Der italienische Fango, Plural fanghi, ist ein organischer, zu dem man auch gereifter Fango sagt. Ihm sind drei Komponenten eigen: die Grundsubstanz des Lehm-bzw. Tonbodens im euganeischen Becken, dem Thermalwasser und Algen sowie Mikroorganismen zugesetzt werden. Dies ist nötig, um den biologischen Reifungsprozeß in Gang zu setzen, der mindestens 60 Tage dauert. In Abano Therme, in Montegrotto und der Gegend drumherum muß man sich die Zubereitung so vorstellen, daß in den mit Algen und Mikroorganismen angereicherten Schlammbecken, dessen Substanz ursprünglich aus hellblauem natürlichen Lehm bestehen, pausenlos das heiße Thermalwasser darüberflutet, was das Reifen begünstigt.
Nun gibt es unterschiedliche Methoden, diesen reifen Fango für therapeutische Zwecke zu gewinnen. Noch heute gibt es die Handarbeiter, die fanghini, die die Eimer mit dem Schlamm füllen, die dann in die entsprechenden Einrichtungen gebracht werden und zur Therapie eingesetzt werden. Große Hotelanlagen aber haben ein eigenes Versorgungssystem, wo im Behandlungszimmer aus einem Rohr an der Wand der Schlamm entnommen wird. Das ist zeit- und arbeitsparend und geht einher mit reichlicher Anwendung des Fango, denn er ist ja grundsätzlich in Mengen vorhanden. Die Mengen werden auch nicht weniger. Auf Dauer zumindestens.
Und das passiert so. Auf demselben Weg wie gekommen, wird nun der gebrauchte Schlamm Richtung Beckenanlagen zurückbefördert, notfalls auch mit den Eimern und kleinen Autos. Dort wird mit dem benutzten Schlamm dieselbe Prozedur wiederholt, wie sie mit dem hellblauen Originalfango begonnen hatte. Wieder dauert es mindestens 60 Tage, bis dieser Schlamm so gereift ist, daß er als neuer Fango seinen Kreislauf beginnen kann. Wann er so schwarz geworden war, wissen wir auch nicht genau. Aber der italienische Fango ist sehr sehr dunkel und insgesamt bleibt bei der Rückführung des gebrauchten Schlamms auch einiger auf der Strecke.
In kleineren Häusern wird nach der Fangobehandlung, die Teile des Körpers oder den ganzen Leib einhüllt, dieser Schlamm vom Körper abgestreift, aber es bleibt so viel hängen, was nur durch Duschen abzuwaschen ist, so daß ein Teil des Schlamms über die Kläranlage dem Boden wieder zukommt. In größeren Häusern, wo das Röhrensystem vorhanden ist, da gibt es die in den Boden eingelassenen Badewannen, in denen anschließend an die Fangopackungen der Körper auch von den Resten noch befreit wird. Sie glauben gar nicht, an welchen Körperstellen, sich Fango festsetzt und man trotz intensivem Baden oder Duschen anschließend braune Streifen im Handtuch hat.
Vergleicht man diese Fangoproduktion in Abano mit bundesdeutschen Verhältnissen, ist sie fast aus einem anderen Jahrhundert, denn in Deutschland gibt es schon lange nur industriell hergestellten Fango. Vielleicht liegt darin aber auch der stärkere Heileffekt des Schlammes aus dem euganeischen Beckens. Obwohl die eigentliche Besonderheit des hiesigen Schlamms nicht in der spezifischen Produktion und Rückführung liegt, sondern einzig durch das besonders heiße Thermalwasser bedingt ist, das nun wiederum nicht nur heiß ist, sondern aus den Voralpen kommend vulkanische Gesteinselemente mitbringt sowie dieses spezielle Jod-Brom-Gemisch. An anderen naheliegenden Kurorten, stellt man den organischen Schlamm aus eingeführtem Gesteinsmehl her, dem man Wasser zusetzt. Erst wer wirklich die Fülle und Qualität des Fangos von Abano Therme, Montegrotto und den kleineren Weilern an sich erfahren hat, lernt nach und nach, die Unterschiede auch selbst zu erkennen.
