„Rotor“ bewirkt Rotieren, das Kreisen um etwas, hier die Musik – Festival der Gegenwartsmusik für die Metropolregion Rhein Main vom 25. bis 27. September in Frankfurt am Main, unterstützt von den Kulturfonds Frankfurt Rhein Main

Hermann Kretzschmar

Dieter Rexroth war damals in der Alten Oper in Frankfurt am Main für das Musikprogramm verantwortlich und das in einer Zeit, wo das öffentliche Geld noch für Musik ausgegeben wurde und die Stadt Frankfurt sich gerne mit dem Emblem ’Musikstadt’ schmückte, der eben Dieter Rexroth mit seinen FRANFKURT FESTE von 1991 bis 1995 und vielen subventionierten Veranstaltungen Zucker gab. Denn das war auf einmal in aller Munde und ein Ausweis der eigenen Modernität, wenn man diese Konzerte besuchte. Die Subventioniererei im großen Stil ist länger vorbei, aber das Genre der Gegenwartsmusik wird durch mindestens drei Institutionen im Rhein Main Gebiet hochgehalten, die nun unter dem Anspruch ROTOR hierzulande einen internationalen Leuchtturm unter den Fittichen der Kulturfonds Frankfurt Rhein Main vom 25. bis 27. September errichten: das Festival der Gegenwartsmusik in Frankfurt am Main.

Gelingen kann das nur, weil tatsächlich in dieser Region sich musikalische Juwelen befinden. Das Ensemble Modern muß man Kennern nicht vorstellen, aber für die Hörer von morgen sei hinzugefügt, daß sich dieses 1980 als Solistenensemble mit Sitz in Frankfurt am Main zusammenfügte, um zeitgenössischer Musik eine Plattform zu geben. Dazu gehören die Auftritte in der Alten Oper, darunter das legendären Musikzieren mit Frank Zappa, aber auch die Konzerte in der Oper Frankfurt. Zweiter Partner ist das Internationale Musikinstitut Darmstadt (IMD), die nicht für Veranstaltungen außerhalb bekannt sind, dafür um so mehr für die Darmstädter Ferienkurse, die seit 1946 im Jagdschloß Kranichstein als „Internationale Ferienkurse für Neue Musik“ alle später berühmten Komponisten der Gegenwart versammelten. Edgard Varèse und Ernst Krenek, Bruno Maderna, Luigi Nono, Nam June Paik, John Cage, Pierre Boulez, Karlheinz Stockhausen und Michael Gielen sind illustre Namen, aber nur die Spitze des Eisbergs einer musikalischen Avantgarde, die eine Sprache entwickelte, die der Gegenwart zu vermitteln ist, so wie man eine neue Sprache lernen muß.

Das heißt in erster Linie, heute komponierte Musik öffentlich aufzuführen. Eine ausgezeichnete Idee deshalb, den Sachverstand des Instituts, das zudem mit rund 35 000 die bedeutendste Partiturensammlung zeitgenössischer Musik hat, zu nutzen und damit auch außerhalb der Ferienkurse das Spielen und das Hören Neuer Musik zu schulen und zu genießen. Eigentlich war es, was ROTOR angeht, das neue, 2009 erstmals stattfindende Festival der Gegenwartsmusik, sogar andersherum: Die Idee selbst entstand in Darmstadt und fand bei den Partnern großes Interesse. Dazu gehört auch die Musikhochschule Frankfurt, die offiziell „Hochschule für Musik und darstellende Kunst“ heißt, die derzeit aus allen Nähten platzt, weil sie sich einen guten Namen gemacht hat und als Aufführungsort genauso dient wie die Aufführungspartner Alte Oper und das Künstlerhaus Mousonturm in Frankfurt am Main, wobei Medienpartner der Hessische Rundfunk ist.

Das Wochenende vom 25. bis 27. September wird fünf Konzerte bringen und in einem Symposium, veranstaltet vom IMD, am Samstagvormittag ab 10 Uhr „Landmarken“ setzen: „Neue Musik in der Rhein-Main-Region. politisch – historisch – ästhetisch“. In acht Kurzreferaten wird mit musikalischer Unterstützung – Klaviermusik von Karlheinz Stockhausen, Martin Schüttler, Ernstalbrecht Stiebler, der so lange für den Hessischen Rundfunk Motor für Neue Musik war, und Hannes Seidl, wobei Letzterer eine Uraufführung beisteuert: „Aus Anlaß den Auftraggeber enttäuschen, um ihn zu erfreuen“. Das kostenlose Symposium findet im Finkenhof statt, einem architektonischen Kleinod in der Finkenhofstraße, stadtnah.

Die Konzerte werden als Konzertprojekte bezeichnet und zum Ensemble Modern gehört die Tochter oder der Sohn in Form der Stipendiaten der Internationalen Ensemble Modern Akademie (IEMA). Am Freitag ist die Musikhochschule um 20 Uhr Ort der Aufführung des Ensemble Modern unter dem Dirigat von Franck Ollu mit Kompositionen von Edgar Varèse (1883-1965) und Luigi Nono (1924-1990) einerseits und Varèse und Iannis Xenakis (1922-2001) andererseits. Am Samstag findet ebenfalls in der Musikhochschule um 19.30 Uhr durch die Internationale Ensemble Modern Akademie und die Masterstudiengänge der Hochschule Aufführungen von Joji Yuasa (1929 geb.) und Helmut Lachenmann (1966) sowie Kija Saaraho (1952), Joji Yuasa und Unfuk Chin (1961) in Anwesenheit von Joji Yuasa.

Am Sonntag, 27. September, findet um 12 Uhr in der Alten Oper eine Aufführung statt von Stücken von Bernd Alois Zimmermann (1918-1970), Karel Goeyvaerts (1923-1993) und Pierre Boulez (1925) unter dem Dirigat von Franck Ollu und Hermann Kretzschmar und Ueli Wiget am Klavier. Schon um 16 Uhr geht es in der Hochschule weiter mit der Ensemble Akademie und den Masterstudiengängen und Aufführungen von Luciano Berio (1925-2003), Helmut Lachenmann (1935) und Pierre Boulez (1925). Am Sonntagabend um 21 Uhr wird in das ROTOR Festival aufgenommen die Aufführung im Künstlerhaus Mousonturm „Eislermaterial“, das Heiner Goebbels 1998 konzipierte und das vom Ensemble Modern mit dem Schauspieler Josef Bierbichler geboten wird.

ROTOR wird als Festival der Gegenwartsmusik in der Metropolregion Rhein Main zum ersten Mal durchgeführt, soll aber der Auftakt zu einer jährlichen Reihe werden. Dies ist ganz im Sinne der für solche Kooperationen 2007 geschaffenen Kulturfonds Frankfurt Rhein Main, die nicht nur finanziell dies Festival ermöglichen, sondern deren Aufgabe es ist, derartige kooperative Initiativen zu initiieren, die aus eigener Kraft einer Institution allein nicht zu leisten wäre. Nach der Sensation der Seiltanzgruppe „Le Fil Sous La Neige“, die der Tigerpalast Frankfurt als erstes Leuchtturmprojekt der Kulturfonds im August durchführte, wird das ROTOR Festival das zweite sein.

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Info:

Karten erhältlich über den jeweiligen Aufführungsort, Internationales Musikinstitut Darmstadt, Telefon: 06151-132416, Internet: www.imd.darmstadt.de/rotor, Email: imd@darmstadt.de

Ensemble Modern, Telefon: 069-94343020, Internet: www.ensemble-modern.com

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