Coole Krokos – Max von der Grüns Kinderbuchklassiker “Vorstadtkrokodile” kommt zum zweiten Mal auf die Leinwand

Nick Romeo Reimann, Manuel Steitz, Leonie Tepe, Robin Walter, Nicolas Schinseck, Javidan Imani und David Hürten in "Vorstadtkrokodile"

Wer sagt, das Cliffhanger erst am Ende kommen? Hannes (Romeo Reimann) hängt an der Dachrinne. Hochgeklettert ist er, um vom morschen Hausdach einen Krokodilanhänger zu holen. Manischer Lacoste-Fan ist er nicht, auch wenn das Emblem dem Markenlogo verdächtig ähnlich sieht. Die Mutprobe muss Hannes bestehen, um Mitglied bei den “Vorstadtkrokodilen” zu werden, der angesagtesten Kinderbande weit und breit. Hier windet man sich mancher unwillkürlich. Schon wieder eine Jugendbande, schon wieder die angesagteste? Waren das nicht schon die Wilden Kerle, die Wilden Hühner und die Drei Fragezeichen?

Vermutlich halten sich viele Kinder für verhaltensgestört, weil sie nicht Mitglied irgendeiner Bande sind. Warum Hannes unbedingt aufgenommen werden will, lässt der Film im Dunkeln. Sucht er Halt, den er in der Beziehung zu seiner sehr jungen Mutter (Nora Tschirner) nicht findet, fehlen dem vaterlos aufwachsenden Jungen männliche Identifikationsfiguren oder ist er selbst Außenseiter wie Kai? Letzten befördert Regisseur und Autor Christian Ditter zum zentralen Charakter des Kinderfilms. Der nach einem Unfall querschnittsgelähmte Junge wird von seiner überfürsorglichen Mutter eingeengt und will seinen Bekanntenkreis nicht nur auf behinderte Kinder beschränken. Von dem “Spasti” wollen die anderen Krokodile erst nichts wissen. So engstirnig sind “Die Vorstadtkrokodile” im Grunde aber nicht. Immerhin sind schon ein Mädchen, die in Hannes verknallte Maria (Leonie Tepe), der stotternde Angsthase Peter (Robin Walter) und der griechischstämmige Jorgo (Javidan Imani) mit von der Partie. Hannes überzeugt sie, Kai eine Chance zu geben. Immerhin hat der die rätselhaften Einbrecher beobachtet, die auch den Laden von Hannes Mutter geplündert haben. Gemeinsam machen sich die Vorstadtkrokodile auf die Jagd nach den Verbrechern.

Max von der Grüns Kinderbuch über Toleranz und Freundschaft zählt zu den populärsten Genrewerken der Siebziger. Schon einmal wurde der Jugendroman verfilmt. Mit dem Leinwandvorgänger hat Christian Ditters Neuadaption mehr gemein als der Vorlage. Darf Maria im Kinderbuch noch Hannes retten, ist es im Film der querschnittsgelähmte Kai. Die Veränderung scheint weniger von politischer Korrektheit motiviert, denn eines modernen Konservativismus. Im Gegensatz zu ihrer literarischen Vorlage ist Maria in der Neuverfilmung auf dem Weg zurück zur klischeehaften “Mädchenhaftigkeit”. Eine von den Jungs genannt zu werden findet sie peinlich, dass Hannes sie “Baby” nennt dagegen anziehend und am Ende trippelt sie im Kleidchen an. Oder liegt es vielleicht daran, dass Kai von Fabian Halbig gespielt wird? Der ist Mitglied seiner eigenen Kinderbande, der Jugendmusikgruppe “Killerpilze”. Als Querschnittsgelähmter strampelt der untalentierte Jungdarsteller peinlich oft mit den Beinen. Bleibt zu hoffen, dass der Ausflug auf die Leinwand der einzige des unbegabten Musikers bleibt. Oktay Özdemir und Nora Tschirner entschädigen in Nebenrollen für die Darstellung Halbigs. Erfrischend ist der unkorrekte Humor. Körperbehinderte, Ausländer – die dreisten Sprüche der Kinder untereinander spiegeln die unterschwelligen Vorurteile der Erwachsenenwelt. Statt angepasst und brav, sind die Vorstadtkrokodile echte Kinder. Sie zielen im Streit auf die empfindlichen Stellen ihres Gegenübers wie Herkunft, Aussehen oder Physis. Ihre Beleidigungen untereinander basieren jedoch nicht auf den festgefahrenen Einstellungen des intoleranten Minigolfanlagen-Besitzers oder des Polizisten, der kurzerhand die ortsansässigen Albaner für den Einbruch verantwortlich macht.

Die unverfrorenen Parolen – “Unterschätze nie einen Griechen und sein Handy” oder “Rettet die Albaner!” – amüsieren auch ein erwachsenes Publikum. Makellos sind “Die Vorstadtkrokodile” nicht. Doch perfekt muss man nicht sein, lehrt schon die Romanvorlage. Statt Fossil-Ketten also lieber eine Kroko-Kinokarte kaufen.

Titel: Die Vorstadtkrokodile

Genre: Jugend Abenteuer

Land/Jahr: Deutschland 2009

Kinostart: 26. März 2009

Regie und Drehbuch: Christian Ditter

Darsteller: Romeo Reimann, Fabian Halbig, Leonie Tepe, Manuel Steitz, Axel Stein

Verleih: Constantin

Laufzeit:  102 Minuten

FSK: ab 6

Internet: www.vorstadtkrokodile.film.de

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