Wenn die Jungfrau auf dem Drachen steht – ein schlaues und spannendes Sachbuch zur Suche nach dem Templerschatz

An den Wänden sollen etwa dreißig Schränke aus kostbarem Metall gestanden haben, in der Mitte des Raumes steinerne Sarkophage. Diese Grabung unter dem Wehrturm des französischen Örtchens Gisors im März 1946 führte nicht zur Auffindung des Templerschatzes, die von Roger Lhomoy laienhaft angelegten Schächte sind inzwischen längst verschüttet und Grabungen in Gisors bis heute untersagt. Berichtet Tobias Daniel Wabbel. Sein Buch „Der Templerschatz“ ist ein abenteuerlicher Bericht über eine neuerliche Such nach dem angeblichen Templerschatz. Die Fakten um das Erlöschen des berühmt-berüchtigten Ritterordens der Kreuzzugszeit sind hinlänglich bekannt. Auch die esoterisch-phantastischen Legenden, die immer wieder diesem Märchen-Stoff entsprießen und neue Spuren legen, nicht zuletzt mit Hilfe einschlägiger publikumswirksamer Verfilmungen.

Was bleibt also der Untergangsgeschichte eines Schlacht-und Betbruder-Ordens hinzuzufügen? Wabbel nimmt uns in seiner Schatzsuche mit zurück bis in die Bibeltexte des Alten Testamentes, führt uns mit Moses und der frisch gebastelten Bundeslade nach Jerusalem. Wie war das nochmal mit dem Bau des Tempels durch Salomon? Und warum hat man jahrtausendelang nichts von den heiligen Kasten gehört? Das erfrischende an Wabbels Erzählung sind die Details und Nebenwege, die er nicht verschweigt, sondern genüsslich lakonisch an- bis ausdeutet. Er selbst kurbelt in der Geschichte seiner Schatzsuche hin und wieder das Lenkrad eines PKWs, greift zu Rucksack oder Kamera und ärgert sich über Touristenschwärme in schottischen Kapellen und französischen Krypten. Dass seine eigene Reise bis zur Vollendung dieses Buches ganze 10 Jahre währte, ist dessen vergnüglichem Ton kaum anzumerken. Wabbel hat sein Handwerk gelernt. Nachdem der Autor schon ganz weit oben Außerirdischen und gar Gott nachspürte, geht er diesmal ganz weit zurück zu den ungelösten Rätseln des Abendlandes. Ganz nebenbei deutet er Wolfram von Eschenbachs „Parzival“ neu und berichtet von verunglückten Grabungsversuchen englischer Trunkenbolde in Jerusalem vor einhundert Jahren. Latein beherrscht er auch noch, deutet bibelsicher und Ikonographie-kundig ganze gotische Skulpturenparks Mitteleuropas, sehr beeindruckend! Da sei dem Autor manch gewagter Deutungsausflug verziehen. Wabbel führt und fährt schlussendlich an Sternbildern entlang ins Herz der Geschichte – die Auflösung kommt abrupt und entlässt den vor Aufregung nägelkauenden Leser so verblüfft wie ratlos”¦

So viel sei verraten, ein derart kundiges, spannendes und unterhaltsames Sachbuch zu einem scheinbar auserzählten Thema gelingt selten!

* * *

Tobias Daniel Wabbel, Der Templerschatz, Eine Spurensuche, 256 S., Gütersloher Verlagshaus, 2010, 19,99 €

Vorheriger ArtikelDer Vorsänger der Kölner Band BAP erzählt uns einen
Nächster ArtikelDie Berliner Mauer von Ostberlin aus fotografiert