Die Thüringer Stuben – Ein Besuch muß sein für Berliner und Schwaben

Kein LSD. Ein Pilz aus dem Thí¼ringer Wald. © WELTEXPRESS, Foto: Stefan Pribnow

Die Yuppisierung der Kieze schreitet voran. Scheiß drauf, aber voll, sagen sich Berliner und ziehen sich in Eckkneipen und Seitenstraßen der Freß- und Flaniermeilen zurück. Wer dort nicht nur Boulette will, aber Bratwurst als Übergang in fremde Küche kennt, der ist in den Thüringer Stuben, die eine angenehme, menschliche Melange aus Eckkneipe und Restaurant, goldrichtig. Die Thüringer Stuben liegen in einem der über ein Dutzend Kieze des Prenzlauer Berges: im LSD-Kiez, doch der Kiez aus Lychener-, Stargarder- und Dunckerstraße ist der Berühmteste und gilt als der kinderreichste Kiez von janz Berlin.

Im Zuge der Yuppisierung machten die neuen Makler und Mieter ihn zum Großkiez, zum Helmholtzkiezes zwischen Schönhauser und Prenzlauer Alle, Danziger Straße und S-Bahnring. Einen Kiez nach dem Reichskanzler der Physik statt nach einer chemischen Verbindung mit halluzinogene  Wirkung zu nenen, das ist hier und heute en vogue. Dennoch feiern in einigen Häusern und Hinterhöfen den „Fahrradtag“, kennen also nicht nur Hermann von Helmholtz sondern auch Albert Hoftmann, begrüßen sich mit einem herzlichen „Die spinnen, die Schwaben“ und denen lässig ihr Laissez-faire entgegen.

Kein LSD. Ein Pilz aus dem Thüringer Wald. © WELTEXPRESS, Foto: Stefan PribnowLaissez-faire geht es auch Stargarder- Ecke Dunckerstraße zu, denn stehen die Stuben, die Thüringer Stuben. Hier treffen sich Kiezgrößen und solche, die Heimweh in die Heimat haben, futtern wie bei Muttern möchten. Seit Jahren wird in den Thüringer Stuben Hausmannskost auf den Tisch gebracht, für die Gastwirt Mirko Hemme und Inhaber Christian Fischer Sorge tragen.

Die Ausstattung der Thüringer Stuben erinnern an Stuben in Thüringen und lassen das Häufchen Thüringen während der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) in einer der Halle auf dem Berliner Messegelände regelmäßig elendig erblassen, dabei gilt Thüringen als altes deutsches Kulturland. Bekommt der heutige Freistaat Thüringen, der nach dem Ende der DDR aus den Bezirken Gera, Erfurt und Suhl gebildet wurde, in diesem Deutschland nicht mehr auf die Beine?

Die Thüringer Stuben sind ein fast „rührend kitschiges Restaurant“. Stühle und Tische aus Holz, Holz auch an den Wänden, ein Holz-Tresen mit Holz-Hockern, gepolsterte Holzsessel und Kleiderständer aus Holz. Passend zum Holz und typisch für das Thüringer Holzland und seine Bewohner ist ein Bier namens Holzlandbräu. Thomas Büchner hält heuer die Namensrechte, läßt aber unter dem alten Namen ein vollkommen neues Bier brauen. Die naturtrübe, ungefilterte Spezialität hat einen sehr ursprünglichen Charakter und ist mit 5,6 Prozent ein kräftiges bernsteinfarbenes Bier mit wenig Bitterstoffen.

Holzlandbräu. © WELTEXPRESS, Foto: Stefan PribnowMit einem großen Glas Holzlandbräu unter dem Licht alte Lampen, die von der Decke hängen und Stehlampen wie zu Urgroßmutters Zeiten, trübt sich der Blick ein auf jede Menge Gemälde und Bilder an den Wänden sowie Hirsch-Geweihe und Kuckucksuhren und noch jede Menge Nippes verteilt im Gastraum. Wenn das nicht geil ist, gestrig zwar aber mit Seele, was sonst?! Dazu eine Brise Blume 2000, von denen Grünzeug vor den Fenstern gedeihen. Schwupps, vollendet ist ein schöner Schuß Gemütlichkeit, wozu die Bedienung munter beiträgt und mitunter Fans und Spieler des FC Carl Zeiss Jena.

Die und noch viel mehr Leute essen vor allem Thüringer Sauerbraten. Das saftige Filet vom Rinder wird vorher in fein abgestimmter Rotweinessigmarinade eingelegt und dann mit Apfelrotkohl, mundiger Rahmsauce auf echten Thüringer Klößen serviert. Lecker, lecker, lecker. Auch Wickelklöße mit Petersiliensauce, Rinderrouladen mit Sauerkraut, selbst Eisbein mit Erbspüree beweisen Bodenständigkeit. Thüringer Rostbratwurst ist ein Muß in den Thüringer Stuben und selbst wer einen Gänse- oder Schweinebraten will, der möchte vorher echte Thüringer kosten. Denn das gilt: „Drei Klöße im Magen, dazu knusprige Gans. Wer kann das vertragen, Ein Thüringer kann ´s!“

Klasse und klassisch: Thüringer Klöße. © WELTEXPRESS, Foto: Stefan PribnowGrandios gelingt auch der „Rhönschäfer“. Zartes Lammfilet mit Stampfkartoffeln und einem mariniertem Salat aus Roter Beete bersten auf dem Teller. Und wie das schmeckt! Wildgerichte sind keine Seltenheit. Hirschgulasch steht ständig auf der Speisekarte. Feine Stücke geschnittenes Hirschfilet werden in Rotweinsoße geschmort. Gut, daß hier noch geschmort wird!

Die schwere Kost der Thüringer Küche wird heruntergespült mit Gläsern voller Schwarzbier aus Köstritz und Pils aus Apolda, beide Bier sind vom Faß. Weitere Getränke quellen aus dem Thüringer Wald oder stammen vom Rennsteig. Was?`Sie sind Schwabe? Egal, ein Besuch in den Thüringer Stuben in Berlin sollte sein. Und gegessen wird, was auf den Tisch kommt! Semmeln oder Wecken sind es nicht.

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Thüringer Stuben, Stargarder Straße 28, 10437 Berlin, Telefon: 0049 (0)30 446 33 39, Email: info@thueringer-stuben.de, Website: http://www.thueringer-stuben.de

Öffnungszeiten: Sieben Tage die Woche ist offen und zwar von montags bis samstags ab 16:00 Uhr, sonntags ab 12:00 Uhr.

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