Wien, Österreich (Weltexpress). So etwas passiert einem nur in Wien: Die Dame, die wir im U-Bahnhof Karlsplatz nach dem richtigen Ausgang zum „Theater an der Wien“ befragten, konnte uns nicht nur helfen, sie wollte auch gleich wissen, was wir denn sehen würden. Unsere Antwort, es sei Rossinis Elisabetta quittierte sie umgehend mit der Feststellung, die habe sie am Dienstag gesehen und sie sei hervorragend. Die Dame sollte Recht behalten!
Der unvorbereitete Besucher musste sich nach den ersten Takten der Ouvertüre fragen, ob er in der falschen Vorstellung sitze, denn was hier gespielt wurde kennt man eindeutig als das Vorspiel zum Barbiere di Sevilla. Aber es hatte schon seine Richtigkeit: Der erst 23-jährige Rossini, der mit dieser Oper sein erstes Auftragswerk für die Opera di San Carlo in Neapel ablieferte und sich damit auch seinen Durchbruch beim dortigen Publikum sicherte, hatte keine Skrupel, die offensichtlich so geglückte Ouvertüre wie auch diverse Arien in späteren Werken wieder zu verwenden.
Rossini hatte schon bei der Komposition die Stars im Auge, die in San Carlo singen sollten: die berühmte Sopranistin Isabella Colbran (die er später heiraten wird) und den Heldentenor Andrea Nozarri. Die Besetzung des Wiener Abends, Andrea Deshorties als Elisabetta und Norman Reinhardt als Leicester, Barry Banks als Norfolk und Ilse Eerens als Mathilde zeigten sich den Vorbildern gewachsen, gleichermaßen im musikalischen Format wie auch in der spielerischen Leistung.
Beeindruckend, wie bei dem Inszenierungskonzept von Amélie Niermeyer Personenführung und Bühnengestaltung zusammenspielten. Das Bühnenbild (Alexander Müller-Elmau) kommt völlig ohne Requisiten aus (Ausnahme: ein Dolch). Große, über die ganze Höhe reichende lederartig-erdige Prospekte, durch congeniale Lichtregie mit immer neuem Charakter ausgestattet, gleiten hin und her, wölben sich und weichen zurück und gliedern die Bühne damit in immer neue Räume, in denen sich das Schicksal der unglücklich liebenden englischen Königin vollzieht. Gespielt und gearbeitet wird dann mit den Kostümen (Kirsten Dephoff). Eher ironisierend, wenn die gefangenen Schotten in Harris-Tweed erscheinen und der tragisch zwischen den Fronten stehende Leicester im „Dobrindt-Karo“ auftritt, aber genial, wenn es um die in sich zerrissene und getriebene Königin geht. Für sie stehen verschiedene Gestelle mit historischen Prunkkleidern auf der Bühne oder werden herbeigerollt, die Farben passend zu Anlass und Seelenlage in prunkhaftem Rot, jungfräulichem Weiß oder Trauerschwarz. In diese Kleider kann die Königin hineinschlüpfen, Halt suchen, sich dorthin flüchten oder sie verlassen, wenn sie Frau und Mensch und keine Charaktermaske sein möchte.
Im Unterschied zum Schiller´schen Drama geht die Oper gut aus. Es fließt nur das Blut des Schurken Norfolk, die Liebenden können zusammenbleiben und Elisabeth stellt sich ihrer historischen Aufgabe. Das Vergnügen bleibt also ungetrübt.