Erst recht, wenn es um den anorganischen Fango geht, der im Resteuropa –bis auf die Gegend in Murcia/Spanien herum – eine Rolle spielt. Nehmen wir den Kaiserstuhl oder den Laacher See, die Eifel und in Österreich das Steirische Vulkangebiet. Dort wird der Vulkanstein abgebaut und ganz fein gemahlen. Er wird in dieser Konsistenz in Heilbäder gebracht und dort verwendet, indem man ihn mit normalem Wasser oder Mineral- oder Thermenwasser mischt. Dabei wird das entsprechende Wasser auf maximal 50 Grad erhitzt und der gewonnene Brei höchstens einige Zentimeter auf spezielle Hautflächen aufgetragen. Der große Unterschied besteht auch darin, daß dies Einmalpackungen sind, die man nicht wieder aufbereiten kann.
Wer beispielsweise in Großstädten Fangopackungen verschrieben erhält und die in Krankengymnastik- oder Massagepraxen auf die kranken Körperteile oder auch nur zur Erwärmung des Teils, der anschließend massiert wird, nutzt, der weiß, daß das relativ kleine und auch in Vlies verpackte dünne Schichten sind, überhaupt nicht mit dem zu vergleichen, was man als Körpergefühl erfährt, wenn man insgesamt in den Schlamm direkt eingepackt wird und ihn unmittelbar auf der Haut spürt. Dieser gebrauchte Fango ist übrigens- wenn man ihn aus seiner Hülle befreit – ein idealer Dünger für spezielle Pflanzen wie Rhododendren. Man kann ihn auch hervorragend einfach dem Kompost beifügen, so man einen hegt und pflegt.
Bleibt noch zu begründen, warum überhaupt Fango? Denn da geht es nicht nur bei den Totalbehandlungen um ein Körpergefühl aus Kindertagen, wo man sich gerne in den Sand einbuddelte und auch zur Erde ein anderes Verhältnis hatte, da geht es in der Tat um wissenschaftlich nachweisliche Heilergebnisse. Bei einem angeschlagenen Knie beispielsweise bringt eine mehrmalige Packung aufs Knie einen schnelleren Heileffekt als ohne. Allerdings wird diese Wirkung auch dadurch gesteigert, daß in der Regel die mit Fango bedeckten Körperteile fast luftdicht abgeschlossen werden, also in Plastik oder Leinen eingewickelt werden, damit die Hitze sich hält. Die Dauer ist unterschiedlich, soll mindestens 20 Minuten betragen, aber keinesfalls eine Stunde dauern. Was passiert, ist, daß die Wärme und die Substanz des Fangos durch die Haut hindurch in die tiefer liegenden Gewebeschichten eindringt, so daß neben der besseren Durchblutung der Haut auch die Muskulatur entspannt, was den therapeutischen Effekt auslöst, der zusätzlich in einer allgemeinen Aktivierung des Stoffwechsels und des gesamten Körpers besteht . Und den – wie gesagt – kann man nirgends so intensiv erleben wie in den Kurorten der euganeischen Hügelkette, von denen wir immer die größeren Abano Therme und Montegrotto nennen, auch wenn wir das gesamt Gebiet meinen.
Info:
Abgesehen davon, daß es im Euganeischen Hügelgebiet, der heute insgesamt Nationalpark ist, genug zu sehen und in den Kastanien- und Eichenwäldern zu erwandern gibt, sind die Kurorte ideales Ausgangsgebiet für die Schönheiten Venetiens. Padua, Mantua, Vicenza, Verona, Bassano del Grappa, Venedig. Vergessen Sie vor allem Arquí Petrarca nicht, wo der berühmte Dichter lebte und sein Haus und die mittelalterliche Welt noch spürbar sind
Reiseliteratur:
DuMont Kunstreiseführer "Venetien", Klaus Zimmermanns
Mairdumont: Marco Polo "Venedig", Walter M. Weiss
Marco Polo "Venetien/Friaul", Bettina Dürr
Karl Baedeker Verlag: Baedeker Allianz Reiseführer "Venedig", Anja Schliebitz
DuMont Reiseverlag: DuMont Kunstreiseführer "Venedig", Thorsten Droste
DuMont direkt "Venedig", Christoph Hennig
Falk Verlag: Falk Spirallo Reiseführer "Venedig", Sally Roy
Weitere Literatur:
Johann Wolfgang Goethe, Italienische Reise, hier die Kapitel „Von Verona nach Venedig“ und „Venedig“