Pokal-Aus für Titelverteidiger VfL Wolfsburg – Klares Handspiel von Peggy Kuznik, die drei Unparteiischen sahen nichts – Glücklicher 1:0-Sieg für das Team von Colin Bell

© Foto: Dietmar Tietzmann

Hochintensiv und dramatisch

Es war kein kluger Schachzug der Verantwortlichen gewesen, dass so gewichtige Pokalspiel drei Tage nach dem schwierigen Champions League Rückspiel des VfL Wolfsburg anzusetzen. Eine alternative Terminierung auf den folgenden Sonntag stand nicht auf der Agenda der TV- und Mediaentscheider. Graues, nasskaltes Novemberwetter tat sein übriges, der hochkarätig besetzte Pokalkracher hätte mehr als 2.240 Zuschauer verdient gehabt. Die im Live-Stream auf hr-online übertragende Begegnung war das erwartet schwere Spiel der Hessinnen gegen den Triple-Sieger. Das Aufeinandertreffen beider Mannschaften war im ersten Durchgang vor allem das Duell zweier Spielerinnen: Frankfurts Célia Sasic gegen VfL-Torhüterin Almuth Schult. Die Nationalspielerin des FFC führt sehr souverän die Torschützenliste der Liga an. Der VfL Wolfsburg unterlag am Samstagnachmittag beim Rekordsieger 1. FFC Frankfurt mit 0:1 (0:0). In einem hochintensiven und gegen Ende dramatischen Duell markierte Frankfurts Kapitänin und Ex-Nationalspielerin Kerstin Garefrekes nach 53 Minuten das einzige Tor.

Gelöster und konzentrierter

© Foto: Dietmar TietzmannFür die in der laufenden Pflichtspielsaison zuvor noch ungeschlagenen Grün-Weißen, die zuvor in der Champions League endgültig das Viertelfinal-Ticket hatten lösen können, war das Endergebnis die erste Niederlage im Wettbewerb seit fast genau 2 Jahren. Gastgeber Frankfurt drückte von Anfang an gleich aufs Pedal und investierte viel, um sich in der Hälfte der Wölfinnen festzusetzen. Die arg beanspruchte Kellermann-Elf verteidigte konzentriert, gab dann und wann ihre Lauerstellung für meist harmlos wirkende Angriffsbemühungen auf. Frankfurt schien optisch gesehen gelöster und konzentrierter. So ergab sich eine ausgeglichene Anfangsphase mit mehr Ballbesitz und ebenso spielerischen Vorteilen auf Seiten der Gastgeberinnen. Während Frankfurts Schlussfrau Desirée Schumann nur bei einer Bogenlampe von Lena Goeßling aufpassen musste (17.), wurde die im feurigen Rot spielende Nationaltorhüterin Almuth Schult wesentlich öfter beschäftigt, ohne dabei aber allzu sehr gefordert zu werden.

Konsequentes Pressing

© Foto: Dietmar TietzmannMit Fortlaufen des ersten Durchgangs nahm die Qualität der Frankfurter Torszenen zu. Einen Schuss der durchgebrochenen Sasic musste Schult zur Ecke parieren (19.), vier Minuten später war sie gegen Maroszan auf der Hut. In der stärksten Phase des 1. FFC vergab Kerstin Garefrekes die bis hierhin beste Gelegenheit der Partie, als sie nach einem Konter im Sechzehner freistand und den Ball Richtung langes Eck schaufelte. Mit einer Klassetat machte Schult die Großchance zunichte (38.). Die Frankfurterinnen setzten das von Trainer Bell geforderte frühe Gegenpressing konsequent um und versuchten den Wolfsburgerinnen möglichst wenig Räume zu lassen. Immer wieder eroberten sich die Frankfurterinnen Bälle im Mittelfeld, die nicht selten in gefährlichen Aktionen mündeten. So etwa, als Ana-Maria Crnogorcevic nach einer halben Stunde ein tolles Solo auf der rechten Seite hinlegte. Ihre Flanke auf Célia Sasic von der Grundlinie konnte die Wolfsburger Abwehr jedoch entschärfen. Erst kurz vor der Halbzeit erhöhte der VfL den Druck und spielte sich durch Martina Müller Chancen heraus. Doch auch die Bälle der ehemaligen Spielerin des FSV Frankfurt verfehlten deutlich das Tor.

