Skåne, Schweden (Weltexpress). Stürmischer Wind zerrt an unseren Haaren. Die See tief unter uns tobt. Die Wogen brechen sich am Fels, Gischt spritzt Fontänen gleich in den Himmel und verteilt einen feinen Nebel salziger Nässe in der Luft. Wir sind in Skåne. An jenem Südzipfel Schwedens also, den die Deutschen Schonen nennen und der gemeinhin als flach, sanft und damit als etwas langweilig gilt. Als nicht wirklich schwedisch eben.
Doch hier auf der Kullen-Halbinsel nördlich von Helsingborg zeigt sich Skåne wild. Und das nicht nur, wenn ein Tiefdruckgebiet die Elemente entfesselt, so wie heute. Denn hier beginnt die „Schonische Diagonale“, ein lang gestreckter Bergrücken. Reste längst erloschener Vulkane zeugen von seiner Entstehung durch die Kollision verschiedener Kontinentalplatten vor 150 Millionen Jahren. Bis zu 70 Meter erheben sich die Klippen an der Spitze der Kullen-Halbinsel.
Ein idealer Platz also für die Errichtung eines Leuchtturms. Seit annähernd acht Jahrhunderten ist die Erhebung mit einem Signalfeuer besetzt. Der heutige Granitturm weist Seeleuten seit anno 1900 mit hellen Lichtblitzen den Weg durchs viel befahrene Kattegat. Aber auch von Landseite findet Kullens Fyr Beachtung. Wegen der atemberaubenden Aussicht über den Öresund ist der als Denkmal geschützte Turm ein beliebtes Ausflugsziel. Inzwischen gibt es nebenan ein Besucherzentrum, das über das Naturschutzgebiet Kullaberg informiert.
Rund um die Halbinsel verläuft der Küstenwanderweg Kullaleden, ein Abschnitt des mehr als tausend Kilometer langen Skåneleden, der kreuz und quer durch Skåne führt. Wir folgen dem Kullaleden Richtung Süden. Es geht über plateauartige, von Birken und Heidekraut bewachsene Hochflächen und vorbei an steilen Felsabbrüchen. Ein Seil erleichtert uns den Abstieg zu einer Höhle, an deren Wänden das Donnern der Brandung widerhallt.
An anderer Stelle sind Haken oberhalb eines fast senkrechten Abbruchs ins Gestein geschraubt. Hier seilen sich Abenteuerlustige über die scharfe Kante ab. Die meisten unter Aufsicht eines Spezialisten von den „Kullabergsguiderna“, die seit 1996 begleitete Aktivitäten auf dem Kullaberg anbieten.
Wir erreichen eine kleine Bucht am Ortsrand des Fischerdörfchens Mölle. Der von Wogen überflutete Badesteg ist im schäumenden Weiß kaum auszumachen. Genau hier stiegen vor etwa hundert Jahren erstmals Männer und Frauen gemeinsam zum Schwimmen ins Wasser. Sorgfältig gekleidet, versteht sich. Dennoch war das gemischte Bad in der damaligen Zeit ein Skandal. Und Mölle profitierte vom Wirbel. Betuchte Freigeister, auch aus der Berliner Gesellschaft, reisten per Bahn zum schwedischen Sündenpfuhl, um dort die Sommer zu verleben.
Inzwischen ist die Zugstrecke stillgelegt und von der Vielzahl der Hotels sind nur vier übrig. Bei ruhigerem Wetter starten hier schnelle Schlauchboote mit Touristen, die Schweinswale beobachten möchten. Individualisten bevorzugen Seekajaks für eine Paddeltour entlang der bizarren Felsküste. Heute warten vor der Einfahrt des kleinen Hafens dutzende Surfer auf die perfekte Welle. Wir machen Rast in der Mölle Krukmakeri, einer Keramikwerkstatt mit skurril dekoriertem Restaurant und gemütlichem Wintergarten.
Unser nächstes Ziel liegt an der nördlichen Küste der Kullenhalbinsel. „Nimis“ lautet der Name des Treibholz-Kunstprojekts von Lars Vilks. Die durch Brücken und Gänge verbundenen hohen Türme sind kühn und fantasievoll zusammengezimmert – nicht nur vom inzwischen betagten Künstler selbst. Weil Nimis hoch umstritten ist, wurde es mehrfach zerstört, aber immer wieder durch viele fleißige Hände neu aufgebaut. Der Grund für den Zwist: Der Künstler errichtete seine Konstruktionen an einem Ort, der im Naturschutzgebiet Kullaberg liegt, wo nicht gebaut werden dürfte. Der Rechtsstreit um das Objekt hat längst bizarre Züge angenommen. 1996 hat Vilks gar die „Freie Republik Ladonia“ ausgerufen. Die Mikronation am Kattegat zählt heute etwa 18000 „Staatsbürger“ aus aller Welt.
