Berlin, Deutschland (Weltexpress). „Das Verschwinden des Dr. Mühe“ von Oliver Hilmes ist eine 240 Seiten umfassende Kriminalgeschichte aus der Zeit, als aus der Deutschen Arbeiterpartei, die am 5. Januar 2019 in München gegründet wurde, also kurz nach der Novemberrevolution, schon längst die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei geworden war. Das war etwas über ein Jahr später und zwar am 24 Februar 1920.
In der Tat war die DAP eine Deutsche Arbeiterpartei. Ihr Vorsitzender, Anton Drexler, war Sohn einer Eisenbahnarbeiters. Er wuchs also in einer klassischen Arbeiterfamilie auf. Zudem arbeitet er von 1902 bis 1923 als Werkzeugschlosser. Im September 1919 trat Adolf Hitler der DAP bei. Hitler ein Arbeiter? Der junge Mann war eher ein linker Tunichtgut, der am 19. April 1919 zum stellvertretenden Soldatenrat gewählt wurde. 13 Jahre später landete Adolf Hitler wieder auf dem zweiten Platz. 1932 verlor er die Reichspräsidentenwahl als Mitglied der NSDAP und zwar in beiden Wahlgängen. Im zweiten Wahlgang am 14. April 1932 verlor Hitler (NSDAP mit DNVP) gegen Paul von Hindenburg, hinter dem sich Mitglieder von SPD, DDP, Zentrum, BVP, DVP stellten. Ernst Thälmann mit KPF und SAPD landete abgeschlagen auf dem dritten Platz. Daß Hindenburg als Präsident Hitler am 30. Januar 1933 zum Kanzler ernannte, das war – gelinde gesagt – nicht nötig. Schon bei der zweiten Wahl 1932 verlor die NSDAP 2 Millionen Stimmen, allerdings sank auch die Wahlbeteiligung. Erst als Hindenburg Hitler zum Kanzler machte, gewann die NSDAP am 5. März 1933 43,9 Prozent der abgegebenen Stimmen und konnte mit der DNVP koalieren. Die Gewaltenteilung und Rechtsstaat, Parteien und Parlamente, also die parlamentarische Demokratie, wurden von diesen Arbeiter- und Sozialistenpartei abgeschafft. Die politischen Vertretungen der Lohnarbeiter, die Gewerkschaften, wurden für immer zerschlagen und alle Verbände gleichgeschaltet.
Unter Faschismus mag man viel verstehen, aber die Zerschlagung der Gewerkschaften und die Gleichsetzung ihrer Interessen mit denen des Kapitals in einem Staat des Kapitals, das ist das Entscheidende. Für diese dem Großkapital und der Hochfinanz versprochene Zerschlag der Arbeiterorganisationen und Arbeiterparteien bekam die NSDAP Geld und andere Gaben, aber keine systematische Finanzierung und Förderung, denn die Kapitalisten wollten keine sozialistische Regierung. Geld für die NSDAP kam vor allem von kleinen und mittleren Kapitalisten, weniger von großen. Letztere wollten zwar klare, stabile Verhältnisse, einen starken Staat sowie keine oder kleine Arbeiterorganisationen und Arbeiterparteien, aber keinen Staatsinterventionismus zu ihren Lasten. Im Laufe der Wahlkämpft 1932 wechselten immer mehr Kapitalisten das politische Blatt. Im Frühjahr 1933 hielten sie die Karten der NSDAP in Händen, manche allerdings schon 1929. Die Organisationen und Parteien des deutschen Risorgimento bekamen weniger, die NSDAP, deren Führer die Zerschlagung der Arbeiterorganisationen und Arbeiterparteien versprachen, mehr. Ab 1933 bauten sie das Deutsche Reich mächtig gewaltig um.
Am Ende dieser Zeit des Umbaus und vor dem Beginn des nächsten Großkrieges, den die gewaltigsten Feinde der Deutschen, die an der Wall Street und in Washington sowie in der City of London und in Westminster, wollten, weil sie ihr Werk 1918 aufgrund eigener Schwäche nicht vollenden konnten, aber mit dem Schanddiktat von Versailles vorbereiteten, verschwindet Erich Mühe, ein angeblich angesehener Arzt, über Nacht im Juni 1932 spurlos von der Bildfläche. Dessen „Sportwagen wird verlassen am Ufer“ des Sacrower „Sees bei Berlin gefunden“, heißt es beim Penguin-Verlag zur Kriminalgeschichte aus dem Berliner der 1930er Jahre und weiter: „Die Mordkommission ermittelt und stößt hinter der sorgsam gepflegten Fassade des ehrenwerten Doktors auf die Spuren eines kriminellen Doppellebens, das von Berlin nach Barcelona führt. Oliver Hilmes hat die Akten dieses aufsehenerregenden Kriminalfalls aus der Spätzeit der Weimarer Republik im Berliner Landesarchiv entdeckt. Auf der Basis dieser Dokumente und angereichert mit fiktionalen Elementen, setzt er das mysteriöse Puzzle zusammen. Auf packende Weise und höchst raffiniert erzählt er von der Suche nach Wahrheit und von den Abgründen der bürgerlichen Existenz am Vorabend der Diktatur.“
Doch die „packende Weise“ ist die eines Ede Zimmermann in „Aktenzeichen XY“. Die Fakten stimmen, aber die Fiktion ist Dreigroschenroman. Hilmer mag gut in alten Briefen und Fotobüchern stöbern und fleißig schreiben könne, vor allem über andere wie Alma Mahler-Werfel und Cosima Wagner, Liszt und Ludwig II., er sucht, sammelt und sortiert, aber in Raum und Zeit hüpfende Phantasie ist scheinbar nicht so seins, dafür die Chronologie von Ereignissen, die er unter anderem aus dem Landesarchiv Berlin zu haben scheint, und Authentizität. Wohl wahr, das Buch ist eine Kriminalgeschichte, kein Kriminalroman.
Bibliographische Angaben
Oliver Hilmes, Das Verschwinden des Dr. Mühe, Eine Kriminalgeschichte aus dem Berlin der 30er Jahre, 240 Seiten, fester Einband mit Schutzumschlag, Format: 13,5 x 21,5 cm, Verlag: Penguin-Verlag im Konzern Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, München, 1. Auflage, 30.8.2020, ISBN: 978-3-328-60138-8, Preise: 20 EUR (Deutschland), 20,60 EUR (Österreich), 28,90 SFr