Zwischen Madonna und Mutter Courage – Zur Darstellung der Mutter in der Kunst von 1905 bis 1935 im August Macke Haus in Bonn

August Macke, Gartenbild, 1911. LB AG, Düsseldorf

Mit rund 60 Werken der Malerei, Bildhauerei, Zeichnung und Druckgraphik von 42 Künstlern und Künstlerinnen wird dies erstmals umfassend erschlossen und in der Reihe der Themenausstellungen des August Macke Hauses präsentiert. So auch im Umfeld des rheinischen Expressionismus und in den neusachlichen Tendenzen der 1920er Jahre. Da spielte dieses Thema eine bedeutende Rolle, indem die Künstler auf die radikalen politischen und gesellschaftlichen Umbrüche dieser Zeit mit ihren Werken reagierten.

Da ist zunächst Platz für die Pionierinnen Paula Modersohn-Becker und Käthe Kollwitz, gefolgt von den rheinischen Künstlern um August Macke, Heinrich Campendonk, Marie von Malachowski, Carlo Mense, Heinrich Nauen, Hans Thuar, Marta Worringer. Da dürfen auch weitere bekannte Künstler zu diesem Themenbereich nicht fehlen wie Ernst Barlach, Max Beckmann, Otto Dix, Wilhelm Lehmbruck, Gerhard Marcks, Max Pechstein, Christian Rohlfs und Georg Schrimpf. Wichtige Akzente setzen zudem Künstlerinnen wie Lea Grundig, Hannah Höch, Jeanne Mammen oder Hanna Nagel sowie die in großen Auflagen publizierten kritischen Werke von Conrad Felixmüller, George Grosz, John Heartfield und Heinrich Zille. Die Verantwortlichen im August Macke Haus überraschen mit dieser breiten Präsentation.

„Bis weit in das 20. Jahrhundert wirkten die übermächtigen ikonographischen Muster der Muttergottes mit dem Jesuskind. In Anlehnung daran spiegelten die Künstler Idealvorstellungen der emotionalen, innigen Verbindung von Mutter und Kind und leisteten damit auch der bürgerlichen Rollenfestschreibung Vorschub, die in der Frau entweder die lasterhafte Hure oder die tugendhaft-bescheidene Mutter sah“, so heißt es in der Einladung zu dieser Ausstellung, auf die man sich jetzt schon freuen darf..

Dabei wird auch die Stellung der Frau von damals verdeutlicht. Denn seit dem 18. Jahrhundert hatte sich die Überzeugung etabliert, die Mutter sei besonders dem Emotionalen und der Natur verbunden, während der Vater die rationale und moralische Instanz vertrat. Häufige Natur- und Fruchtbarkeitssymbole wie Früchte, Blumen und Gartenszenen in den ausgestellten Werken weisen darauf hin, wie intensiv solche Zuschreibungen auch im 20. Jahrhundert fortwirkten. Auch die Wegbereiterinnen der modernen Mutterdarstellungen, Paula Modersohn-Becker und Käthe Kollwitz, führten das Motiv auf die elementare, kreatürliche Einheit von Mutter und Kind zurück: die eine in der Monumentalisierung der Lebenskraft, die andere im unstillbaren Schmerz um das gestorbene Kind.

Und dann der Umbruch in der Zeit des Ersten Weltkriegs und der danach aufbrechenden Revolution. Damals entstanden auffallend viele visionär anmutende Madonnendarstellungen wie die ausgestellten von Carlo Mense und P. A. Seehaus. Hoffnung kam auf für die „Geburt eines neuen Menschen“. In dieser Zeit und in folgenden Krisenjahren entstanden Bilder, die drastisch zugespritzt die damalige Situation der Frauen und Kinder anprangerten wie bei George Grosz und John Heartfield oder detailliert ausgemalt wie in einigen Blättern aus Lea Grundigs Zyklus „Mütter“. Hier wurden die menschenunwürdigen proletarischen Lebensverhältnisse realistisch dargestellt, die gerade auch die Mütter und Kinder betrafen. „Die Figur der Mutter mit Kind wurde dazu verwendet, das Unmenschliche städtischer Umgebungen und unzureichender Ernährung vor Augen zu führen“, so auch die Intention dieser Ausstellung. Häufig, besonders nach der Geburt von Kindern, verarbeiteten Künstler Porträts und alltägliche Szenen aus der eigenen Familie und gewähren damit Einblicke in die häuslichen Rollenverteilungen. Dabei sahen Künstlerinnen die Lage der Mutter meistens deutlich lebensnäher als ihre männlichen Kollegen. Hanna Nagel und Hannah Höch reflektierten in einzigartiger Weise auch ihre eigene prekäre Position zwischen ihrer künstlerischen Berufung, ihrem Partner und ihrem Kinderwunsch.

„Nicht zuletzt sind auch die Trauer und die Ohnmacht bei dem Verlust von Kindern und die Darstellung der mit dem Kind zurückbleibenden Witwe wiederkehrende Themen, ebenso wie die Problematik des ungewollten Kindes und die Auseinandersetzungen um die strengen Abtreibungsgesetze“, heißt es in der Einladung. Die ungeheuere Bandbreite dieser hier ausgestellten Kunstwerke wird zu einem Kunsterlebnis ganz besonderer Art (vom 7. Oktober 2011 bis 29. Januar 2012).

Leihgeber u. a. Brücke-Museum, Berlin; Kunsthalle Bielefeld; Kunsthalle Bremen, Museum Kunstpalast, Düsseldorf; Städtische Galerie Karlsruhe; Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf, Schleswig; Kunstmuseum Stuttgart; Von der Heydt Museum, Wuppertal.

Katalogbuch zur Ausstellung mit Beiträgen von Gesa Bartholomeyczik, Elke Kleinau, Gabriele Jonas, Karla Verlinden und Anja Herrmann, 128 Seiten, Format: 28 x 21 cm, Hardcover, Verkaufspreis in der Ausstellung: 25 Euro

Öffnungszeiten Di – Fr 14.30 – 18 Uhr, Sa, So, Feiertage 11 – 17 Uhr, Kostenlose Führung sonntags 11.30 Uhr, August Macke Haus Bonn, Bornheimer Straße 96, D – 53119 Bonn, Telefon +49 (0)228 – 65 55 31, Fax – 69 15 50, Email buero@august-macke-haus.de, Website: www.august-macke-haus.de

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