Also, das Sauerland ist aus sehr altem Gestein aufgebaut. Wie der gesamte deutsche Mittelgebirgsraum, entstanden seine Berge schon im Erdaltertum, bei der sogenannten Variskischen Faltung. Vor dieser erstreckte sich hier ein tropisches Meer. Da das alles schon sehr sehr lange her ist, so etwa 360 Millionen Jahre ( zum Vergleich: vor 65 Millionen Jahren starben die Dinosaurier aus ) haben Wind und Wasser diese alten Gebirge natürlich schon vielmehr kleingehobelt als die viel jüngeren Alpen oder Karpaten. Bei einem Besuch der Atta-Höhle kann man hinabsteigen in die erdgeschichtliche Vergangenheit. Geschmückt wird diese durch Tropfsteinbildungen und einen unterirdischen See. Wer die Begriffe Stalaktiten und Stalakmiten immer wieder durcheinander bringt, braucht sich nur daran zu erinnern, dass Titi das polynesische Wort für Busen ist und weiss wieder bescheid.
Die waldreichen Berge des Sauerlandes geben zahlreichen Tierarten einen Lebensraum. Völlig neu war mir, dass es hier wild lebende Bestände des an sich ostasiatischen Sika-Hirsches gibt. Der behält sein ganzes Leben lang jene weißen Tupfen, die unsere Rehe nur als Kize haben. Auch Luchse trifft man wieder im Sauerland, habe ich erfahren. Die von ihm selbst aufgeworfene Frage, ob der Luchs ein Stubentiger ist, beantwortet er leider nicht. Er läßt sich wohl nicht so leicht in die gute Stube locken. Aber andererseits sind eigentlich alle Katzen nett, wenn man so zu ihnen ist.
Der uralte geologische Untergrund des Sauerlandes birgt Eisenerzlagerstätten. Diese wurden im Mittelalter zur Grundlage eines bescheidenen Wohlstandes vieler kleiner Städtchen. Da das eisenverarbeitende Gewerbe sich mit Beginn des industriellen Zeitalters aber in das benachbarte Ruhrgebiet verlagerte und hier konzentrierte, blieben im Sauerland die romantischen alten Städtchen erhalten, mussten eben nicht Fabrikschloten und Mietskasernen weichen, dem heutigen Touristen zur Freude. Das Sauerland wurde zum Wasserversorger des Ruhrgebietes, was ihm einige Talsperren und damit größere Seen einbrachte.
Beim Lesen des Büchleins kommen mir zunächst zwei Kritiken: Es ist ja nett, dass er Touren vorschlägt, die auch die Kinder und die Omi und der Opa mitmachen können, aber warum denkt er gar nicht an Sportwanderer wie mich, für die 6 km nur ein Verdauungsspaziergang sind und keine Wanderung, weil so etwas erst bei 20 – 25 km losgeht? Und dann, warum beschreibt er immer nur, wie man mit dem Auto irgendwo hinkommt, es gibt ja auch immer noch Leute, die gern die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, z.B. mit der Bahn fahren? Den ersten Vorwurf entkräftet er aber auf den letzten Seiten, wo er die 240 km lange Sauerland-Waldroute anpreist, für die wohl selbst der geübteste Wanderer 5 Tage bräuchte.
Der zweite Vorwurf entkräftet sich dadurch, dass es im Sauerland fast keine Eisenbahnstrecken mehr gibt. Wer hier Lokomotiven sehen möchte, muss ins Maschinen- und Heimatmuseum Eslohe gehen. Dort finden sich noch richtig schöne alte Dampfrösser. Ansonsten aber zeigt uns das Sauerland wo es hinführt mit den Börsenbahnplänen: Rückzug der Bahn aus der Fläche. Da müssen wir im schönen Brandenbureger Land rund um Berlin ganz schön aufpassen, dass es hier nicht auch so wird.
Und wie soll ich nun über diesen Reiseführer urteilen, verdammt, ich war doch nie im Sauerland? Ich habe Lust bekommen, einmal hinzufahren, insofern ist es wohl ein guter Reiseführer!
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Thilo Scheu: "Erlebnis Sauerland – Ausflugstipps für die ganze Familie", J.P. Bachem Verlag Köln 2009, ISPN: 978-3-7616-2198-1