Raub und Restitution – Serie: Kulturgut aus jüdischem Besitz von 1933 bis heute im Jüdischen Museum in Frankfurt (Teil 1/3)

Bei der Eröffnung kam aber auch zum Tragen, daß es objektive Gründe gibt, – die neben Schlamperei und der Gesinnung, die lange offiziell galt, geraubte Kunst durch geringfügige Geldzahlungen abzugelten, mit dem Argument, die heutigen Besitzer hätten diese rechtmäßig erworben und sollten die erworbene Kunst behalten, – eine Rückführung der Kunst durchzuführen. Was macht man, wenn der nationalsozialistische Vernichtungswille ganze Familien auslöschte und kein Erbe vorhanden ist. Was macht man, wenn ganze Dörfer ermordet wurden und die Kultgegenstände und die Dinge aus Privatbesitz herrenlos geworden sind. Was macht man, wenn Synagogen ausgeraubt und zerstört wurden, aber die jüdischen Gemeinden längst nicht mehr bestehen.

Das sind echte Fragen, aber sie dürfen nicht verdecken, daß es eine große Anzahl von Kunst- und Kultgegenständen gibt, deren rechtmäßige Besitzer leichter zu ermitteln wären. Wer je sich auf den Weg gemacht hat, ein entwendetes Gemälde beispielsweise aufzuspüren, weiß welche Sisyphosarbeit dies ist. Wir hatten das in Wien für die jüdische Freundin einer Tante auf der Suche nach einem Bild des Renaissancemalers Bassano „Die Beschneidung“, das noch 1947 in Wien in einem öffentlichen Museum gesehen worden war, durchgezogen, aber nach einem Jahr entnervt aufgegeben. Keiner ist es gewesen, keiner hat etwas gesehen, die Beweislast muß der führen, der ja entweder ermordet wurde oder nun im Ausland lebt oder an die hundert Jahre alt ist.

Da tut es gut, solch eine Ausstellung anzuschauen, in denen es wenigstens einigen gelungen ist, geraubtes Gut zurückzuerhalten. Das Stichwort „Raub“ im Titel der Ausstellung steht dort zu Recht und trotzdem muß man es erläutern, denn die Juristen sprechen eine andere Sprache und nennen den Sachverhalt umfassend „verfolgungsbedingten Entzug“. Aus gutem Grund. Denn damit sind auch die erfaßt, denen die Kunst nicht gestohlen wurde, sondern die man unter Druck setzte, ihre Kunstwerke zu verkaufen, sei es, daß man ihnen freies Geleit zusicherte oder überhaupt nichts. Die Erpressung, verkaufen zu müssen, sonst passiere etwas, langte meist. Und der Geldwert war ein geringer. Die fiesen Enteignungsprozeduren waren vielfältig und galten lange als rechtlich in Ordnung, aber schon lange hat sich international, aber auch in Deutschland die neue Erkenntnis durchgesetzt, daß nicht eine angebliche Wiedergutmachung angesagt ist, sondern die Rückgabe.

Und diese Fälle, auf Frankfurt bezogen, zeigt die Ausstellung. Acht Beispiele sind zusammengekommen und da hat man eine Menge Lesearbeit, denn es ist eine historisch hervorragend dokumentierte Ausstellung, die aus dem Berliner Jüdischen Museum kommt, wo alle 15 Fälle, die auch der Katalog aufweist, ausgestellt waren. Es beginnt mit Corinths „Römischer Campagne“ von 1914, die Kurt Glaser gehörte. Nein, kein ordentlich geschichteter Cezanne, sondern eine wilde Landschaft, mit dickem Pinsel und dicken Farben auf die Leinwand geworfen. Wer ist Kurt Glaser? Liest man alles durch, glaubt man dann, ihn gekannt zu haben, diesen Bohemien des Berliner Kulturlebens, der 1924 Direktor der Staatlichen Kunstbibliothek wurde und mit Ernst Ludwig Kirchner, Edvard Munch und Max Beckmann, der ihn porträtierte, gut bekannt war, 1933 dann sofort zuerst ’beurlaubt’, dann entlassen wurde. Er selbst versteigerte seine Kunstsammlung, um sich ins Ausland retten zu können, was ihm gelang. War das rechtmäßig? Nein, denn es ging um sein Leben. Dieses Bild hat eine abenteuerliche Geschichte mit NS-Größen hinter sich und landete dann 1950 im Niedersächsischen Landesmuseum in Hannover. Von dort wurde es am 24. September 2004, nach 54 Jahren also, den Erben zurückgegeben.

Über die Frankfurter Situation, die mit Ernst Holzinger besonders prekär ist, muß gesondert berichtet werden. Denn dieser, Direktor des Städels von 1938 bis 1972, ja Sie lesen richtig, denn dieser hatte seit 1946 den Auftrag, die Rückführung von geraubten jüdischen Kunstgegenständen im Städel durchzuführen, die er als deren Direktor vor 1945 selbst vorgenommen hatte. Daß er auf diese Weise auch manches Bild vor der privaten Aneignung geschützt hat, ist auch wahr, wie überhaupt die ganze Restitutionsgeschichte eine Einzelfallprüfung voraussetzt. Es wird nun wirklich Zeit, daß dies die Museen mit ihren Provenienzforschern zügig durchführen, die meisten Besitzer sind eh schon gestorben. Aber Unrecht stirbt nicht.

Katalog: Raub und Restitution, Wallstein Verlag 2009

Verlorene Bilder – Verlorene Leben. Jüdische Sammler und was aus ihren Kunstwerken wurde, Elisabeth Sandmann Verlag 2009

Anmerkung:

Vorstehender Beitrag von Claudia Schulmerich ist eine Vorveröffentlichung aus Familienmagazin Frankfurt 2009.

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