Starker Flügellauf

© Foto: Dietmar TietzmannAuf Vorlage von Alexandra Popp kam Martina Müller gefährlich in Position, feuerte erst einen verdeckten Schuss ab und drohte direkt danach aus zehn Metern Entfernung noch ein zweites Mal mit einer grün-weißen Führung (43.), welche den VfL-Frauen als Fazit spannender erster 45 Minuten allerdings etwas geschmeichelt hätte.Doch auch die Bälle der ehemaligen Nationalspielerin  verfehlten deutlich das Tor. Mit einem torlosen Remis ging es in die Kabinen. Mit dem Wechsel von Josephine Henning für Luisa Wensing kam der Titelverteidiger zurück und legte sofort den Vorwärtsgang an. Die erste Szene des Durchgangs sorgte gleich für Diskussionen: Melanie Behringer brachte im Strafraum Nadine Keßler zu Fall, doch ließ die Unparteiische weiterspielen. Acht Minuten später lag das Leder im anderen Netz. Ausgangspunkt war ein starker Flügellauf Célia Sasics, die sich auf der linken Seite so lange nicht vom Ball trennen ließ, bis die mitgelaufene Garefrekes in der Mitte völlig freistand.

Geburtstagskind

© Foto: Dietmar TietzmannSechs Meter vor dem Tor nahm diese den Querpass in Empfang und traf mühelos zur Frankfurter Führung (54.). Der VfL suchte nach einer Antwort, rannte sich immer wieder allerdings fest. Zum Abschluss kam in dieser Phase nur Goeßling, die nach einer Abwehraktion Desiree Schumanns fast an der Mittellinie das leere Tor vor sich sah, jedoch verzog (60.). VfL-Cheftrainer Ralf Kellermann reagierte, verstärkte mit Anna Blässe das Spiel nach vorne. Ein immer muntereres Hin und Her war die Folge. Das Bell-Team suchte nach der Entscheidung und fand dabei zunehmend Räume für Konter, zumal sich auch die grün-weißen Abwehrspielerinnen verstärkt nach vorn einschalteten. Binnen weniger Sekunden ergab sich zweimal die Chance zum Ausgleich. Sowohl Popp als auch Nilla Fischer nach starker Flanke von Zsanett Jakabfi scheiterten aber mit durchaus gut platzierten gefährlichen Kopfbällen an Keeperin Schumann (76.).

Faustabwehr

© Foto: Dietmar TietzmannKurz darauf folgte die torgefährliche Ex-Frankfurterin – Geburtstagskind Conny Pohlers – in die Sturmreihe. Zsanett Jakabfi verließ für sie unter starkem Beifall der mitgereisten VfL-Fans das Feld. Wenig später brach eine Schlussphase an, in deren Verlauf sich die Ereignisse fast überschlugen. Zwar spielte sich der VfL nun vermehrt Möglichkeiten heraus, doch die Mannschaft von Cheftrainer Kellermann konnte sich nicht mehr durchsetzen. Bei einem Konter hatte die eingwechselte Lira Bajramaj novch einmal die Chance auf 2:0 zu erhöhen. Doch die Frankfurterin, die allein auf das Tor der Wolfsburger zulief, scheiterte mit einem zahmen Schuss an VfL-Torhüterin Schult. Wenig später brach eine Schlussphase an, in deren Verlauf sich die EReignisse fast überschlugen. Vor allem diese Szene hatte es in sich: im Zweikampf mit Peggy Kuznik war Keßler bereits im Strafraum, als die Frankfurterin ihr den Ball mit der Faust aus dem Lauf spitzelte. Lautstark forderte das VfL-Lager Strafstoß, doch wieder umsonst – der fällige Handelfmeter blieb aus (86.).

