Schlagworte Oper Frankfurt
Schlagwort: Oper Frankfurt
Allegro con brio – Dirigent Paolo Carignani scheut keine Herausforderungen
Berlin, Deutschland (Weltexpress). Da gab es einen neugierigen, neunjährigen Jungen in Mailand, der gerne seine Freizeit in einem großen Einkaufszentrum verbrachte, genau genommen in...
Leidenschaft der Liebe – Die neue Frankfurter “Carmen”
Frankfurt am Main, Hessen, Deutschland (Weltexpress). Es gibt Menschen, so heißt es, die sind nicht tot zu kriegen. Wie Bizets Carmen in der Frankfurter...
Wie man die Romantik schon mit dem Bühnenbild austreibt – Premiere...
Frankfurt am Main (Weltexpress) - Also, in Frankfurt ist ein Phänomen zu bestaunen. Da gibt es nach vielen Jahren eine Neuinszenierung dieser musikalisch hinreißenden und thematisch dramatisch das Künstlerschicksal aufweisenden Oper, in der alles perfekt erscheint, ein übersichtliches, ja geradezu klinisch antiseptisches Bühnenbild (Boris Kudlicka), rotzbunte Kostüme (Arno Bremers), ein vielstimmiger Chor (Matthias Köhler), eine logische Inszenierung (Dale Duesing, eigentlich Bariton), ein schwelgerischer Klang aus dem Orchester (Roland Böer), einen stimmgewaltigen und auch durchhaltenden Tenor als Hoffmann (Alfred Kim) und drei so schön singende Damen wie Brenda Rae als Olympia, Sylvia Hamvasi als Antonia – übrigens tags zuvor eingesprungen, eine tolle Leistung – und Claudia Mahnke als Giulietta und auch die anderen Partien hervorragend besetz, alles also perfekt und mit brausendem Schlußbeifall entlohnt – und trotzdem, und trotzdem wird man nicht froh, denn es stimmt irgendetwas nicht und dieses irgendetwas ist das Eigentliche, das mit der Welt nicht zurechtkommende künstlerische Genie Hoffmann, der nur im Trunk noch den Rausch erlebt, der ihm als Erzromantiker doch das Leben und die Kunst bieten müßten.
Auch die neuen Premieren versprechen Spannung und Qualität – Die Oper...
Frankfurt am Main (Weltexpress) - Das ist längst schon wieder so, daß die Musikkenner sich die Programme der neuen Spielzeit in Frankfurt rechtzeitig anschauen, um in ihrer Jahresplanung an wichtigen Musikereignissen nicht zu spät zu kommen. Das mag Jüngeren undurchschaubar sein, warum man noch heute die Qualität der Frankfurter Opern unter Michael Gielen, seinem Dramaturgen Klaus Zehelein, der die zehn Gielenjahre in Frankfurt dann nach Stuttgart weitertrug, warum also diese Jahre mit der heute schon sagenhaften Regisseurin Ruth Berghaus aus der damaligen DDR und ihrem so tief unter die Haut gehenden Wagnerschen „Ring“ und der Inszenierung, die das Regietheater zum Blühen brachte, „Aida“ von Hans Neuenfels, warum das alles zum Maßstab für alles Kommende wurde und bleibt. Längst hat eine fürsorgliche Ensemblepolitik der Frankfurter Oper unter Intendant Bernd Loebe dieses in den 90er Jahren ins Schlingern geratene ’Kraftwerk der Gefühle` in besucherfreundliche Gewässer geführt und dies nicht wegen irgendeiner Anpassung an geglaubte geglättete Opernprogramme und Inszenierungen, sondern infolge höchster musikalischer und szenischen Ansprüche, die auch Raritäten der Musikgeschichte nicht ausläßt.
Menschenmaß: Vom verliebten Gockel zum sozialen Aufsteiger, arbeitswütigen Neureichen und Gangsterboß...
