Wenn man dem Bildhauer und Goldschmied Cellini mit Aufklärung kommt – Serie: Zum Jahresübergang die alten und neuen Bücher aus vielen Bereichen (Teil 18/20)

Aufklärung also. Tatsächlich ist anders als andere Epochen, die der Entdeckungen oder Erfindung der Dampfmaschine, die Epoche der Aufklärung per se nicht abgeschlossen, sondern wir alle sind ihre Kinder in unserem Bestreben, den Dingen auf den Grund zu gehen, kritisch an etwas heranzugehen, die Götter genauso zu hinterfragen, wie die von den Menschen hervorgehobenen Koryphäen der einzelnen Wissenschaften oder der Politik, Geschichte, Gesellschaft, Kunst, auch der Sportler und anderer Leuchten.

Der vorliegende Band versucht seinen eigenen Anspruch durch eine Zweiteilung zu verwirklichen: Zum einen wird auf den Seiten 13 bis 91 in Einzeldarstellungen geklärt, wie die geistigen Strömungen für die Politik, Philosophie, Theologie, Musik, Künste und Literatur zu definieren und zu umschreiben wären. Dann werden aus diesen Bereichen Epochenzeugnisse herangezogen, die von Wieland, über Kant und Lessing, Voltaire natürlich, aber auch Friedrich Schiller und Goethe wie auch Georg Christoph Lichtenberg bis Jakob Michael Reinhold Lenz gehen. Das ist natürlich kein Buch zum Durchlesen, sondern eines, das auf dem Schreibtisch oder Nachttisch dafür geeignet ist, immer wieder in die Hand genommen zu werden, sich darin zu vertiefen, auch welche hohem geistigen und sprachlichen sowie moralisch-politischem Niveau sich unsere Vorfahren bewegten.

Paßt nicht schlecht, mit „Hitlers Künstler. Die Kultur im Dienst des Nationalsozialismus“ aus dem Insel Verlag fortzufahren. Dies hat Hans Sarkowicz herausgegeben und das Buch folgt einer Sendereihe des Hessischen Rundfunks. Ausgangspunkt ist ein Essay zur Rolle der Propaganda im nationalsozialistischen Staat, von der wir wissen, deren Mechanismen aber zu analysieren sind. Dazu gehören das politische Personal in der Kulturpolitik und die Funktionäre unter den Künstlern. Joseph Goebbels spielt dabei eine besondere Rolle und man hätte sich manchen Beitrag im Zusammenhang mit dem Film über Jud Süß gewünscht. In Einzelbeiträgen werden dann die jeweiligen Künste dargestellt, in ihrer Funktion für die Nazis und ihren Rückbezug auf sie. Denn ein Massenmedium wie der Film hatte eine andere Funktion, auch Verbreitung, als die Malerei beispielsweise. Und die Architektur wiederum eine andere. Ideologisch ausgerichtet waren alle, das erkennt man am Schluß. Eine Erkenntnis, die man schon zuvor hatte, die man nun aber mit vielen Beispielen belegen kann. Solche Bücher sind wichtig.

Geradezu harmlos und nett kommt einem dann „Die alten Griechen“ von Konrad Adam aus dem Rowohlt Verlag Berlin vor. Wenn man allerdings liest: „Dem Andenken Manfred Fuhrmanns“, dann weiß man, der Autor hat sicher bei diesem bedeutenden Altphilologen studiert und von daher mit einer solchen Widmung einen Anspruch an sich selbst. Allerdings vermag der ausübende Journalist in ihm die Sachverhalte tatsächlich in so pointierter, auch kurzweiliger Form zu vermitteln, daß sich das Buch schneller liest, als man sollte. Entschleunigung ist angesagt, um die vielen im Buch angeführten Beispiele, wie die Helden bei Homer oder die Personen in den Tragödien lieber noch einmal im Original nachzulesen, weil sich dann noch schärfer einprägt, um was es Konrad Adam gegangen ist. Wir würden schlicht dafürhalten, daß in jedem von uns ein alter Grieche steckt, wie nah uns also eine Epoche ist, die als Antike doch seit annähernd zweitausend Jahre vergangen ist.