Tatsachenentscheidung

© Foto: Dietmar TietzmannDie Kamerabilder des Hessischen Rundfunks bewiesen im Nachhinein aber auch, dass Cheftrainer Kellermann den Vorfall genauso wenig sehen konnte wie die zuweit entfernte Schiedsrichterin. da die Linienrichterin dem schnellen Spiel leider zu spät folgte und ebenso im falschen winkel stand, kam es zu einer falschen, aber dem Reglement richtigen Tatsachenentscheidung der Schiedsrichterin, die wohl damit das Endergebnis des fairen Spiels entschied. Natürlich muss erst der Elfer danach verwandelt werden, aber mit einem 1:1 Ausgleich wäre es in die Verlängerung gegangen. Den Grün-Weißen blieb nichts übrig, als alles nach vorn zu werfen. Sogar Schult ging in die gegnerische Hälfte und stürmte mit, war bei einer Konterchance durch Fatmire Bajramaj dann aber wieder zur Stelle. Die Nummer Eins des VfL verhinderte mit voller Breitseite Bajramajs Attacke, im Nachschuss verhinderte die Latte das 2:0 (90.). Bis in die 3-minütige Nachspielzeit blieb das Duell somit ungeheuer spannend. Als schließlich Stephanie Bunte aus kurzer Distanz die letzte Chance auf eine Verlängerung vergab, war das Aus der Grün-Weißen jedoch besiegelt.

Entmachtet

© Foto: Dietmar TietzmannErstmals seit fast genau zwei Jahren, als sie an gleicher Stelle ebenfalls mit 0:1 gescheitert waren, strichen die VfL-Frauen im DFB-Pokal wieder die Segel. Der Titeltäger war entmachtet. Die Zuschauer sahen eine hochklassige Partie zweier internationaler Spitzenmannschaften, die das Team von Cheftrainer Colin Bell dank eines Treffers von Kapitänin Kerstin Garefrekes verdient für sich entschied. Seine Spielerinnen setzten die Vorgabe, den spielstarken und dynamischen Triple-Sieger aus der Autostadt nicht ins Spiel kommen zu lassen und selbst Akzente nach vorne zu setzen, nahezu mustergültig um. Auch wenn noch zwei Siege nötig sind: der achtfache Cup-Gewinner ist seinem Ziel, das Finale in Köln zu erreichgen sehr nahe gekommen.

Faire Verlierer

© Foto: Dietmar TietzmannDie beiden VfL-Angreiferinnen Alexandra Popp und Conny Pohlers  waren sich in einem Punkt absolut einig: man hatte kein Tor erzielt. Beide zogen direkt nach Abpfiff des Pokal-Achtelfinals Resümee und hinterfragten, warum man sich dem 1. FFC Frankfurt geschlagen geben musste. Leicht fiel es ihnen nicht. Hatte man sich doch ganz fest vorgenommen wieder nach Köln zu fahren. „Glückwunsch an Frankfurt, Celia hat sich gut durchgesetzt über links“, gab Alex Popp nach der Partie im Stadion am Brentanobad zu. „Kerstin brauchte nur danke sagen. Wie erwartet war das ein Spiel auf hohem Niveau. Wir hatten zwei schwere Champions-League-Spiele diese Woche, Frankfurt konnte sich besser vorbereiten. Und wir haben einfach kein Tor gemacht.“ Außerdem sei das Glück auf der Seite des FFC gewesen, so Popp weiter. „Wir haben zwei klare Elfer nicht bekommen. Das nenne ich echt Pech.“

