Pferde im Kölner Karneval? – Erinnerung an einen offenen Brief, gerichtet am 2.2.2019 an den Innenminister von Nordrhein-Westfalen

NRW-Innenminister Herbert Reul, 2017. Quelle: Pressefoto des Ministeriums

Frankfurt am Main, Deutschland (Weltexpress). Am 24. Februar 2018 nach dem schweren Unfall mit einer Pferdekutsche beim Kölner Karneval haben wir auf die Gefahr und die Verantwortung der Polizei hingewiesen in dem Beitrag „Der Kölner Karneval und die verlorene Polizeimütze oder Ein Pferd ist ein Fluchttier“ Ein Jahr später haben wir einen „Offenen Brief an Herbert Reul, Innenminister von NRW“ geschrieben. Im Jahr 2019 ist der Einsatz von Pferden beim Karneval in Köln ausgefallen, weil die Öffentliche Sicherheit wegen des zu erwartenden starkem Windes gefährdet schien. Das war eine kluge Entscheidung, denn das Fluchttier Pferd geht bei Wind instinktiv in einen Hab-Acht -Zustand. Pferde kann man gegen Vieles desensibilisieren, aber nur sehr schwer gegen Störungen, durch die sich das Fluchttier Pferd lebensgefährlich bedroht fühlt, wie z. B. auch Knallkörper, Glasflaschen und ähnliches.

Wie wir den zuständigen Stellen der Polizei mitgeteilt haben, sind ausgewilderte Pferde in Bosnien nachweislich beim Einsatz von Knallkörpern über 5 km im Galopp geflüchtet von einer Straße aus, die das Schutzgebiet der Pferde durchkreuzt, dokumentiert von dem bekannten Naturfilmer Marc Lubetzki in einem Podcast und dem Video „Die Salzroute“.

Was ist danach weiter geschehen und welche Antwort kam aus dem Ministerium des Innern und der Polizeiführung in Köln?

Es liegen uns mittlerweile 4 Antworten vor, deren Veröffentlichung uns nicht gestattet wurde. Positiv ist festzustellen, dass man sich an höchster Stelle mit dem Thema Pferde im Karneval aus Sicht der Polizei beschäftigt, die gesetzlich zuständig und verpflichtet ist bei der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (§ 1 Aufgaben der allgemeinen Ordnungsbehörden und der Polizei).

Unser Einsatz für den Tierschutz der Pferde wurde sogar begrüßt.

Es wird aber immer wieder darauf hingewiesen, dass das Tierschutzproblem ein Verbot nicht rechtfertige, da die Pferde jetzt gut vorbereitet seien.

Bericht eines Unfallopfers, der von einem Pferd in Köln überrollt wurde und froh ist, dass er noch lebt.

Sogar die Wissenschaft wird bemüht, wie ein Interview mit Sarah Ziegler, Moderatorin beim WDR unterstreicht (Auszug):

Gleiches Stresslevel wie im Pferdesport

„Was das Mitlaufen in einem Karnevalszug für Pferde bedeutet, ist wissenschaftlich kaum erforscht. Eine Masterarbeit an der Uni Zürich hat 2017 festgestellt, dass die Pferde in einem Festumzug – Feuerwerk, Musik und Menschenmassen inklusive – ähnliche Stresswerte hatten wie Pferde bei einem Spring- oder Dressurwettkampf. Ihr Herzschlag war erhöht und ihre Körper schütteten verstärkt das Stresshormon Kortisol aus. Doch die Werte seien akzeptabel, schlussfolgerten die Forscher. Es sei für die Tiere körperlich zumutbar, beim Umzug mitzulaufen. Ob es aber moralisch vertretbar ist, bleibt eine offene Debatte.“

Es ist also nachweisbar, dass die Pferde unter einem hohen Stresslevel stehen beim Karneval wie beim Reitturnier. Der Unterschied ist aber, dass beim Reitturnier der Reiter nach einem deutlichen Kontrollverlust sofort seinen Prüfung abbricht, bevor das Pferd durchgeht, manchmal auch zu spät und sogar bei der Ehrenrunde einer bekannten Dressurreiterin ist es vor kurzem passiert, wie Insider bekannt sein dürfte.  Zuschauer sind kaum gefährdet. Das passiert sogar Reiterinnen wie Isabell Werth, die ihre Pferde sehr gut ausgebildet haben, wie man annehmen dürfte, besser wahrscheinlich als alle Reiter der Reitercorps und Kutschenfahrer im Kölner Karneval. Diese Vorgänge bei Turnieren werden regelmäßig öffentlich im Video dokumentiert. Die Reiterliche Vereinigung sieht dabei anscheinend das Tierschutzgesetz nicht tangiert und daran orientieren sich meist die Veterinärämter und auch die Polizei.

