
Berlin, BRD (Weltexpress). Am 21. August 1967 besuchten wir abends mit Auslandsjournalisten das Städtische Krankenhaus, von dem das Hauptgebäude mit Behandlungsräumen während eines Angriffs frontal von einer Rakete getroffen worden war. Ein Arzt und eine Krankenschwester waren getötet, ein Arzthelfer und eine Schwester schwer verletzt worden. Die Presseabteilung teilte mit, dass in der Demokratische Republik Vietnam (DRV) seit Beginn der Bombardements 56 Krankenhäuser, über 40 Sanitätszentren mit Entbindungsstationen und 25 weitere medizinische Objekte von Bomben oder Raketen getroffen wurden. In fünf Provinzen waren alle zentralen und Kreiskrankenhäuser zerstört worden. Ein barbarisches Verbrechen waren die Luftangriffe im Juni 1965 auf die Lepra-Station von Quynh Lap, in der 2.600 Kranke behandelt wurden. Das Institut, in dem eine für Südostasien beispiellose Forschungsarbeit zur Behandlung der Lepra als auch über die Rehabilitation verstümmelter Kranker stattfand, wurde dem Erdboden gleich gemacht. Schwer beschädigt wurde auch das mit Hilfe der DDR aufgebaute und ausgerüstete Tuberkulose-Forschungsinstitut in Thanh Hoa. Alle Objekte waren deutlich sichtbar mit dem Rotem Kreuz gekennzeichnet. Sie standen unter dem Schutz der IV. Genfer Konvention von 1949, in deren Artikel 18 der Zivilbevölkerung garantiert wurde: „Zivilkrankenhäuser, die zur Pflege von Verwundeten, Kranken, Gebrechlichen und Wöchnerinnen eingerichtet sind, dürfen unter keinen Umständen das Ziel von Angriffen sein; sie werden von den am Konflikt beteiligten Parteien jederzeit geschont und geschützt.“
Mitte Oktober erlebten wir der Hafenstadt Haiphong fünf Tage schwere Angriffe von Maschinen der im Golf von Tongking kreuzenden Flugzeugträger. Am 14. Oktober wurden bei einem Angriff auf das Wohnviertel von Dong Hai 56 Wohnhäuser zerstört. Ganze Häuserreihen waren Ruinenfelder. Am gleichen Tag wurde im Bezirk Hong Bang das Krankenhaus Ky Dong schwer beschädigt, darunter die Pharmakologische Forschungsabteilung und die Kinderstation. Insgesamt, so erfuhren wir, waren seit August dieses Jahres auf die Hafenstadt Tausende Spreng- und Kugelbomben nieder gegangen, unzählige Raketen eingeschlagen, drei Krankenhäuser, sieben Kulturstätten, vier Schulen, zahlreiche Betriebe und 800 Wohnhäuser zerstört worden. Hunderte Zivilisten waren ums Leben gekommen, noch mehr verletzt worden, Tausende hatten ihre Wohnungen verloren.
Am 19. November 1967 befanden wir uns in dem 1.500 Betten zählenden größten Krankenhaus Hanois, dem im Süden gelegenen Bach Mai, als mehrere Bomben, darunter die berüchtigten Kugelbomben auf dem Gelände nieder gingen. Unter den Patienten gab es einen Toten und 20 Verletzte. Ein Arzt und zwei Schwestern wurden ebenfalls verletzt. Im Bach Mai hatten wir wieder einmal gesehen, dass die Zivilbevölkerung trotz aller Anstrengungen oft schutzlos den Bomben ausgeliefert war. Besonders schlimm war das in einem Krankenhaus, wo man gar nicht so viele Schutzbunker anlegen konnte, um wie im Bach Mai 1.500 Patienten unter zu bringen. Dabei befanden sich bereits die Schwerkranken bzw. Schwerverletzten die meiste Zeit in Luftschutzräumen. In der Stadt waren bei den öffentlichen Einrichtungen, nicht evakuierten Betrieben, in Wohnvierteln und sogar Parks Bunker errichtet worden, die meist 50, manchmal auch mehr Personen aufnehmen konnten. Entlang der Fußwege an den Straßen befanden sich unzählige Ein-Personen-Deckungslöcher, in den Boden eingelassene etwa 1,80 Meter tiefe Betonröhren, die man mit einem Deckel abschließen konnte.
Ein weiteres Problem war die sehr kurze Vorwarnzeit. Für die Städte und Orte an der Küste war es faktisch überhaupt nicht zu lösen, denn die von den Flugzeugträgern im Golf von Tongking startenden Jagdbomber erreichten ihre Ziele in minutenschnelle. Auch für das nicht viel mehr als 100 km von der Küste entfernte Hanoi brauchten die Luftpiraten kaum mehr Zeit. So geschah es oft, dass wir als erstes das Abwehrfeuer der Flak hörten, dann die Detonationen der Bomben und danach die Ansage über die öffentlichen Lautsprecher, von denen einer im Flur unseres Hauses hing: „Amerikanische Flugzeuge im Anflug auf Hanoi“ mit der folgenden Entfernungsangabe. Zu der Angriffsflotte im Golf von Tongking gehörte zum Beispiel die „Constellation“, einer der mordernster US-Flugzeugträger dieser Zeit, der erst 1960 in Dienst gestellt worden war. Das 330 Meter lange und bis zu 77 Meter breite Kriegsschiff erreichte mit seinen 79.000 Tonnen eine Geschwindigkeit von 35 Knoten (etwa 65 km/h). Es konnte 85 Kampfflugzeuge verschiedener Typen transportieren und verfügte über vier Terrier-II-Fla-Raketenstartrampen. Zur Ausrüstung gehörten vier Katapulte, die eine rasche Startfolge ermöglichten. Die Besatzung zählte 3.800 Mann.
Laut den SIPRI-Jahrbüchern 1976, 1980 und 1982 gehörten zu den In Nordvietnam durch USA-Luftangriffe angerichteten Schäden, die 500.000 Kriegstote, ebenso viele Kriegsweisen, die Hälfte völlig zerstörte Städte, 2.923 zerstörte Schulen, 448 Kirchen, 495 Pagoden und Tempel, die teilweise Zerstörung aller Industrieanlagen, aller Eisenbahnlinien und Häfen, der meisten Brücken und Bahnhöfe, der völligen Zerstörung 1000 wichtiger Deichabschnitte nannten, auch
250 völlig zerstörte Krankenhäuser, 1.500 Pflege- und Entbindungsstationen.