fürs Ganze, den Kapitalismus. Doch die ganz großen Kapitalisten wollten nach der “Wende” ihre Waren nicht in der “City West” ins Schaufenster stellen und verkaufen und die Kunden wollten deren Waren dort nicht gucken und kaufen. Das sollte sich wieder ändern und so findet seit einigen Jahren ein organisierter Verdrängungswettbewerb in der "City West" statt, bei dem auch der SPD-Bürgermeister beweist, dass der Staat der des Kapitals ist. Weil Naumann wiedergewählt werden will, muss er seine Wähler weiter für dumm verkaufen (er antwortete ebenfalls mit Grün) und gleichzeitig kleine Geschenke wie Bäume und Bänke bewilligen, während die Großen die großen Geschenke kriegen im täglich Kampf um Subventionen.

Der Bourgois Meier als Vorstandsvorsitzender der “Arbeitsgemeinschaft City e.V.” genannten Interessenvertretung, die nicht die Schönen aber die Reichen vertritt, dient in erster Linie den Interessen von Dutzenden Kapitalgesellschaften und dürfte somit dem “Wohle der Anlieger und der Gewerbetreibende“, wie es in der Satzung dieses Vereins heißt, nützlich sein. Kurz: Er dient der Bourgeoisie, den Kapitalisten, nicht den Proletariern, den Lohnarbeitern oder einer verklausulierten „Allgemeinheit“, nicht einem aus der „City West“ verdrängten (Lumpen-)proletarier, keinem ausgestoßenen Almosen-Empfänger in der Hartz-Hauptstadt Berlin, der der Niete in Nadelstreifen, die selber Kapitalist und also Ausbeuter ist, die Leviten gelesen hätte, wäre er eingeladen worden. Nebenbei bemerkt: Meier antwortete auf alle Fragen mit Grün.

Abstreiten wollen wir dabei nicht, dass Männer wie Meier die „City West“ als Lage für Leute wie Andreewitch im Preis steigern wollen – und für die Eigentümer der Häuser den Profit gleich mit. Der Herr aus dem hohen Haus mit den "niedrigen Preisen" blieb wie alle anderen ohne besondere Tiefgründigkeit. Im Gegenteil: Der kleine Angestellte des Waldorf Astoria, einem Hotel für die Bourgoisie, wohne mittlerweile selber dort, bekannte er. Sie lesen richtig, auch er gab mehr über sich preis, was allen körperlich Anwesenden auf dem Podium recht und billig schein, als das er über Wesentliches Wahres sagte. Richtig, auch Andreewitch beantwortete alle Fragen mit Grün.

Begriff und Gegenstand

Gerhard Kirsch © Foto: Gero Schreier, 2015Doch den Begriff „City West“ mit Inhalt zu füllen bzw. (Erfahrungs-)Erkenntnisse in der mit „City West“ benannten Lage hier und heute auf den Begriff zu bringen und im Diskurs zu kritisieren, das wollten, konnten oder durften diese alten Männer nicht, denen der Moderator eingangs ein bestimmtes (Fach-)Wissen oder bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten andichtete. Alle aus der Altherrenriege entpuppten sich allerdings als Scharlatane. Und so schwätzte auch Elfenbein im Plauderton über sich, andere, wieder sich und antwortete auch auf alle Fragen mit Grün.

Wenn Kirsch so weiter macht, dann ist nach seinem Abgang Schluß mit Lustig. Bis dahin wird er mit seinem Tourismus-Dialog weiter eine Bühne für die Nabelschau der Bourgoisie bieten, zu der sich mehr Langweiler aus dem siechen Bürgertum, der immer kleiner werdenden Mittelschicht, den gemütlichen Rentnern, die nicht rosten wollen, und den um Knochen konkurrierenden Hungerleidern aus den Medien denn je einfinden wie Geier auf einem Ast. Wird Aas geliefert, ist der Ast voll, ansonsten folgt der harte Kern, der sonst nichts zu tun hat, den Aufrufen von Kirsch zum Kommen. Zu Kirsch und zum Tourismus-Dialog zu gehen, das zeigen auch die Zuschauerzahlen, lohnt sich allemal mehr als zu Hans-Peter Gaul und zum Rostpott Ctour.

Ein Feigenblatt ist zu wenig

Wenn Kirsch aber weiter will als das Erreichte der letzten 15 Jahre auf die letzten Tage zu konservieren, dann sollte er mit seinen Möglichkeiten und Kontakten ein faires Forum für alle bieten, in dem gekonnt und im wahrsten Sinne des Wortes moderiert wird, weil gestritten wird. Der Mann, der auf die 80 zugeht, muß Chutzpe zeigen, Kritiker einladen für echte Diskussion auf dem Podium sowie kritische Gäste für ein lebhaftes statt ein geneigtes Publikum.

Kirsch muß Gegner einer kapitalistischen Gesellschaft der Ware und des Spektakels und Kritiker der Bourgoisie in Berlin und Brandenburg, die von deutschem Boden aus Waffen in alle Welt exportiert wie Folter, Mord und Totschlag, Kriege, Hunger und Touristen, die sich darum einen Scheiß scheren, zum Tourismus-Dialog einladen und nicht nur mit Stefan Pribnow eine kritische Stimme, die sich traut, in der Tourismus-Branche den Mund aufzumachen und aufzuklären. Immerhin ist Kirsch kein Feigling und traut sich, einen Kritiker, der Kritik nicht als Leidenschaft des Kopfes sondern als Kopf der Leidenschaft versteht, einzuladen. Das ist besser als nichts, doch das bleibt zu wenig.

Noch vor dem Ende der Veranstaltung, bei der es nicht um Bares und Banken, sondern um Bänke und Bäume ging, wurden im The Eats Häppchen gereicht. Das große Schwätzen im Generation Greige gemäß gestalteten Umfeld des The Eat wurde mit Schmatzen untermalt. Das war grün! Das große Fressen begann und der Kopf, der vorher Pause hatte, bekam nun richtig Ruhe bei der Rast in der “City West”.

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