Weltmeister Russland, die dominerende Weltmacht im Frauenvolleyball, war im Finale nach mehr als zweistündigem Kampf mit 3:1 (25:23, 23:25, 25:23, 25:14) siegreich. Was Titel Nr. 18 für den viermaligen Olympiasieger und siebenfachen Weltmeister bedeutete.
Rang drei ging nach einem 3:2 über Titelverteidiger Serbien überraschend an Belgien, das damit den bislang größten Erfolg (zuvor 7./2007) feierte.
Die Entscheidung im Finale fiel im dritten Durchgang, nach dem die Russinen den ersten und die Deutschen mit großem Kampfgeist den zweiten Satz für sich buchen konnten: Der Favorit lag bei der zweiten Technischen Auszeit 16:14 vorn, erhöhte auf 18:15 und hielt nervenstark und konzentriert den zwei-Punkte-Vorteil bis zum Satzende.
„Da hätte das Spiel zu unseren Gunsten kippen können, wenn wir die 2:1-Satzführung bekommen hätten“, meinte Deutschlands Cheftrainer Giovanni Guidetti.
Auf der Pressekonferenz nach 23 Uhr präsentierte der Italiener eine ambivalente Gefühlslage: Einerseits sei er stolz, was die Mannschaft erreicht habe – Silber wie zuvor 2011, Medienaufmerksamkeit wie nie vorher seit 2006 in Deutschland und große Resonanz in der Öffentlichkeit. Andererseits „bin ich schon ein bisschen enttäuscht, denn ich hatte davon geträumt, dass der Mannschaft als Belohnung für ihren unglaublichen Einsatz über Jahre und ihren einmaligen Teamgeist etwas ganz Großes gelingen werde.“
Seine Hoffnungen fußten auch auf der Tatsache, dass nach olympischen Turnieren – seine Schützlinge hatten sich im Vorjahr für London nicht qualifizieren können – in den Spitzenmannschaften Abgänge und Veränderungen üblich sind. Sowie der Heimvorteil zumindest emotional eine große Hilfe sein kann. Und Mannschaften wie Serbien und Italien noch bis Anfang September bei der Sechser-Endrunde beim Grand Prix der Weltbesten in Asien beschäftigt waren.
Russland war da als 7. nicht zugelassen und demzufolge nicht so ausgepowert wie Serbien oder Italien. Russland hatte prominente Abgänge nach London, aber eine Zahl erstklassiger Spielerinnen – keine übrigens aus der "Sbornaja" derzeit im Ausland unter Vertrag – wie kein anderes Land. Bonmot des serbischen Trainers Terzic: "Ich denke, da sind mehr Volleyballerinnen als Einwohner in Serbien."
Aggressive und erfolgreiche Aufgaben reichten nicht
Und Russland hat nach der Olympiapleite – aus im Viertelfinale – einen neuen Trainer geholt: Juri Marischew (52). Einen Kopf größer als Guidetti und als Aktiver mit ZSKA Moskau zu Sowjetzeiten dreimal Meister und und einmal Champions League-Gewinner. Nach Zerfall der Sowjetunion noch als Profi im Ausland. Dann Trainer vor allem mit Männer-Teams. Nur einmal eine Saison bei Frauen der Bankchef. Ist aktuell bei Dynamo Moskau (Männer) am Ball. Im Januar dann das Angebot, die Nationalmannschaft der Frauen auf Probe zu übernehmen. Muss er sich jetzt entscheiden, was ihm wichtiger ist: Mehr Geld bei Dynamo Moskau oder mehr Prestige mit der Auswahl?- "Nein", sagt er. "Ich denke, beides ist parallel möglich, weil die Sbornaja meist im Sommer spielt nach der Klubsaison der Männer."
Er wusste, dass Guidettis Schützlinge, jener ja auch in Doppelfunktion für Team Germany und Europas Spitzenklub der Frauen, Vakifbank Istanbul, vor allem durch aggressive Aufgaben versuchen würden, die übermächtigen russischen Angriff zu erschweren: "Die Ballannahme haben wir noch am Vormittag beim Training geübt. Da klappte es, aber im Finale leider nicht so gut."
9:6 an Assen war die DVV-Auswahl da besser. Doch im Blockspiel (18:9 Punkte) und im Angriff (Russland bei 126 Versuchen 46 % Punkte – Deutschland bei 124 nur 34%) zahlte sich die körperliche Größe und Überlegenheit zugunsten der Russinnen aus. Die erstaunlicherweise ihre letzten EM-Goldplaketten 2001 erschmetterten.
Guidetti hatte vor der Partie darauf hingewiesen; "dass wir die Russinnen normalerweise bei zehn Begegnungen nur einmal schlagen können. Auf dieses eine Mal hatte ich gehofft." Und bei Berücksichtigung der knappen 3:2-Erfolge im Turnier über die Niederlande und im Semifinale über Belgien gestand er zu, mit Rang zwei das derzeitige Maximum erreicht zu haben. Volleyball sei schließlich irgenwie eine "gerechte Sportart. Da setzt sich zu 99 % die bessere Mannschaft durch."
Flitterwochen oder Hochzeitsreise? – Einen Tag!
Die Auszeichnungen der besten Einzelspielerinnen wurden in bester diplomatischer Manier im Doppel an alle vier Finalisten verteilt. Die deutsche Spielführerin Margareta Kozuch bekam jene als beste Aufschlägerin, Christiane Fürst die als beste Blockerin. Die Fair-play-Anerkennung für Trainer ging an den Belgier Gert van de Broek. Jener ist Auswahl- und Klubtrainer bei Meister Asterix Kieldrecht, Angestllter im Sportministerium und Dozent an der Uni Leeuwen!
Mehr als 133 000 Zuschauer in Zürich und Deutschland sowie hohe Einschaltquoten auf Sport 1 zeigen ein breites Echo mit Werbecharkter für Frauenvolleyball. Die Gäste lobten Organisation und die Stimmung in den Arenen. Wobei in Berlin die nationale Karte wohl ein wenig überrreizt wurde. Mit Klatschpappen durchweg in Schwarz-rot-gold, dem Versuch, mit Dauerdudeln des "Deutschellllllland – ich liebe Deutschland"-Songs die Anerkennung der internationalen Gäste zu kurz kam. Ein belgischer Journalist nachsichtig: "Na ja, das kennt man ja von Deutschland…sonst war das schon okay. Sie haben die eigene Mannschaft angefeuert, aber die Gegner nicht niedergepfiffen." Letzteres hat man anderswo durchaus erlebt.
Der 40-jährige Guidetti wollte sich nach der Exkursion in die Berliner Party-Nacht "am Sonntag oder Montag" mit seiner Verlobten, der türkischen Nationalspielerin Bahar Toksoy, mit dem Auto auf die 2000 km lange Tour nach Istanbul aufmachen. Denn dort ist am 20. September die Hochzeit terminiert. Flitterwochen und Hochzeitsreise?- "Wir nehmen uns einen Tag trainingsfrei. Dann beginnt die Vorbereitung auf die Saison in der türkischen Liga und im Champions League-Wettbewerb…".