Frankfurt am Main (Weltexpress) - Schizophren. Schizophren ist es jedes Mal von Neuem, wenn man Opern, deren Aufführungen man x-mal gesehen hat, so anschaut, als ob es das erste Mal wäre und auch so bespricht. Erst recht schizophren beim ’Rheingold`, das den Untergang von Wagners Tetralogie vorbereitet soll, der dann in der „Götterdämmerung“ das Ende der Welt beschert - und auf jedes Ende einen neuen Anfang nötig macht - , wenngleich nicht immer so dramatisch wie in New York unter der Regie des Wiener Otto Schenk, wo in den Neunzigern die mythischen Mauern der Götterburg Walhall mit lautem Getöse und echtem Feuer zusammenbrachen. Das ist in Frankfurt nicht zu erwarten, denn das Bühnenbild von Jens Kilian ist ein kühles, technisches Abstraktum, das - so meinen wir – wesentliche Teile der Regie von Vera Nemirova mitübernommen oder doch zumindest vorgegeben hat. Eine aufs Menschenmaß getrimmte Welterschaffungserzählung, was man sowohl positiv: der Mensch im Mittelpunkt, wie auch negativ: Reduktion des Mythos auf menschlich Banales und Modisches verstehen kann. Und genauso durchwachsen sind unsere Eindrücke.
Kindesmißbrauch schon bei den griechischen Göttern, aber wie! – Die selten...
Frankfurt am Main (Weltexpress) - Regisseur Claus Guth und Dirigent Sebastian Weigle heißen die beiden Herren, die dieser musikalisch als „süßlich“ verschrienen Oper um das Nymphchen Daphne einen herben Gegenwartsklang geben, der es in sich hat. Und man kann ihrer Lesart der Verwandlungsgeschichte der durch den Lichtgott Apoll verfolgten Nymphe nichts entgegensetzen, vor allem, wenn das so folgerichtig inszeniert, so von der Musik und einem hervorragend musizierenden Orchester gestützt und als Allerwichtigstes: von der hinreißenden Schauspieler-Sängerin Maria Bengtsson so überzeugend geboten und gesungen wird: das Schicksal der Daphne als mißbrauchtes Kind.
„Familienbande“ mit einem Beigeschmack von Wahrheit – Benjamin Brittens „Owen Wingrave“...
Frankfurt am Main (Weltexpress) - Nach der atemlosen Beklemmung, in den der perfekt inszenierte und berührend gesungene zweite Akt dieser als Fernsehoper konzipierten Kammeroper die Zuhörer und Schauer im Bockenheimer Depot versetzte, brandete riesiger Beifall auf. Beim ersten Zeigen vor dem Vorhang. Beim zweiten Mal allerdings war laut und deutlich auch ein-zwei-drei Buhs zu hören. Nun finden wir das immer gut, wenn Zuschauer sich Luft machen, sei es durch „Bravo, Brava“ oder eben Mißfallensäußerungen. Letztere kann man meistens einordnen, in Gegner von Regietheater, oder gegen das Rampensingen, oder sonstwas. Aber diesmal ließen uns die ’Buhs` ratlos. Denn selten kann man eine so geschlossene, stringente und überzeugende, noch dazu werkgetreue Inszenierung sehen, wie diesen zweiten Akt, der das Drama zu Ende führt, das begann, als der Sproß einer 300jährigen Offiziersdynastie Owen Wingrave „Nein“ sagt zu seiner vorgesehenen militärischen Karriere und mit seiner Kriegsdienstverweigerung den Familienkrieg auslöst – und ihn verliert. Als Toter. Also gehen die Buhs auf die Rechnung des Komponisten, entschieden wir, aber toten Komponisten wird in der Regel kein Buh beschert?
„Verweile doch, du bist so schön”¦“ – Wieder wie neu an...
