Die starke Transgender-Frau auf der Berlinale – Sebastian Lelio punktet mit dem beeindruckenden Film „Una mujer fantastica“ über die Transgendersexualität

Una mujer fantastica © Berlinale

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Der chilenische Regisseur Sebastian Lelio scheint eine Vorliebe für starke Frauenfiguren zu haben. Sein 2013 auf der Berlinale gezeigte Film „Gloria“ handelt von einer in die Jahre gekommenen alleinstehenden Frau, die sich neu erfindet und allen Widerständen zum Trotz, unbeirrt ihren Weg geht und mit Paulina Garcia zudem den Silbernen Bären für die beste Hauptdarstellerin erhielt. Insofern ist da eine klare Parallele zu seinem diesjährigen Wettbewerbsbeitrag „Una mujer fantastica“ (Englisch: „A fantastic Woman“). Auch hier eine starke Frauenfigur und der Silberne Bär für das beste Drehbuch. Und dies nicht zu Unrecht, stellte „Una mujer fantastica“ doch eines der Juwelen im diesjährigen Wettbewerbsprogramm dar.

Die Geschichte des Films ist im Grunde recht schnell erzählt. Orlando (Francisco Reyes) hat eine 20 Jahre jüngere Geliebte. Nämlich Marina (Daniela Vega), die gut seine Tochter sein könnte. Der Film beginnt damit, dass Orlando und Marina in trauter Zweisamkeit Marinas Geburtstag feiern. Orlando geht es schließlich nicht gut, Marina bringt ihn ins Krankenhaus, wo die Ärzte nur Orlandos Tod feststellen können. Sie benachrichtigt Orlandos Familie. Orlando ist geschieden und hat erwachsene Kinder, die Orlandos Beziehung mit Marina nie richtig toleriert haben. Marina ihrerseits streitet gegenüber Orlandos Familie nun um ihr gutes Recht, sich von ihrem geliebten Menschen zu verabschieden.

Also Stoff für einen kleinen und intensiven Film. Nur, dass bei „Una mujer fantastica“ ein entscheidender Faktum mitspielt. Marina ist ein ehemaliger Mann, eine Transgender-Frau. Und um den Umgang der Familie, der Menschen mit dieser Tatsache, handelt der ganze Film. Marina behauptet sich am Ende gegen alle Widerstände und dies auf besonnene und ruhige Weise.

Una mujer fantastica © Berlinale
Una mujer fantastica © Berlinale

Unbeirrt, wohl wissend um die Ablehnung und die Schwierigkeit mit der Thematik, behauptet sie sich. Und es mag schon komisch klingen, dass ein Happy End, wenn man es denn so nennen will, im Krematorium spielt. Orlandos Ex-Frau als auch sein Sohn lassen sie spüren, dass sie mit ihr nichts zu tun haben wollen. Soll sie doch, auf deren ausdrücklichen Wunsch hin, aus Orlandos Wohnung ausziehen und den Trauerfeierlichkeiten fernbleiben. Was sie natürlich verweigert und am Ende vor Orlandos Leichnam steht, kurz bevor dieser eingeäschert werden soll. Sie kann nun doch von ihrem Geliebten Abschied nehmen, ihre Ruhe finden und ihr Leben weiterleben.

Das Bild, das sich uns beim Sehen von „Una mujer fantastica“ einprägt ist das, wie Marina die Straße entlanglaufend gegen starken Gegenwind ankämpfen muss und sich doch in diesen hineinlegt, um von ihm getragen zu werden. Dies ist zwar sehr symbolisch und doch passt es zu diesem intensiven Film, der von der einfühlsamen Regie Sebastian Lelios lebt und von seiner Hauptdarstellerin Daniela Vega, einer wirkliche Transgender-Frau.

Diese sollte den Film eigentlich nur beratend begleiten, war dann aber so gut, dass Sebastian Lelio ihr die Hautrolle gab. Sie avancierte dann auch zu einem der Stars bei der diesjährigen Berlinale. Sie spielt ihre Marina unaufgeregt und doch intensiv, dass wir ihre innere Anspannung und Wut, die offen nur einmal und zwar am Ende aus ihr herausbricht, immer spüren.

Und Sebastian Lelio schafft das Kunststück die Thematik Transgendersexualität beeindruckend in jeder Szene anzusprechen und doch nie an die große Glocke zu hängen oder gar ausufernd thematisieren zu wollen. Er nimmt sie als gegeben und natürlich hin und deutet diese nur hier und da an. Auf fällt dann eher der Umgang der anderen Menschen, hier Orlandos Familie, mit dem Umstand. Denn für Lelio ist, und das vermittelt der Film eben sehr gut, die sexuelle Orientierung nicht ausschlaggebend oder sollte nicht ausschlaggebend sein, wenn Liebe im Spiel ist oder wie hier die Verabschiedung von einem geliebten Menschen.

Mit „Una mujer fantastica“ hat Lelio wieder einen wunderbaren Film, um die diesmal etwas andere starke und dann doch fantastische Frau Marina, geschaffen. Bleibt zu hoffen, dass er ein großes Publikum erreicht und noch weitere Preise gewinnen möge.

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Originaltitel: Una mujer fantastica
Englischer Titel: A fantastic Woman
Land: Chile, USA, Deutschland, Spanien
Jahr: 2017
Regie: Sebastian Lelio
Buch: Sebastián Lelio, Gonzalo Maza
Kamera: Benjamín Echazarreta
Schnitt: Soledad Salfate
Musik: Matthew Herbert
Darsteller: Daniela Vega, Francisco Reyes, Luis Gnecco, Aline Kuppenheim, Nicolas Saavedra, Amparo Noguera, Nestor Cantillana
Dauer: 104 Minuten
Produzenten: Juan de Dios Larraín, Pablo Larraín

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