„Z“ von Minas Borboudakis oder er lebt, der wissende Mensch – in der Reithalle München

"Z" Kammeroper in der Reithalle München. © 2019, Foto: Midou Grossmann

München, Deutschland (Weltexpress). In der Reithalle im Westen des Münchener Stadtteils Schwabing erlebten die Besucher eine eindrucksvolle deutschsprachige Uraufführung der Kammeroper „Z“ von Minas Borboudakis im Rahmen der Festspielwerkstatt der Münchner Opernfestspiele 2019.

Für ältere Besucher der Premiere war es ein Erinnern an den Kampf der Demokratie in Europa, jüngere Besucher empfanden eine fesselnde Aktualität, die durchaus noch eine aktuelle Berechtigung besitzt. Hellas stand schon immer für einen kompromisslosen und emotionalen politischen Weg, Freiheit im Ausdruck der Menschlichkeit war ein Credo, das dennoch oft mit Füßen getreten wurde. Im November 1966 veröffentlichte Vassilis Vasilikos seinen Tatsachenroman „Z“ in Griechenland. Der Schriftsteller hatte das Attentat auf den führenden Politiker der griechischen Linken Grigoris Lambrakis zur Grundlage für seinen Roman genommen, die Verfilmung von Costa Gavras machte das Buch zum Weltbestseller.

Minas Borboudakis (Tonhalle Zürich 2011). © 2019, Foto: Midou Grossmann

Das Buch und der Film bildeten die Grundlage für das Musiktheater „Z“, das als erstes Auftragswerk der neuen Griechischen Nationaloper 2018 in Athen uraufgeführt wurde. Wie im Roman, überlappen sich auch in der Oper verschiedene Bewusstseinsbereiche. Die Stimme des Opfers erklingt zu Beginn über Lautsprecher und sendet ein starkes Signal: „Die Toten reden nicht, sie sind ohne Stimme, und selbst wenn, erreicht sie uns’re Ohren doch nicht. Doch sie leuchten ganz schwach wie eine Lampe, die in der Ferne schimmert. Ihr Licht ist kraftlos, doch bricht es sich Bahn. Es gibt uns Zeichen.“

Betrachtungen über Gut und Böse, Integrität und Opportunismus, Mitläufer und Mutige haben zu jeder Zeit eine Berechtigung und daher berührt diese Oper auch so stark. Der deutsche Text wurde brillant von Michaela Prinzinger verfasst und die Regie von Kevin Barz agiert sehr ausdrucksstark auf einer Lauffläche von 32 Meter in der Reithalle München. Wie ein Film entwickelten sich hier die packenden Bilder über eine Straße des Geschehens, von beiden Seiten der Zuschauerblöcke zu sehen. Die Projektionen auf Gazevorhängen wirkten doppelseitig, die Sänger/Schauspieler agierten ebenso.

Über allem stand die vielschichtig komponierte Partitur von Minas Borboudakis, der auch selbst dirigierte, und das sehr eindringlich. Die Tonsprache darf vordergründig als minimalistisch bezeichnet werden, dennoch beherrschten eindringliche Spannung sowie dynamische Klangentwicklung durchgehend den Raum. Öfters wurde das Geschehen vom Chor kommentiert, das antike Drama Griechenlands war allgewärtig. Das Kammerensemble von 11 Musikern interpretierte diese Musik mit großem Einsatz, über die Minas Borboudakis selbst sagte: „Die große Herausforderung wird sein, diese Klangatmosphäre herzustellen. Denn besonders die Monologe sind sehr filigran, mit sehr wenigen Mitteln und sehr speziellen Klängen, mit speziellen Techniken und mit der Einbindung von Elektronik. Es spielen viele Faktoren mit und das zu dirigieren, ist ein bisschen wie Chirurgenarbeit. Für den Schauspieler sind die rhythmischen Passagen eine Herausforderung. Es gibt einige Stellen im Stück, in denen er den Text von mir rhythmisierst in der Partitur bekommt, ihn aber trotzdem auf natürliche Art sprechen soll.“ All das gelang bestens, und das gesamte Werk entwickelte sich mit einer Komplexität, deren schwingendes Element so vorab gar nicht vorstellbar gewesen war.

Alle Protagonisten zeigten größte Identifikation mit den Rollen und der große Applaus des Publikums belohnte dies auch. Zu erwähnen sind von vielen die Hauptdarsteller Edmund Telgenkämper als Z, Simon Bailey als skrupelloser Archosaurier. Joshua Owen Mills als Mörder Grille zusammen mit Krabbe Long Long. Sehr berührend auch Noa Beinart in der Rolle der Frau des Opfers/Seele.
Sicherlich wird sich dieses Werk behaupten können, wünschenswert wäre auch eine Inszenierung auf großer Bühne, da es hier doch um mehr geht, als um ‚nur‘ einen politischen Mord. Die gesamte Handlung ist geprägt von philosophischen und seelischen Aspekten, die gerade heute wieder so notwendig sind für eine Betrachtung der Welt.

Weitere Vorstellungen: 3., 5. und 7. Juli 2019, Reithalle München

Vorheriger ArtikelDas Brüsseler Tollhaus und die Clique von Regierungschefs
Nächster ArtikelNull Umdrehungen oder „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ – Geldverschwendung bei der Leyen-Truppe: mehr als 125 Millionen Euro bei Versorgungsschiffen an zusätzlichen Kosten