Verstärkt wird das Fahrerlebnis dadurch, dass der Kursverlauf auf einem 360-Grad-Bildschirm wirklichkeitsgetreu dargestellt wird: Bäume und Gebäude werfen Schatten, Fußgänger bewegen sich, und all das lässt den Menschen in der Fahrzeugkabine schnell vergessen, dass er eine virtuelle Welt bereist.
Um ein derart realistisch wirkendes Umfeld zu erzeugen, braucht man acht Hochleistungsprojektoren. Noch aufwändiger ist die Simulation der fahrdynamischen Prozesse. Sie erfordert außer der eiförmigen Simulatorkapsel, dem so genannten Dom mit einem Durchmesser von 7,5 Meter, viele Computer und Stellmotoren, die deren Berechnungen in Bewegung umsetzen. Dafür sitzt Dom auf einem so genannten Linearschlitten, der zwölf Meter „Spielraum“ in Längsrichtung hat, und einen elektrischen Hexapoden. So bezeichnen die Fachleute den Unterbau mit sechs passend zum Fahrmanöver teleskopier- bzw. verkürzbaren Beinen, der die Illusion, im Auto unterwegs zu sein, perfekt macht.
Die Probefahrten im Simulator verhelfen den Fahrzeugentwicklern zu einer Fülle unterschiedlichster Erkenntnisse. Zum einen können sie ihre Ideen im frühen Entwicklungsstadium erfahrbar machen und durch direkten Vergleich entscheiden, welche es verdienen, in einem Prototypen realisiert zu werden. Zum anderen erlaubt der Simulator der gefahrlosen Erprobung von Fahrzeugen durch normale Verkehrsteilnehmer: Selbst wenn bei Ausloten der Möglichkeiten die Grenzen der Fahrphysik überschritten werden, wird niemand gefährdet. Die beobachtenden Ingenieure können so die Akzeptanz und Bedienbarkeit neuer Sicherheitssysteme prüfen oder – anders formuliert –die komplexen Beziehungen zwischen Mensch, Maschine und Straße erforschen. Über 1000-mal pro Sekunde, erläutert Mercedes-Benz, berechne der Computer – basierend auf den Aktionen des Testfahrers – das Fahrverhalten des Autos. Das Ergebnis fließt in die Elektrik des Bewegungssystems ein, das die Fahrereingaben ohne Zeitverzögerung in Fahrzeugreaktionen umsetzt.
160 Millionen Euro lässt sich Mercedes-Benz den Ausbau des Simulationszentrums im Werk Sindelfingen insgesamt kosten. Nicht alle Prüfeinrichtungen sind so aufwändig wie der große Fahrsimulator im beweglichen Dom. Der erste Vertreter dieser Technik stand übrigens im Berliner Mercedes-Benz-Werk; er wurde vor 25 Jahren in Betrieb genommen.
Neben dem großen Fahrsimulator gibt es noch vier andere, nicht ganz so aufwändige. Mit ihrer Hilfe wird im Vor-Prototypen-Stadium unter anderem das Fahrverhalten neuer Modelle bewertet. Der Vorteil: Das erste „echte“ Fahrzeug, das auf der Straße erprobt wird, startet mit einem hohen Reifegrad. Dass die Simulationstechnik viele Millionen Kilometer realer Testfahrten überflüssig macht, ist jedoch nicht zu erwarten: „Sie sind unverzichtbar“, betont Mercedes-Benz, aber „beides zusammen garantiert bestmögliche Ergebnisse“.