Die „Corinth-er“ – eine Künstler-Liebesgeschichte in den Goldenen Zwanzigern

Lovis Corinth auf einer Briefmarke der Deutschen Bundespost Berlin, 1975.

Saarbrücken, Deutschland (Weltexpress). Die „Corinth-er“ – so nannte sich das Liebespaar Lovis Corinth und seine 20 Jahre jüngere Ehefrau Charlotte Berend-Corinth gerne selbst. Ihre Beziehung war geprägt von Leidenschaft und gegenseitiger Unterstützung – ein Dream Team.

Lovis Corinth verliebte sich sogleich in seine 20 Jahre jüngere Schülerin – ihre Art der Beziehung ist verheißungsvoll – und für die damaligen Zeiten der Berliner Sezession skandalös dargestellt in einem außergewöhnlich großen Landschafts-Gemälde, wo Charlotte ihn (in Gestalt eines Stieres) am rosafarbenen Seidenband durch seinen Nasenring führt und domestiziert.

Die Ausstellung ist in 2 Kompartimente gegliedert, die sich beiden in angemessener Weise widmet.

Charlotte Berend-Corinth (1880 – 1967), Jüdin, Tochter aus wohlhabendem Hause, hatte ein gesundes Selbstbewußtsein und rebellierte gegen Konventionen der Zeit – so wie Corinth auch. Prototypisch ist ihr großes Gemälde „Die schwere Stunde“, wo sie sich selbst als Gebärende mit schmerzverzerrtem Gesicht und konvulsierendem Körper darstellt – umgeben helfenden Händen. Ein absoluter Skandal damals!

Das Gemälde fiel leider einem Bombenangriff im 2.Weltkrieg zum Opfer – lediglich eine Vorabstudie auf Karton ist im Original ausgestellt und das Werk selbst nachgestellt.

Bezeichnend für Berend-Corinth ist eine gewisses Rot, welches sie in ihren Werken zum Hervorheben des Mundes, Brustwarzen oder Pinsel verwendet, auch für ein Emblem mit dem sie ihre Werke markierte.

Der Ausstellungsraum, der ihr gewidmet ist, hat deshalb rote Wände in genau diesem Rot.

Wundervolle Schöpfungen wurden von der Kuratorin zusammengetragen aus Privatbesitz oder auch aus dem jüdischen Museum. Ein sehr sensibles Gemälde, „Der Boxer“ kann auch nur in der Nachstellung gezeigt werden – es wurde von den Nazis in die „Schreckenskammer“ der entarteten Werke verbannt und später verbrannt.

Charlotte war emanzipiert und verkehrte mit ihrem Mann in Künstlerkreisen der „Roaring Twenties“. Bei ihren Theaterbesuchen zeichnete sie „skandalöse“ Bilder der SchauspielerInnen, so auch von Ihrer Liebschaft, die Nackttänzerin Anita Berber, die sie äußerst erotisch in Zeichnungen darstellt.

Ihr Werk umfasst noch sehr viel mehr – leider ist sie in Vergessenheit geraten und unter Wert auf dem Kunstmarkt gehandelt, sicher bedingt durch ihre Emigration in die USA 1939, nach St. Barbara, wo sie sich, obwohl vermögend, dem dortigen Geschmack anpasste und nicht so aussagekräftige Stilleben fertigte.

Bilder ihrer zwei Kinder sind ebenfalls in der Ausstellung, sowie Selbstportraits – alles in allem eine bemerkenswerte Frau und Künstlerin. Es ist gut, hier in Saarbrücken diese Vorreiterin des Feminismus gewürdigt zu sehen!

Unabhängig von ihrer Position als Ehefrau und Modell brillierte Charlotte selbst als Künstlerin und gehörte neben Käthe Kollwitz zu den wenigen weiblichen Mitgliedern der Berliner Secession. Dabei verfolgte sie mit hochmodernen, radikalen Themen im Berlin der 1910er und 20er Jahre eine bemerkenswerte Karriere, bevor ihre jüdische Abstammung sie dazu zwang, Deutschland zu verlassen und in die USA zu emigrieren.

In einem anderen Ausstellungsraum wird sich dem Schaffen und Wirken ihres impulsiven Ehegatten Lovis Corinth (1858 – 1925) in mehreren Räumen gewidmet, die nach Themen gegliedert sind: Charlotte (die Inspiration), Selbstportraits (jedes Jahr eines!), Familie, Stilleben, Schlachthäuser, wo er Metzger beim Schlachten malte, Landschaften.

Ein umfassendes, grandioses Konvolut seiner insgesamt 1000 Werke wird ausgestellt mit großartiger, facettenreicher Vielfalt. Berühmt (berüchtigt?) ist er wegen seiner das Fleisch (Mensch, Tier) in jeder Form darstellenden Bilder mit, die abstoßend wirken und Ekel erzeugen – je nach gusto!

Seine Malweise war so wie er dionysisch, er knallte die farbbeladenen Pinsel auf die Leinwand und auch hier wirkt er wie ein Vorreiter des „Action paintings“.

Er hatte jedoch auch andere künstlerische Seiten, wenn er Charlotte und ihre gemeinsamen Kinder Wilhelmine und Thomas darstellt, zeigt sich seine Sensibilität hinter der Virilität.

Er war in der Tat „ein Stier“ – wie in dem o.a. Gemälde dargestellt, voller Schaffenskraft und wurde der Vorsitzende der Berliner Secession und deren powerfuller Leader.

Der Titel der ihm gewidmeten Ausstellung „Das Leben – ein Fest“ gibt den Grundtenor der das Leben in vollen Zügen lebenden Liebenden treffend wieder.

In Kooperation mit dem Belvedere, Wien hat das Saarlandmuseum eine Werkschau konzipiert, die die künstlerischen und persönlichen Ambivalenzen im Wirken Corinths herausarbeitet und die Aktualität seines Schaffens erfahrbar macht.

Eine wundervolle, reiche Ausstellung, die unter 3-G-Bedingungen besucht werden kann – Maske freiwillig.

Die Ausstellung „Lovis Corinth – Das Leben, ein Fest!“ ist vom 5.11.2021 bis voraussichtlich 20.2.2022 im Saarlandmuseum – Moderne Galerie, Bismarckstraße 11-15, 66111 Saarbrücken, zu sehen.

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