Die Tierschutzverbände und viele Tierärzte sehen das anders:

https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/aktuelle-stunde/video-pferde-im-karneval–gefahr-oder-unverzichtbare-tradition-100.html

Dass die Tierschutzverbände das Verbot aus tierschutzrechtlichen Gründen fordern, ist zwar nachvollziehbar, aber die Polizei hat diesbezüglich weniger Handlungsspielraum. Wenn Gesetzesverstöße vorliegen, könnte die Polizei bei vorhandenem Sachverstand eigentlich auch bei Reitturnieren eingreifen.

Bei einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit  und Ordnung ist das anders und Karneval findet nun mal in der Öffentlichkeit statt. Deshalb ist die Polizei „qua Amtes“ verpflichtet zur Gefahrenabwehr.

Nach dem schweren Unfall 2018 in Köln, hat das Festkomitee in Düsseldorf die Kutschen aus dem Verkehr gezogen. Warum geht das nicht in Köln?

Es gibt zahlreiche neue Auflagen für die Kutschen und Reiter

„Die Gesamteinsatzzeit von Pferden darf – einschließlich des Transports – neun Stunden nicht überschreiten. Nach vier Stunden müssen Pausen gewährt werden. Verboten sind ab sofort sogenannte Pauken-Pferde, das heißt, Musiker berittener Kapellen dürfen im Sattel keine Trommeln mehr spielen. Außerdem müssen die Pferde hinter Wagen und nicht hinter Kapellen laufen.“

Tatsache ist und bleibt, dass die Pferde und Kutschen ein riesiges Gefahrenpotential bleiben für die Zuschauer und Teilnehmer, da sie nicht berechenbar sind wie ein LKW.

Jeder Reiter weiß, dass Pferde Fluchttiere sind und in für sie unbekannten Situation plötzlich unkontrollierbar werden. Das kann die beste Ausbildung und keine Sicherheitsmaßnahme verhindern.

Was nur wenige wissen, ein Pferd, das angeblich nur ein PS hat, kann in solchen Situationen kurzfristig bis zu 24 PS entfalten und das sind z. B. bei einer Kutsche mit 6 Pferden ca. 150 PS, die in eine Menschenmenge rasen kann.

Kein Reiter und kein Kutscher mit seinen Zügeln und keine Bremse an einer Kutsche kann eine solche entfesselte Kraft bremsen.

Die permanente und selektive Ausbildung von Dienstpferden der Polizei ist bekannt und es ist anzunehmen, dass die Beamten der Reiterstaffel ein kompetentes Wissen über das Fluchttier Pferd besitzen. Nach eigenem Bekunden werden die Pferde der Reiterstaffel artgerecht gehalten und der Innenminister von NRW unterstützt diese wohlwollend.

Auszug – Pressemitteilung des Innenministeriums

Die nordrhein-westfälische Polizei verfügt über 32 Dienstpferde. Sie sind an den Standorten Willich und Dortmund stationiert. Die Reiterpferde sind aufgrund ihrer Wendigkeit, Schnelligkeit und Größe im Einsatz besonders effektiv, etwa um Gruppen zu trennen oder zu begleiten. Die Reiterstaffel wird daher vor allem bei Fußballspielen, Demonstrationen oder größeren Veranstaltungslagen eingesetzt – häufig gemeinsam mit den Einsatzhundertschaften. „Die Pferde sind ein besonderes einsatztaktisches Mittel. Sie sind Sympathieträger und respekteinflößend zugleich“, so Minister Reul.

Die amateurhafte Prüfung der Gelassenheit bei den Karnevalspferden ist indirekt eine Abwertung der professionellen Arbeit, die in der Reiterstaffel geleistet wird. Die Ansprüche und die Verantwortung sowie Sorgfalt, die der Minister seiner Reiterstaffel gewährt, stehen im Widerspruch zu der Leichtfertigkeit, wenn es um die Anforderungen und den Einsatz der Karnevalspferde geht und um die Menschen im Karnevalszug, die z. T. durch Alkohol enthemmt oder unwissend der Gefahr ausgesetzt sind.

Kann man das durch den Verweis auf eine lange Tradition rechtfertigen?

Aus polizeilicher Sicht scheint das mehr als fraglich!

Der Polizeibeamte ist laut Beamtengesetz seinem Dienstvorgesetzten zu einer besonderen Loyalität verpflichtet!

Als ehemaliger Polizeibeamter und Reiter befürchte ich, dass hier politische Interessen vorrangig sind.

Zu bedenken ist auch, dass der/die Polizeipräsidentinnnen vom Innenminister des Landes ernannt werden und jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können.

Als politisch denkender Mensch frage ich mich, ob es erst Tote geben muss, damit die politische Führung sich bewegt.

Einige Beispiele von Kutschen weltweit, die unter Kontrollverlust „geritten“.

https://www.youtube.com/results?search_query=kutschenunfall+aachen

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