Geburtstag ohne Sieg

Teamkollegin Conny Pohlers, die am Samstag Geburtstag hatte, musste sich eingestehen, dass sie an ihrem Ehrentag gern eine Happy-End-Geschichte erlebt hätte. Diese sei aber daran gescheitert, dass man das Tor nicht getroffen hätte. „Wenn wir einen der beiden klaren Strafstöße bekommen, steht es hier 1:1. Stattdessen sind wir nun raus“, brachte es die 35-Jährige auf den Punkt. „Dieses Los war wirklich ärgerlich, aber als einen Rückschlag sehe ich das Ausscheiden nicht. Zwei Titel sind noch zu holen.“ Cheftrainer Ralf Kellermann: "Meinen Glückwunsch an Collin Bell. Dieses Ergebnis ist aufgrund der Umstände sehr, sehr ärgerlich für uns. Mit dem nicht gegebenen Elfmeter möchte ich die Niederlage aber nicht entschuldigen. Uns hat die Frische gefehlt, was verständlich ist angesichts unserer schwierigen Spiele gegen Malmö in der vergangenen Woche. Trotzdem hat meine Mannschaft aber alles gegeben und sich bis zum Schluss reingeworfen. Gerade in der Endphase haben wir Frankfurt eingeschnürt und hätten das 1:1 machen müssen. Um diese Niederlage zu verarbeiten, brauchen wir jetzt sicher etwas Zeit. Wir sind natürlich enttäuscht, dafür sind wir in den zwei anderen Wettbewerben aber noch sehr gut dabei."

Finale tauglich

Frankfurts Cheftrainer Colin Bell ergänzte: „Das heutige Spiel war für uns wie ein Test – wir wollten sehen, wie weit wir von der besten Vereinsmannschaft Europas entfernt sind. Wir waren das bessere Team, haben Wolfsburg alles abverlangt und verdient gewonnen. Dennoch steht uns im DFB-Pokal noch ein weiter Weg bevor, schließlich stehen wir erst im Viertelfinale und haben noch nichts gewonnen. Natürlich freuen wir uns über diesen tollen Sieg, der zugleich mein erster Erfolg als Trainer gegen den VfL Wolfsburg war und der uns Kraft gibt für die beiden Liga-Spiele gegen die Wölfinnen, die im nächsten Jahr anstehen. Die Kräfteverhältnisse haben sich deshalb aber nicht geändert. Für mich bleibt Wolfsburg das Maß aller Dinge. Doch da, wo der VfL steht, wollen auch wir hinkommen."

Frankfurts Manager Siegfried Dietrich: „Ich bin richtig glücklich, dass unsere Mannschaft mit einer großartigen Energieleistung und spielerischem Können dieses DFB-Pokal-Achtelfinale gewonnen hat und wir unserem Endspiel-Ziel in Köln einen Schritt näher gekommen sind. Jetzt gilt es, weiterhin konzentriert von Spiel zu Spiel zu denken, um auch in der Bundesliga unsere Ambitionen zu untermauern. Das Spiel hätte sicher für ein Finale getaugt." Bundestrainerin Sivia Neid, die mit ihrer Pressesprecherin Annette Seitz auf der VIP-Tribüne saß und das Spiel sehr aufmerksam verfolgte, erklärte kurz und bündig: "Frankfurt war heute von Anfang an agressiver und hat insgesamt verdient gewonnen."

So spielten sie:

1. FFC Frankfurt: 1- Desirée Schumann – 23- Bianca Schmidt, 25- Saskia Bartusiak, Peggy Kuznik, 11-Simone  Laudehr – 10- Dzsenifer Maroszan, 7- Melanie Behringer, 14- Kozue Ando (24- Asuna Tanaka, 90.) –  18- Kerstin Garefrekes,  9- Célia Sasic, 21- Ana-Maria Crnogorcevic ( 19- Fatmire Bajramaj, 77.)- Trainer Colin Bell

VfL Wolfsburg: 1- Almuth Schult – 20- Stephanie Bunte,  2- Luisa Wensing ( 27- Josephine  Henning, 45.), 4- Nilla Fischer, 22- Verena Faißt – 13- Nadine Keßler, 28- Lena Goeßling ( Anna Blässe, 68.) –  3- Zsanett Jakabfi ( 26- Conny Pohlers, 77.), 11- Alexandra Popp – 25- Martina Müller, 14- Lina Magull – Trainer Ralf Kellermann

Tor: 1:0 Garefrekes (54.)

Schiedsrichterin: Christine Baitinger (Friesenheim)

Zuschauer: 2.240

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