Ein Platz an der Sonne – Aljoscha Weskott und Marietta Kesting erforschen das „Sunny Land“ der Apartheid im Berlinale Forum

Früher waren sie immer gerne dort, erinnert sich eine Frau und hält Fotos in die Kamera. Manche sind aufgenommen von ihrem damaligen Freund, andere zeigen das Paar zusammen. Sie, eine junge Schwarze mit ihm, einem Weißen. Eine Beziehung, die in den späten Siebzigern in Südafrika nur unter der Drohung ständiger Gewalt möglich war. Der Park war für das Paar wie ein sicherer Hafen, ein Zuckerwatteparadies der blinkenden Lichter, in dem die brutale Außenwelt für eine kurze Zeit nicht zu existieren schien. „Wenn du in Sun City warst, war es so, als wärst du in einem anderen Land. Wo es keine Apartheid gab.“ Aljoscha Wakott und Marietta Kesting bleiben in ihrer Reportage hinter der Kamera verborgen und lassen anstelle eines Hintergrundkommentars einen fiktiven Charakter von seinem Besuch im Park erzählen. Der subjektive Kommentar hebt die Dokumentation auf eine Meta-Ebene zwischen Film-Essay und Reportage. Es gibt nicht das eine Sun City, sondern immer nur „mein“ Sun City, den Park reflektiert durch den Zerrspiegel individuellen Erinnerns.

Noch immer steht Sun City, ein langsam zerbröckelndes Monument der Trennung. Man bekomme viel mit vom Rassismus, erzählt die junge Gewinnerin einer deutschen Miss-Wahl, die zum „Miss World“-Wettbewerb nach Südafrika gereist ist. Aber man sehe fast nichts davon. Die Auswüchse der Apartheid wuchern im Verborgenen weiter. In Sun City amüsieren sich in erster Linie westliche Touristen. Die schwarze einheimische Bevölkerung sieht man im Park fast nur als schlecht bezahlte Arbeiter. Der Schatten der Gewalt liegt über der trügerischen Eintracht des „Sunny Land“. Überall erinnern Warnschilder an die Gefahren der Außenwelt, welche die Mauern des Parks nicht aussperren können. „Security“, „Armed Responses“. Die Schilder dienen zu mehr als der Warnung zur Vorsicht. Sie befriedigen das Bedürfnis nach dem Gefühl höchstmöglicher Sicherheit an einem Ort permanenter Bedrohung. Die Sicherheit ist zur Droge geworden, Geborgenheit eine Sucht, welche auch das Placebo suggerierter Sicherheit befriedigen kann. „Sun City“ ist eine reale Stätte und eine idealisierte Traumstadt. Der alte Spielplatz oder der romantische Park, wo alles wunderschön war: „Die Wellen im Wellenbad waren die besten.“, lassen die Dokumentarfilmer einen fiktiven Protagonisten sagen. Als „Twilight Zone“ bezeichnet der Off-Kommentator Sun City. „You ´re entering a place where time and space are meaningless…“

Die Vermischung mit der essayistischen Fiktion mindert die Eindringlichkeit von Kerstings und Weskotts Dokumentarfilm. Doch die illusorischen Bilder zwischen gegenwärtigem Verfall und glitzernder Vergangenheit des „Sunny Land“ bewahren ihre Resonanz. Wie ein goldener Käfig umschließt der geschützte Raum des „Sunny Land“ seine Besucher. Von den Menschen und der ursprünglichen Kultur des Landes sind sie in Sun City entrückt. Die gefühlte Sicherheit gibt es nur zum Preis der Trennung. Inmitten der Besucher verschiedener Nationalitäten entsteht die Illusion der Verbundenheit im Moment der vollkommenen Abgeschiedenheit. „Getrennt von der Außenwelt in meinem eigenen kleinen Paradies“ fühlt sich einer der fiktiven Protagonisten in Sun City. Fast jedes Land und jeder Ort habe sein „Sunny Land“, schließt die Hintergrundstimme. Und fast jeder Mensch.

Titel: Sunny Land

Berlinale Forum

Land/Jahr: Südafrika/Deutschland 2009

Genre: Dokumentarfilm

Regie und Buch: Aljoscha Weskott, Marietta Kersting

Laufzeit: 87 Minuten

Bewertung: **

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