Ein Tusch mit Tusche – Serie: Die Rahmenprogramme zur Frankfurter Buchmesse 2009 mit dem Ehrengast China (Teil 1/2)

China präsentiert sich 2009 als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Unter dem Motto "Tradition und Innovation“ wird ein vielfältiges Programm rund um die chinesische Kultur und Literatur präsentiert.

Durch diese Veranstaltungen muß ein Pfad geschlagen werden, was hier versucht wurde. Der Kulturdezernent war zufrieden mit den rund 30 Ausstellungen und Veranstaltungen, die allein seitens der Stadt Frankfurt die Buchmesse mit dem Tenor China begleiten: „Den Einrichtungen ist es auf eine hervorragende Weise gelungen, Tradition und Moderne des Ehrengastes China in den unterschiedlichsten Veranstaltungsformaten zu betrachten. Frankfurt zeigt sich als die Literaturstadt Deutschlands.“ Angefangen hat der Ausstellungsreigen allerdings mit „M 8 in China- Zeitgenössische chinesische Architekten“ im Architekturmuseum, das direkter Nachbar des Filmmuseums ist, weshalb das Führungsangebot des Museumsleiters Peter Cachola Schmal anschließend breit wahrgenommen wurde.

Ausstellungen, die schon laufen, gibt es zu Fotografien zeitgenössischer Künstler aus Tibet “Der Blick in das eigene Gesicht“ im Museum der Weltkulturen, einen „chinesischen“ Struwwelpeter im Historischen Museum, der auch im Ton hören läßt, wie der Suppen-Kaspar oder die Geschichte vom bösen Friederich auf Chinesisch klingen. Interessant übrigens, daß in China der Struwwelpeter erlaubt, aber sowohl im alten Rußland durch den Zaren wie auch in der Sowjetunion dieser liederliche Geselle verboten war! Auch im KunstRaum Bernusstraße führt „Reisen nach Deutschland“ des Li Jin in künstlerische Verfahren wie Tuschmalerei auf Papier oder Seide ein und vermittelt die Art, wie der rasante Wandel Chinas sich inhaltlich in den Zeichnungen niederschlägt.

Die Schirn Kunsthalle wird mit „Kunst für Millionen- 100 Skulpturen der Mao-Zeit“ zeigen, deren lebensgroße Figuren schon heute im kollektiven Gedächtnis Chinas verankert sind und uns sicher an geschichtliche Vorgaben wie die Terrakottaarmee formal erinnern. Umso interessanter die Unterschiede. Auch das Klima spielt eine Rolle im Ausstellungsreigen: „Klima der Gerechtigkeit – Ausstellung zum globalen Klima-Wandel“ in der Alten Nicolaikirche. In der Frauenfriedenskirche wird „Den Frauen der Welt eine Stimme“ gegeben. Freuen kann man sich auf „Sit in China- Ein Streifzug durch 500 Jahre Kultur des Sitzens“ im Museum für angewandte Kunst, wo tatsächlich das Sitzen historisch angestaunt werden kann, allerdings besser im Stehen. Für die Neuzeit wird das Fälschen, Kopieren, Anverwandeln von Möbeln, was mit Produktpiraterie fast zu nett ausgedrückt ist, sicher eine Rolle spielen.

„Landschaften“ gestaltet Po Chung mit wenigen schwarzen Pinselstrichen im Haus am Dom und – ungewöhnlicher Ort! „Kungfu, Drachen, Abenteuer „ erwarten die Comicliebhaber in der IHK, das ist die Industrie – und Handelskammer, obwohl es dort auch im normalen Leben schon abenteuerlich und undurchsichtig zuging. Hier sind es das China-Institut Frankfurt und das hiesige Konfuzius-Institut, die den Erlanger Sinologen Michael Lackner mit seiner Sammlung präsentieren, die das Bild Chinas und der Chinesen im Spiegel des europäischen Comics vorführen. Im Haus am Dom dagegen werden die mehr als beengten Verhältnisse Hongkongs ins Bild gebracht, wo „Daheim auf 2 qm- Vom Leben im Käfig“ bittere Realität sind. Chu Yun schließlich, ein zeitgenössischer Künstler, stellt im Portikus, dem berückenden Haus auf der Maininsel aus.

Auftakt des Musikprogramms ist in der Alten Oper „into Pearl River Delta“, was das Ensemble Modern als Uraufführung am 10. Oktober bringt. „Moderne und Tradition. China im Fokus“ wird im Dr. Hochs Konservatorium am Tag darauf geboten und am 12. folgt in der Hochschule für Musik und darstellende Kunst der zweite Teil. „Volkslieder aus China“ werden in der Alten Nikolaikirche am 14. Oktober nicht gesungen, sondern von der Carilloneurin Yuko Tajima als Glockenspiel geboten, wobei die 47 Glocken mit der Hand gespielt werden.

Ein weiterer längerer Höhepunkt sind die chinesischen Filmwochen bis Ende Oktober. Jackie Chan darf bei dem China Film Festival nicht fehlen, aber auch die Traditionen spielen eine Rolle und „Labourer’s Love“ aus dem Jahr 1922 ist sicher eine Rarität. Aus allen Jahrzehnten gibt es im deutschen Filmmuseum 19 Filme, die die Veränderungen Chinas widerspiegeln. Weitere Filme bringen das Kino Orfeos Erben am 15. Oktober mit „Still life“, am 16. Oktober mit „Tuyas Hochzeit“ und tags darauf mit „Beijing Bicycle“. Am 18. Oktober zudem im Filmforum Höchst verbunden mit einer Lesung und Diskussion das Roadmovie „Angry Monk“.

Hauptpunkt jedoch bleiben die Lesungen, die so umfangreich sind, daß wir Sie auf die Webseiten verweisen. Nur einen Auftritt wollen wir herausgreifen, weil der Weltexpress dazu schon zwei Rezensionen unter Kultur.Bücher gebracht hatte. „Der Fengshui-Detektiv im Auftrag Ihrer Majestät“ von Nury Vittachi wird von ihm am 14. Oktober von 14 bis 14.45 Uhr vorgestellt im Frankfurter Hauptbahnhof, im Restaurant ’Cosmopolitain“, was sicher ein Heidenspaß wird, denn schon beim Alleinelesen lacht man dauernd vor sich hin – und lernt zudem eine Menge, nicht nur über Fengshui, sondern über Ost und West.

Abgerundet werden die Begleitveranstaltungen durch Konferenzen und Vorträge, wo „Das Jahr des Ochsen“, in dem sich China in diesem Jahr befindet, vom rührigen Pfarrer Jeffrey Myers genutzt wird, um über den Ochsen als Symboltier auch des christlichen Glaubens aus Wort und Bild zu berichten, wobei sich auch in der Alten Nicolaikirche, dem Veranstaltungsort, in der Krippe, im Glasfenster und auf einem Grabstein ein Ochse findet.

Das ist ein schöner Abschluß für das, um was es beim Aufeinandertreffen so unterschiedlicher Kulturen wie der chinesischen und der mitteleuropäischen eigentlich geht. Um das Wahrnehmen des anderen gerade in seiner Andersartigkeit, aber auch Gemeinsamkeiten, vor allem aber auch Respekt gegenüber einer über 3000 Jahre alten Kultur, die anders als in Mitteleuropa schon eine Hochkultur war, als hierzulande noch sehr einfache Strukturen und sehr einfache menschliche Gemeinschaften lebten.

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