Zwischen Tradition und Aufbruch changierend – Serie: „Das Zeitalter Rembrandts“ in der Albertina in Wien (Teil 2/2)

Rembrandt Harmensz. van Rijn

Da geht es um Idyllen wie in Nicolas Berchems „Hügelige Landschaft mit Hirten“ oder mythische Märchenwelten, die Rollandt Savery mit minutiöser Genauigkeit 1625 auf die Leinwand bringt in „Landschaft mit exotischen Vögeln und der Entführung des Ganymed“.

Nun vervollständigen Zeichnungen das Bild und der Bestand der Albertina kommt zu seinem Recht. Großartig Jacob Matham mit den „Neptun“ von 1602, Feder in Braun. Die Zeichnungen zeigen den künstlerischen Weg auf, den Holland nun vom Spätmanierismus zur realistischen Weltsicht nimmt. Hendrick Goltzius’ Selbstbildnis 1599 läßt an Rubens denken, der ähnlich selbstbezogen in Groß und in Farbe die physiologischen und psychologischen Tiefen und Untiefen der Porträtierten ans Licht brachte. Dies Gemälde stammt aus dem Kunsthistorischen Museum, wie überhaupt Leihgaben aus aller Welt zusammenkommen. Er hat auch seinen Kollegen Jacob Matham 1592 abgebildet, mit schwarzer und farbiger Kreide und Pinsel in Braun und Schwarz, einen jungen neugierig, aber verhalten blickenden jungen Mann mit weißem Volantkragen, dessen Bildnis überaus weich modelliert ist. Beide Porträts gehören der Albertina.

Gillis von Coninnxlo malt seine „Waldlandschaft“ 1598 und Wald bleibt nun kein fürs das Bild geeigneter Hintergrund mehr, sondern hier sieht man den Wald als Prinzip, der Wald, der um seiner selbst willen künstlerisch gestaltet wurde, im spätmanieristischen Typus. Wälder erzählen auch ohne Darstellungen durch das Raunen der Bäume, das man bei solchen Darstellungen zu hören glaubt, Geschichten, sowohl Mythen wie auch Gespenstergeschichten. Eine andere Sache sind die Historienbilder, hier als Allegorie, wobei eine junge Frau „Belgica“ darstellt und wir ebenfalls die Aspekte des frühen Realismus studieren können.

Dann die Rembrandts auf moosgrünen Hintergrund. Geschickt hatte nämlich die Ausstellungsgestaltung als Wandflächen neben einem hellen Ton nd diesem Moosgrün, ein intensives Königsblau und ein Rot gebracht.

Rembrandts Altersbild empfängt einen schon aus der Ferne, das ebenfalls dem Kunsthistorischen gehört und deshalb immer „Das kleine Selbstporträt“ heißt, weil es dort noch ein größeres gibt. Aber nein, dieses Porträt ist ausgewachsen und zeigt den Künstler schon müde werdend, aber mit vollem Selbstbewußtsein seines Könnens. Seine früh verstorbene erste Frau „Saskia“, gemalt 1633, ist aus Dresden gekommen. Ihre Natürlichkeit besticht. Sie muß nicht schön sein, mit starren klassischen Zügen, sondern lebendig. Der Mund zum leicht verlegenen Lächeln geöffnet, deutlich steht der eine Zahn vor, die Augen leicht zusammengekniffen uns zugewandt in prächtiger Kleidung, mit federbesetztem Hut und Samtteilen, die Perlen und der Schleier, der bis zum Hals reicht und das ausgeschnittene so prächtige Kleid gleich angezogen macht. Die Farbkontraste geben der anrührenden Darstellung eine weitere Note.

Es bleibt ein Geheimnis um die Bilder von Rembrandt, der sich nie aus seinem Umfeld entfernte, aber die ganze Welt und all ihre Erfahrungen in seine Bilder hineinmalte. Man sieht auch alte Bekannte aus den letztjährigen Rembrandtausstellungen. Seine Radierung von 1639 „Selbstbildnis“ kommt aus der Albertina und zeigt den Maler mit verwegenem Barett, aber nachdenklichem und selbstsicheren Blick, das lange gelockte Haar und eine reiche Gewandung. Rembrandt hat sich, wie heute Maria Lassnig, als eigenes Studienobjekt benutzt, den eigenen Körper, den eigenen Schädel malend und damit die Welt und ihre Veränderungen erklärend. Zwei Vorbilder soll er hierbei gehabt haben, belehrt uns die danebenstehende Tafel, die wie andere auch, den Bildern auch Text an die Hand geben für diejenigen, die die Kunstgeschichte nicht auswendig lernen. Die eine Referenz sei „Porträts eines Mannes“ von Tizian, die andere Rafaels „Bildnis des Baldassare Castiglione, beide Gemälde aus dem Jahre 1512.

Weiter gibt es Bilder von ihm, die aus Utrecht kommen, die man auf Rembrandtausstellungen in der Regel nicht sieht, wie auch das Gemälde von 1629/30 aus Nürnberg mit biblischen Motiven. Der „Elefant“ dagegen, Eigentum der Albertina, ist weithin bekannt und es stimmt, daß diese Zeichnung mit den Kohleteilen schwungvoll das Massige am damals weithin unbekannten Tier wiedergibt und sowohl lebendig wie auch in der Form korrekt zeigt. Ob man ihm sein Eingesperrtsein wirklich ansieht, wie psychologische Deuter der Zeichnung erzählen?