Schon lange wollten wir über die Schandtaten dieses Künstlers berichten: Benvenuto Cellini. Kunst und Kunsttheorie im 16. Jahrhundert, hrsg. von Alessandro Nova und Anna Schreurs. Das Werk ist nämlich das Ergebnis einer kunsthistorischen Tagung in Frankfurt am Main im Jahr 2000 über Cellini anläßlich dessen 500. Geburtstags – die Gesellschaft der Freunde des Faches Kunstgeschichte der Universität heißt Cellini Gesellschaft -, die zu den Ereignissen gehörte, wo alles stimmte. Die Zusammenstellung der Vorträge, wie die Qualität der Vortragenden.

Und dennoch gab es durch eine leidenschaftliche Abfuhr von Horst Bredekamp den absoluten Höhepunkt, als dieser „Cellinis Kunst des perfekten Verbrechens. Drei Fälle“ darstellte, woraufhin diejenigen, die Teilnehmer waren, nie wieder ein Werk Cellinis sehen können ohne diese herrliche Philippika im Ohr – wie beispielsweise das Wiener Salzfaß, das damals noch nicht gestohlen war und heute – wiedergefunden – im Depot auf die Wiedereröffnung der Kunstkammer wartet.

Die Qualität der Tagung findet sich dementsprechend in diesem Band wieder, in dem es nicht nur um die Kunst, vorzugsweise um die des Goldschmiedekünstlers und Bildhauers Cellini geht, aber auch Fragen des Kunstmarktes, der Materialien, der Auftraggeber, der einzelnen Werke und vor allem die übergreifende Kunsttheorie des 16. Jahrhunderts abgehandelt wird in einer Form, die wissenschaftlich überzeugend, aber auch stilistisch lesbar geworden ist. Alessandro Nova, damals Professor in Frankfurt, heute Direktor des deutschen kunsthistorischen Instituts in Florenz, hat mit „Die Paragone-Debatte“ den Wettstreit aufgenommen, den die Künste in ihrem Anspruch, die edelste und höchste Kunst zu sein, im Grund bis heute führen.

„Das ’neue` Frankfurt“ heißt ein Band aus dem Waldemar Kramer Verlag, das im Zusammenhang mit dem Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst als Band 72 erschienen ist und zusammenfaßt, was in den verschiedenen Künsten seit dem Mittelalter in Frankfurt an innovativen Ideen sich durchsetzte. Ob das Fassbinders Frankfurt ist, das Ralf Michael Fischer dokumentiert, analysiert und bewertet – Stichworte: TAT, Filme, Theaterstück „Der Müll, die Stadt und der Tod“ – oder „Courbet in Frankfurt: 1851-2011 von Klaus Herding, der die soeben geschlossene Courbetausstellung kuratierte hatte, oder „Das schönste Gebäude der Welt“, das Henry Keazor als das Projekt der Victoria-Versicherung beschreibt, am Goetheplatz durch Jean Nouvel ein repräsentatives Bürogebäude errichten zu lassen, „Die frühe Stillebenmalerei am Main, die Jochen Sander hoch leben läßt, Christian Freigang der mit Madern Gerthener ein mittelalterliches Architekturzentrum in der Stadt konstituiert, alle elf Beiträge zeigen, wie unternehmend die Künste in dieser alten und freien Reichsstadt bis heute zu Gange sind. Die Beiträge haben ihre Grundlage in der ersten Bürgervorlesung der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

Bark/v. Nayhauss, Profile deutscher Kulturepochen. Aufklärung, Alfred Kröner Verlag 2009

Hitlers Künstler. Die Kultur im Dienst des Nationalsozialismus, hrsg. von Hans Sarkowicz, Insel Verlag 2004

Konrad Adam, Die alten Griechen, Rowohlt Berlin 2006

Benvenuto Cellini. Kunst und Kunsttheorie im 16. Jahrhundert, hrsg. von Alessandro Nova, Anna Schreurs, Böhlau Verlag 2003

Das ’neue` Frankfurt. Innovationen in der Frankfurter Kunst vom Mittelalter bis heute, hrsg. von Christian Freigang, Markus Dauss und Evelyn Brockhoff, Leiterin des Instituts für Stadtgeschichte, Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst Band 72, Waldemar Kramer Verlag 2010

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