Frankfurt am Main (Weltexpress) - Zugegeben, jeder würde sich freuen, würde ihm ein liebgewordener Mensch den berühmten Satz von Faust zuraunen, gleichwohl bezieht er sich auf den Augenblick, der, wenn ihn Faust als intensivstes Lebensgefühl so ewiglich festhalten möchte, bedeutet, daß er dem Mephisto Seele und Leben überantwortet. So hoch müssen wir die zweite und gleichzeitig letzte Wiederaufnahme der Faustversion von Arrigo Boito (1842-1918) nicht hängen, wollten aber doch deutlich zum Ausdruck bringen, daß uns die Aufführung gut gefallen hat und wir jetzt schon bedauern, daß in der nächsten Saison keine weiteren folgen. Am 16. Mai 2004 war damals die Premiere und Bühnenbild und Inszenierung sind es auch, die erst einmal das Publikum in Bann schlagen, ja fast erschlagen. Nicht umsonst ist im Programmbuch Padua im Bild zu sehen, wo es den ersten anatomischen Seziersaal der Welt gab – übrigens zu Zeiten, als die Katholische Kirche das Aufschneiden von Leichen noch verboten hatte - , denn die über die Bühnenbreite rotierende Drehbühne zeigt einen solch ansteigenden Vortragssaal auf der einen Seite und auf der anderen Rundseite verschlossene oder offene Eingänge, wie sie in römischen Theatern wie der Arena von Verona üblich sind.
Novemberelegie oder auch: Aufzeichnungen aus einem Totenhaus – Die Oper Frankfurt...
Frankfurt am Main (Weltexpress) - Wie die Faust aufs Auge. So gerierte sich das Wetter, als diese 1920 mit großem Erfolg uraufgeführte Oper des von den Nazis vertriebenen und 1897 in Brünn geborenen, also erst 23 jährigen Korngolds in Frankfurt Premiere hatte: Regen und Wind, Wind und Regen. Aber während man draußen naß wurde, war es im Opernhaus drinnen durchaus heimelig, denn das hat was, das Wehklagen und um die eigene Achse Drehen bei anderen zu verfolgen, die Obsessionen und Verzweiflungen dieser anderen sind immer interessanter als die eigenen, denn sie gehen vorbei, und wüßte man nicht selber, daß Liebe und Tod weh tun, jedes für sich und potenziert dann zusammen noch mehr, dann hätte das etwas rein Geschmäcklerisches, was wir da auf Bühne so wohllautend und schön anzusehen erleben. Denn ästhetisch, hochartifiziell und klug-geschickt inszeniert (Anselm Weber) kommt diese Dekadenz daher, wie aus einem Guß und das ist paradoxerweise auch die einzige Kritik, die wir an dieser Aufführung haben, in der alles stimmt und schlüssig ist, sehr gut gesungen, meist gut gespielt wird, mit herrlichen Nebenrollen garniert, mit vielseitigen Chören, Männer, Frauen und Kinder und einem Orchester, das seinem Dirigenten Sebastian Weigle gewissermaßen zuschnurrt: der eine Guß.
Zur rechten Zeit, aber dennoch spröde – Christof Nel inszeniert Hartmanns...
Frankfurt am Main (Weltexpress) - Es gibt so Koinzidenzen, die den Anschein einer absichtsvollen Begegnung haben, aber dennoch rein zufällig sind, es sei denn man würde den Zeitgeist bemühen und tut man das, wird es richtig interessant. Es geht um die Gleichzeitigkeit einer Aufführung der heute sehr selten gespielten Oper „Simplicius Simplicissimus“ von Karl Amadeus Hartmann - einem derer, die in innerer Emigration das Dritte Reich überstanden und bei ihm, dem Antinazi stimmt dieser Terminus auch – und der Neuübersetzung des Grundlagenwerkes über den Dreißigjährigen Krieg aus der Zeit selbst, eben „ Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch“ von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen aus Gelnhausen, 1668/69 erschienen, ins heutige Deutsch gebracht durch Reinhard Kaiser in der anderen Bibliothek im Eichborn Verlag, aber auch der gerade erfolgten Neuauflage „Der Dreißigjährige Krieg“ als Inseltaschenbuch, der erschütternden Chronik der Ricarda Huch, die nicht nur den Nobelpreis erhielt, sondern deren Bücher Beststeller in Deutschland waren, bis die Nazis dem ein Garaus machten. Und ist man schon dabei, sollte man Friedrich Schiller mit seiner dreibändigen Geschichte des Dreißigjährigen Krieges auch erwähnen, weil dies eine hinreißend geschriebene, an den Fakten orientierte Darstellung bleibt.