Sieh einmal, hier steht er. Pfui! Der Struwwelpeter! – Serie: Zum Zweihundertsten Geburtstag: der Heinrich Hoffmann Sommer 2009 in Frankfurt am Main (Teil 1/10)

Sie sehen eines der berühmtesten Buchdeckel der Welt!

Deshalb hatte der Arzt Heinrich Hoffmann sich dann auch die Abende hingesetzt und für seinen Ältesten, den dreijährigen Karl Philipp dieses Buch DER STRUWWELPETER gedichtet und illustriert – als Weihnachtsgeschenk! Daraus ist ein Geschenk für die ganze Welt geworden. 1 500 Bücher ließ er 1845 mit dem Pseudonym Reimerich Kinderlieb drucken. Schon bald hatte es die 100. Auflagen, heute soll sie bei 540 liegen, und noch heute werden jährlich in allen Sprachen 30 000 Exemplare des Kinderbuches produziert. DER STRUWWELPETER ist das bekannteste Bilderbuch rund um die Welt.

Aber seinen Schöpfer, der von sich in seinen Lebenserinnerungen (1809-1894) zudem gesagt hat, „Ich habe mich nicht eigentlich für einen Dichter, sondern nur für einen Gelegenheitsversemacher gehalten“, den kennen nur wenige und selbst in Frankfurt ist noch viel zu wenig bekannt, welche Meriten er sich erworben hat, dieser aufrechte, der Wissenschaft und der Humanität verpflichtete Bürger, der im besten Bürgersinn sich in alle Belange des Gemeinwesens Frankfurt einschaltete. Und zwar zu dessen Vorteil. So steckt auch ein klein wenig Ironie der Geschichte darin, daß die Haltestelle zu dem Zentrum für Psychiatrie der Universitätsklinik Frankfurt im Stadtteil Sachsenhausen, die nach ihm benannt ist, weil er die Psychiatrie in Frankfurt als Wissenschaftler und Mediziner erst begründete, heute heißt: Heinrich-Hoffmann-Straße/Blutspendedienst.

Dieser Heinrich Hoffmann war wahrlich ein gesellschaftlicher Blutspender und wenn die Stadt Frankfurt nun zu seinem 200. Geburtstag einen ganzen Heinrich Hoffmann Sommer ausruft, so wird sich noch zeigen, wie recht sie damit hat, denn der Mann war ein Tausendsassa und hat mit Mut und Kraft in seinem Metier – und bei einem Arzt geht es immer ums Leben und Überleben, also um alles – die Welt verändert und dumpfe sowie inhumane Verhältnisse, die man leichtfertig als mittelalterliche bezeichnet, ausgemerzt. Ein Arzt ist auch der Fachmann für den Tod. Und damit begann der Presserundgang. Mit seinem Grab auf dem Frankfurter Hauptfriedhof. Sie kommen hin, wenn Sie den alten Eingang benutzen, erst einmal geradeaus gehen, dann halbrechts den Lebensbaumweg einschlagen, dort gleich die erste Straße rechts abbiegen, ganz kurz bis zur Mauer, wo Sie wiederum nach rechts gehen und sofort vor dem Grabstein stehen: Heinrich Hoffmann 13. Juni 1809 – 20. September 1894.

Ein schöner Platz. „Wissen führt zum Glauben“ steht da und man mag sich gerne vorstellen, was Heinrich Hoffmann zu den heutigen Kreationisten (Glauben verhindert Wissen) alles eingefallen wäre an Sprüchen und Sottisen, denn er war ein Spötter, einer, der nicht mit dem verbalen Hammer daherkam, sondern mit dem Florett sprachlich focht. Aufrecht und im Stehen. Und komisch dazu. Das konnte der Kabarettist Michael Quast, der des Frankforterischen mächtig ist, exquisit vorführen, denn eigentlich hat Heinrich Hoffmann zu allem etwas zu sagen. Witzig ist das immer, sein Wortedrehen und Worteverdrehen. Aber auch wahr und vieles sehr ernsthaft. Dies kann man gut an „Hoffmanns LebensWeg“ verfolgen. Dazu haben zwei Historikerinnen und drei Gestalterinnen zwölf Bänke entwickelt, die sie in der Stadt dort aufstellten, wo jeweils eine der Lebensstationen von Hoffmann wurzelte, die wir im Folgenden berühren.

Wir waren zu Beginn ja schon bei seinem Tod angelangt und kratzen jetzt die Kurve zurück zu seiner Geburt. In der Sauallee ist er geboren und die kennt in Frankfurt kein Schwein. Aber die Freßgaß, wie sie heute heißt, die kennt jeder, die kurze Verbindung zwischen Hauptwache und Opernplatz. Eine prominente Adresse, die offiziell Große Bockenheimer Straße heißt. Wer dort wohnte, hatte wie der kleine Heinrich einen Architekten zum Beispiel zum Vater, ging aufs Gymnasium und studierte. Hoffmann tat das in Heidelberg und wählte sich Medizin und setzte den Doktor in Halle drauf. Dann ging er erst mal nach Paris, bis er das Angebot der freien Reichsstadt Frankfurt annahm, als Arzt am Leichenschauhaus auf dem Friedhof in Sachsenhausen tätig zu werden. Gleichzeitig machte er eine eigene Praxis als Geburtshelfer und praktischer Arzt auf und den Rest der Zeit betreute er Patienten in der Armenklinik, Kranke also, die mittellos waren, aber einen Arzt brauchten, wozu er sich ohne Bezahlung mit weiteren Kollegen bereit hielt.

Dieses war der erste Streich und der zweite folgt sogleich.

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Gängige Struwwelpeterausgaben:

Der Struwwelpeter. Mit einem Nachwort von Peter von Matt, Reclam, Stuttgart 2009

Der Struwwelpeter, Schreiber, Esslingen 1992

Bis zu seinem Todestag am 20. September werden in Frankfurt viele Ausstellungen diesen Heinrich Hoffmann Sommer begleiten, auf die wir noch eingehen.

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