Chinas Supertalent zu stark für den besten Deutschen – Dennoch gute Chancen im Tischtennis bei Olympia 2016

Die Ping Pong-Profis aus China haben bei dem Turnier der World Tour mit Aktiven aus 48 Ländern drei der vier wichtigsten Wettbewerbe für sich entschieden. Wobei sie nicht in jedem Falle mit den Stärksten antraten. So holte mit Wen Jia die Nummer 37 der Weltrangliste den Sieg im Einzel und mit ihrer Kollegin Zhao Yan Rang eins im Doppel. Was den Leistungsabstand der Schmetterlinge aus der führenden Tischtennis-Nation gerade bei den Frauen zum Rest der Welt erahnen lässt.

Bei den Männern waren die Schmetter-Drachen ohne ihre drei momentan konstantesten Akteure und Ranglistenführenden angereist. Dennoch erwies sich der 16-jährige Wunderknabe Fan Zhendong als eindrucksvoller Turnier-Gewinner. Er bügelte den frischgebackenen Europameister Dimitrij Ovtcharov, die Nummer fünf der Welt und neuer Branchenprimus der Gastgeber, im Endspiel mit 4:1 Sätzen ab.

Im Doppel nutzte das Duo Timo Boll/Patrick Franziska für den Deutschen Tischtennis-Bund (DTB) die Konstellation, dass die Akteure Chinas hier nicht ganz so übermächtig agieren. Oder nicht soviel Wert darauf legen. Boll/Franziska kämpften im Finale die Taipeh-Chinesen Chuang Hung-Chie/Huang Sheng-Sheng 3:2 nieder.

Trotz dreier Titel bei der Jugend-WM Ende 2012 und des vorherigen Tour-Erfolgs in Polen hatten die Experten nicht Fan (vor Beginn Nummer elf der Welt), sondern eher dessen Landsmann Zhang Jike als ersten Favoriten auf der Rechnung. Denn jener rangiert zwar nur auf Platz vier Welt, hat aber mit zwei Weltmeister-Titeln im Einzel sowie als Olympiasieger 2012 etwas erreicht, wovon der 16-jährige Fan bestenfalls träumt. Doch im Viertelfinale zeigte sich Zhang nach einer strapaziösen Saison nicht frisch und dynamisch genug. Und unterlag dem unbekümmerten Draufgänger Fan 2:4. „Ja, Fan ist derzeit das größte Talent in China“, bestätigte der gestürzte Großmeister.

So kam die Konfrontation des an Nummer eins gesetzten Zhang mit den beiden deutschen Ausnahmekönnern nicht zustande. Das wäre reizvoll gewesen, denn Boll/Ovtcharov haben eine ähnliche Saisonbelastung in den Knochen.

Das Duell der beiden besten Nicht-Chinesen in der Weltspitze im Halbfinale endete mit dem dritten Erfolg des gebürtigen Ukrainers nacheinander. Womit sich die kürzlich erfolgte Wachablösung des 32-jährigen Boll als nationale Nummer eins durch den sieben Jahre jüngeren Ovtcharov bestätigte.

„Ich hatte eine schwierige Auslosung und hochkarätige Gegner und stand zweimal kurz vor dem Ausscheiden. Konnte mich aber rausreissen“, erklärte Ovtcharov, der nach mehrjährigem Dienst für den russischen Champions League-Gewinner Fakel Orenburg eine Rückkehr in die Bundesliga nicht ausschließt. Müde und platt sei er gewesen und nicht frisch genug. Und der Gegner, den er vor einem Jahr noch nicht kannte, aber im Juli in der chinesischen Superliga 2:3 unterlag, „enorm schnell. Ich konnte selten die Initiative übernehmen und war phasenweie nicht aggressiv genug.“ Und es spricht für seine sportliche Fairness, dass er anerkannte: „Fan hat heute verdient gewonnen. Er könnte bald der neue Weltmeister werden.“

Ovtcharov, dessen Konterfei auf einem Riesenposter am Leipziger Platz prangte, zeigte sich dennoch zufrieden mit seinem Abschneiden: "Ich glaube, dass ich nach den Chinesen der beste europäische Spieler bin. Ich glaube auch daran, dass wir irgendwann die Chinesen schlagen, sonst müsste ich aufhören", sagte der zweifache Olympiamedaillengewinner von London 2012.

Fan betonte, stolz zu sein, erstmals in einem internationalen Wettbewerb Zhang bezwungen zu haben: „Das wird mein Selbstvertrauen stärken.“ Bescheiden fügte er an, noch viel lernen zu müssen. Der 37-jährige Routinier und drittbeste Europäer, Vladimir Samsonov (Weißrußland) hatte den Jungstar im Semifinale mit Tempowechseln, extrem hohen Bällen, abrupter Seitenverlagerung, kurzen Bällen und überraschenden Angriffen zeitweilig aus dem Rhythmus gebracht. Doch dem Feuerwerk aus Schmetterschüssen Vor- wie Rückhand des ungemein athletischen und muskulösen Rivalen war der zwei Köpfe größere Samsonov letztlich nicht gewachsen.

Gern vernahm die DTB-Spitze, dass Fan die Deutschen mit ihren beiden Topspielern auch künftig als größte Konkurrenz für Chinas Asse betrachtet.

Das dürfte DTB-Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig gern registriert haben. Neben Ovtcharov und dem Siegerdoppel holten bei den Frauen die Team-Europameisterin Han Ying (3.), das Europameisterinnen-Doppel Sabine Winter/Petrissa Solja (3.) sowie im U 21-Einzel Solja (3.) weitere Podiumsränge. Berlin habe gezeigt, „welches Potenzial und welche ausgezeichneten Perspektiven der deutsche Tischtennis-Sport hat.“ Für die olympischen Konkurrenzen 2016 in Rio de Janeiro sehe er „gute Chancen, dort die Chinesen wieder anzugreifen.“

DTB-Präsident Thomas Weikert zeigte sich nicht nur angetan von den Leistungen, sondern auch vom Besucherzuspruch (12 500, rund 5000 am Finaltag)und der Austragungsstätte. Die Schmeling-Halle mit ihrer Infrastruktur und den Nebenhallen böte sich „mit besten Voraussetzungen für die Ausrichtung von Europa- oder Weltmeisterschaften an.“

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