Alles außer seinen berühmten „Händen“ – Die große Dürer-Ausstellung im Frankfurter Städel

© Foto: Dr. Jürgen Pyschik

Das Obergeschoss des Ausstellungshauses beginnt mit einem der Höhepunkte der Präsentation: der Wiedervereinigung der Tafeln des Heller-Altars (um 1507–1509), den Dürer gemeinsam mit Mathis Gothart Nithart, genannt Grünewald, für den wohlhabenden Frankfurter Jakob Heller schuf. Die Tafeln des ursprünglich für die Kirche des Dominikanerklosters in Frankfurt bestimmten Altarretabels sind heute zwischen dem Historischen Museum Frankfurt, der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe und dem Städel aufgeteilt und werden in der Ausstellung erstmals zusammen mit einer umfangreichen Auswahl vorbereitender Studien Dürers gezeigt. Dazu gehörten eigentlich auch die berühmten „Betenden Hände“ aus dem Besitz der Wiener Albertina, die allerdings aus konservatorischen Gründen derzeit nicht ausleihbar seien. Dafür kann man aber die übrigen Vorstudien zeigen, so die ebenso beachtlichen „Füße“, die allerdings als Zeichnung beeindruckender sind, als im Gemälde.

Zu sehen sind insgesamt über 200 Werke, Tafel- und Leinwandbilder, Handzeichnungen, Blätter in unterschiedlichen druckgrafischen Techniken sowie von Albrecht Dürer verfasste und illustrierte Bücher. Zwar gab es erst vor einem Jahr in Nürnberg eine Ausstellung über den“ jungen Dürer“, doch Frankfurt verfolgt im Vergleich einen spezifischen Anspruch. „Die umfassende Präsentation im  Städel zeigt Dürers Kunst im Kontext ihrer Zeit und unterscheidet sich darin deutlich von vergleichbaren Ausstellungen der Vergangenheit. Seine künstlerischen Innovationen, seine theoretischen Forschungen und nicht zuletzt sein Geschick in der Vermarktung und Inszenierung seines Schaffens machten Dürer schon zu Lebzeiten zu einem der einflussreichsten europäischen Künstler. Diesen ’ganzen` Dürer wollen wir in unserer Ausstellung zeigen“, so Prof. Dr. Jochen Sander, Kurator der Ausstellung. So will die Ausstellung aufzeigen, wie sich Dürer konsequent von einem noch der Handwerkerschaft zugerechneten Maler zum Künstler und Gelehrten und damit in die obere Mittelschicht der damaligen Gesellschaft hocharbeitete. Daher wurde die eigentliche Malerei immer mehr zur Angelegenheit seiner Werkstatt, in der aber so herausragende Künstler wie Hans Baldung Grien oder Hans von Kulmbach arbeiteten, während er die Techniken des Holz- und Kupferstiches weiterentwickelte oder sich mit der Proportionslehre beschäftigte.

Die große Dürer-Ausstellung im Städel Museum, die sich über zwei Stockwerke und 1.000 Quadratmeter Fläche im Ausstellungshaus erstreckt, ist in insgesamt vierzehn thematisch orientierte Abschnitte unterteilt. Die Präsentation beginnt im Erdgeschoss mit dem Frühwerk des Nürnberger Künstlers und seinem beruflichen und familiären Bezug zur Goldschmiedekunst. Das in Gänze in der Ausstellung zu sehende Druckwerk der Apokalypse (1498/1511, Städel Museum) veranschaulicht nachfolgend den enormen technischen und damit künstlerischen Entwicklungssprung, den Dürers Kunst für das Medium des Holzschnitts bedeutete. Anschließend geben die Kapitel „Mensch und Maß“ sowie „Italien“ Einblick in Dürers Vorstellung von der idealen Darstellung des menschlichen Körpers und seine u. a. auf Reisen entstandene Auseinandersetzung mit der Arbeit italienischer Künstler und Kunsttheoretiker. Eindrucksvolles Dokument seiner Beschäftigung mit Akt- und Proportionsstudien ist das nach aufwendiger Restaurierung erstmals als Leihgabe gestellte Dresdner Skizzenbuch.

Im ersten Stockwerk dominiert zunächst natürlich der bereits erwähnte Heller-Altar, es findet sich aber auch als monumentales Ausstellungsstück die „Ehrenpforte für Kaiser Maximilian“, zusammengesetzt aus auf 36 Papierbögen gedruckten, altkolorierten und teilvergoldeten Holzschnitten, die sich zu einer Renaissancefassade fügen und so voller Text- und Bilddetails sind, dass man den Versuch, dies alles zu erfassen, bald aufgibt..

Zu dieser Ausstellung gibt es nicht nur ein Begleitprogramm, einen ausführlichen Katalog (39,90€) sondern, wie es sich heute gehört, auch eine APP u.a. mit interaktiver Kindertour.
Man wird sich anstellen müssen, aber es lohnt!

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