Aus Liebe zum Spieler – Joachim Dollhopf und Evi Goldbrunner dramatisieren das Leben zweier „WAGs“ bei Berlinale Perspektive Deutsches Kino

Haben Sie auch über die „WAGs“ gelästert? Über die Extrapfunde von x und diese Leoparden-Leggins von y und dann soll ja z was mit dem neuen Spieler, der zusammen ist mit… Dann sind Sie so gemein wie – nun, wie man selbst und alle anderen, die nicht in Tränen ausbrechen, wenn sie von den Beziehungsproblemen irgendwelcher Boulevard-Prominenter hören. Anders das Regie-Duo Evi Goldbrunner und Joachim Dollhopf. Beide ahnen, wie die „WAGs“ in ihren Goldenen Käfigen leiden. Hinter ihren GUCCI-Sonnenbrillen verbergen sie von nächtelangem Weinen verquollene Augen, spülen ihre Einsamkeit mit einem Gläschen Dom Perignon herunter und versuchen sich mit durchfeierten Nächten zu trösten – vergeblich! Für die zurückhaltende Judith ist diese Welt noch so neu, dass sie anfangs nicht einmal weiß, was eine WAG ist. Das muss dem naiven jungen Ding aus der Provinz erst die leidgeprüfte Dina erklären. Als langjährige Ehefrau eines erfolgreichen Fußballers ist die Bulgarin als WAG so geübt wie ihr Mann Ivo auf dem Fußballplatz. „Hübsch und niedlich aussehen“ sei die Hauptaufgabe einer Sportler-Freundin, erklärt Dina Judith. Doch das junge Mädchen, indem die frustrierte Dina sich selbst wiedererkennt, will es anscheinend gar nicht anders: „Du willst, dass ich mein eigenes Leben habe.“, heult sie Dina vor:“Ich will kein eigenes Leben!“

Der angeblich emanzipatorische Geist des Kurzfilms enthüllt sich in solchen Szenen als Staffage. Heimchen am Herd zu sein ist angeblich der heimliche Traum der „WAGs“. Wer will schon Tag für Tag prassen und feiern? Eine Hausfrauenschürze, wie Großmutter sie trug, ist doch viel bequemer als ein Versace-Kleid und besser als Victoria Beckhams neues Parfum riechen volle Babywindeln. Die Tränen, welche Judith in einer Szene über eine vermutete Schwangerschaft vergisst, erscheinen in diesem Kontext als Freudentränen. „Ich hätte die erste sein soll.“, seufzt Dina wehmütig. Armes, reiches Mädchen. Diejenigen, welche die Frauen überhaupt zu „WAGs“ machen, bleiben ins Stadion gesperrt. Fußballer-Männer sind in dem Kurzfilm nur da um den Kontostand zu sichern. Das Jammern ihrer Frauen über die Abwesenheit der Männer wirkt da reichlich unaufrichtig. Irgendwer muss für den Diamantring ja schuften. Spannung und Dramatik zeigen die „WAGs“ die rote Karte. Die Charaktere sind kaum mehr als oberflächliche Stereotypen. Die vereinsamte alternde Spielergattin, das unbescholtene Mädchen, ihr ehrgeiziger Fußballer-Freund. Die Frauenfreundschaft zwischen Dina und Judith inszeniert „WAGs“ als konventionelle Folge vermeintlich typischer Freundinnen-Aktivitäten. Gemeinsam Klamotten kaufen und dabei in verrückten Kleidungsstücken herum albern, gemeinsam schminken und zusammen ein Bier trinken gehen. Wer darauf Lust hat, zieht lieber mit der eigenen Freundin los, als anderen dabei endlos im Kino zuzusehen. Als ein offener Konflikt zwischen den weiblichen Hauptfiguren aufbricht, blendet „WAGs“ ab.

Wer will schon eine derangierte Fußballer-Gattin sehen, die sich keifend auf ihre Rivalin stürzt? Jeder, verdammt! Wenn schon „WAGs“, dann richtig. Skandal! Affären! Drogen! Parties! Hautenge Kleider, haushohe Absätze, messerscharfe Fingernägel… wie viele „Cosmopolitan“-Ausgaben kann man eigentlich für eine Berlinale-Karte kaufen?

Titel: WAGs

Berlinale Perspektive Deutsches Kino

Land/ Jahr: Deutschland 2009

Genre: Drama

Regie und Drehbuch: Evi Goldbrunner, Joachim Dollhopf

Darsteller: Vesela Kazakov, Sonja Gerhardt, Gordon Schmitd, Alen Hebilovic, Nora Hütz

Laufzeit: 39 Minuten

Bewertung: *

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