In Wanderkarten ist der Weg zur „verbotenen Stadt“ nicht eingezeichnet. Google Maps zeigt die Lage des Kunstwerks aber an. Um Nimis zu finden, startet man am besten bei Himmelstorp, einem gut erhaltenen Gehöft aus dem 18. Jahrhundert. Vom Wanderparkplatz aus folgen wir dem mit gelben „N“s gekennzeichneten Weg und biegen nach etwa einer Viertelstunde auf einen deutlich sichtbaren Trampelpfad ab. Vilks Anhänger haben weiße Markierungen gesetzt. Die Route führt zunehmend steiler werdend bis zum am Ufer gelegenen Kunstwerk. Das futuristisch anmutende, begeh- und erkletterbare Labyrinth vor der gewaltigen Naturkulisse der bewaldeten Klippen ist sehenswert und lockt Familien an, die mit Kindern und Hunden das Kunstwerk durchstreifen.
Wieder auf dem Wanderweg angekommen, laufen wir nach Arild. Der Ort genießt den Ruf, zu den am besten erhaltenen Fischerdörfern Schwedens zu gehören. Wir schlendern zwischen winzigen Häusern durch die schmalen Gassen zum kleinen Hafen. Ehemals hatte sich hier eine Kolonie von Kunstmalern niedergelassen. Heute kommen vor allem Genießer her. Denn in Arild gibt es überraschenderweise ein Weingut. Die Reben gedeihen gut auf den sonnenexponierten Hängen. Von den Weinbergen schaut man über die Bucht. Hier zeigt sich die „Schonische Diagonale“ von ihrer lieblichen Seite.
Genauso idyllisch präsentiert sich die etwas nördlich gelegene Bjäre-Halbinsel. Im romantischen Hafenstädtchen Torekov schwingen wir uns aufs Fahrrad, um dem Kattegatleden folgend quer über die Halbinsel zu radeln. Das hügelige Relief erfordert etwas Anstrengung, dafür werden wir immer wieder mit tollen Perspektiven über die seit Jahrhunderten gepflegte Agrarlandschaft belohnt. Über Wiesen und Felder schweift der Blick bis zum Meer. Wie die Küste Kullens lässt sich auch die von Bjäre auf dem Skåneleden erwandern.
Auf dem 15 Kilometer langen Weg nach Båstad machen wir in Norrviken Gardens Rast. Vor mehr als hundert Jahren hat hier ein reicher Unternehmer seine Gartenträume realisieren lassen. Heute ist die weitläufige Anlage gegen Eintritt öffentlich zugänglich. Die schlossartige Villa im Zentrum beherbergt Hotel, Restaurant und Café. Die letzte Etappe bis Båstad führt direkt am Kattegatufer entlang und ist schnell bewältigt. Der Ort ist für die Austragung des Tennisturniers der Swedish open bekannt. Überregionalen Ruf genießt auch das historische Hotel, bei dem es sich buchstäblich um eine Nobel-Herberge handelt. Gründer war nämlich der Bruder des Nobelpreis-Stifters. Einst trafen sich hier Persönlichkeiten von Rang und Namen, darunter Gustav V., in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Schwedens König.
Schon früh als landschaftlich reizvolle Gegend bekannt und als Urlaubsziel beliebt war auch Söderåsen, 75 Kilometer südöstlich von Båstadt. Inzwischen ist die von tiefen Tälern durchfurchte Hochfläche ein Nationalpark. Wir stehen auf dem Aussichtspunkt Kopparhatten und genießen den gigantischen Ausblick. Zu unseren Füßen fällt eine gewaltige Geröllhalde steil ab. Es sieht aus, als hätten Riesen eine Felslawine losgetreten. Wir steigen ab und folgen dem Skåneleden durchs Tal. Der Wanderweg zum Informationszentrum in Skäralid verläuft auf Bohlen entlang eines malerisch schlängelnden Bachs. Ein beliebter Zwischenstopp ist die Quelle, aus der glasklares Wasser zu schöpfen ist. Wir löschen unseren Durst und stellen fest: Schmeckt herrlich frisch und irgendwie sehr schwedisch.
Reiseinfos
Skåne ist mit Auto oder Zug über die Öresundbrücke von Kopenhagen nach Malmö oder mit der Fähre von Helsingør nach Helsingborg zu erreichen. Die einfache Zugfahrkarte von Kopenhagen nach Malmö kostet rund 10 Euro pro Person. Wer mit dem Pkw den Öresund passiert, zahlt etwa 60 Euro. Es gibt auch Kombitickets mit der Brücke über den Großen Belt oder mit Fähren von Scandlines (Puttgarden Rødby oder Rostock Gedser). Letzeres gilt auch für die Fähre Helsingør/Helsingborg.
Empfehlenswerte Restaurants und Cafés
Arilds Vingard in Arild, Mölle Krukmakeri in Mölle, Holy Smoke BBQ in Nyhamnsläge auf der Kullenhalbinsel, Swensons krog in Torekov, Norrviken Gardens in Båstad und Hotel Skansen in Båstad www.hotelskansen.se
Infos zu Schonen: www.visitsweden.de/skane