Auf königsblauem Hintergrund dann anschließend Bauerngenre von Adriaen von Ostade, auch Kirmesbilder und Allegorie des Lasters. Das sind Verbildlichungen von volkstümlicher Dichtung aus dem Mittelalter, und der Darstellung haftet durchaus Satirisches an. Unser Schritt wird schneller. Wir gehen an den Aquarellen und Deckfarben vorbei und sind bei den Porträts, die aber nicht so sehr die Individualität einen einzigen Menschen betonen, sondern in der Figur, im Bildnis, im Genre, eher das Typische herausarbeiten. Auf Rot kommen anschließend die Marinebilder, bunt auf blauem Himmel oder in Stürmischer See. Auch die Nachtlandschaften, ob zu Wasser oder an Land und erneut stoßen wir auf Waldlandschaften aus der Albertina oder anderswoher.

Jacob von Ruisdal malt 1646 „Lichtung in einem Wald“, verdichtete Waldstimmung, weder unheimlich, noch böse, noch gute Gefühle, einfach grüne vegetative Natur, mit dem Sonneneinfall, der auffällig auf den Baumstamm fällt, der aber alles Leben erhält und erhellt.

Wir stoßen noch auf Realismus und Fantasie auf Grün und die Niederländer und Italiener auf Blau und das Stilleben mit seinen Facetten der Küchen-, Vanitas- und Prunkstilleben und während wir weitere Räume vor uns sehen und uns denken, eigentlich ist es jetzt genug, sind wir schon am Ausgangspunkt angekommen, einen Rundweg sind wir gegangen, wie die Malerei selbst, denn ihr Auf und Ab ist nicht qualitativer Art. Wir nehmen den Anspruch des 19. Jahrhunderts, der lange ins 20. Jahrhunderts überschwappte, daß alles immer besser und höher sich entwickle für die Malerei schon lange zurück und sind zufrieden, daß wir so lange in eine andere Zeit mit anderen künstlerischen Mitteln eingetaucht waren. Wir haben tatsächlich ein Zeitalter besichtet und mußten dazu nur die paar Schritte tun.

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Ausstellung:

bis 21.6.2009

Katalog:

Das Zeitalter Rembrandts, hrsg. von Klaus Albrecht Schröder und Marian Bisanz-Prakken, HatjeCantz 2009. Dieser Ziegelstein bringt Gemälde und Zeichnungen ins Buchformat und erst beim Darinblättern erkennt man, daß im Zusammensein beider in der Ausstellung die größeren bunten Gemälde zuviel der Aufmerksamkeit eingefordert hatten, weil die zarteren Zeichnungen, Radierungen, Stiche nicht derartige Augenfänger sind. Darum ist es schön, hier in Ruhe die Tiefe und die Strichführung dieser Werke studieren zu können. Der Katalog gliedert sich nach den Ausstellungsabteilungen und deren Benennungen und bietet zu jeder Abbildung einen langen Kommentar.

Reiseliteratur:

Felix Czeike, Wien, DuMont Kunstreiseführer, 2005
Baedecker Allianz Reiseführer Wien, o.J.
Lonely Planet. Wien. Deutsche Ausgabe 2007
Walter M. Weiss, Wien, DuMont Reisetaschenbuch, 2007
Marco Polo, Wien 2006
Marco Polo, Wien, Reise-Hörbuch

Tipp:

Gute Dienste leistete uns erneut das kleinen Städte-Notizbuch „Wien“ von Moleskine, das wir schon für den früheren Besuch nutzten und wo wir jetzt sofort die selbst notierten Adressen, Telefonnummern und Hinweise finden, die für uns in Wien wichtig wurden. Auch die Stadtpläne und U- und S-Bahnübersichten führen– wenn man sie benutzt – an den richtigen Ort. In der hinteren Klappe verstauen wir Kärtchen und Fahrscheine, von denen wir das letzte Mal schrieben: „ die nun nicht mehr verloren(gehen) und die wichtigsten Ereignisse hat man auch schnell aufgeschrieben, so daß das Büchelchen beides schafft: Festhalten dessen, was war und gut aufbereitete Adressen- und Übersichtsliste für den nächsten Wienaufenthalt.“ Stimmt.

Anreise:

Viele Wege führen nach Wien. Wir schafften es auf die Schnelle mit Air Berlin, haben aber auch schon gute Erfahrungen mit den Nachtzügen gemacht; auch tagsüber gibt es nun häufigere und schnellere Bahnverbindungen aus der Bundesrepublik nach Wien.

Aufenthalt:

Betten finden Sie überall, obwohl man glaubt, ganz Italien besuche derzeit Wien! Überall sind sie auf Italienisch zu hören, die meist sehr jungen und ungeheuer kulturinteressierten Wienbesucher. Wir kamen perfekt unter in zweien der drei Hiltons in Wien). Sinnvoll ist es, sich die Wien-Karte zuzulegen mitsamt dem Kuponheft, das auch noch ein kleines Übersichtsheft über die Museen und sonstige Möglichkeiten zur Besichtigung in Wien ist, die Sie dann verbilligt wahrnehmen können. Die Touristen-Information finden Sie im 1. Bezirk, Albertinaplatz/Ecke Maysedergasse.

Mit freundlicher Unterstützung von Air Berlin, dem Wien Tourismus, der Wiener Festwochen und diverser Museen und den Hilton Hotels Wien.

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