Ontario – Kontraste in Kanadas Kernland

Anflug auf Toronto. Die Sicht ist nahezu perfekt. Wie eine Riesennadel ragt der CN-Tower in den Himmel. Die Wolkenkratzer der Skyline ähneln aus 10 Kilometer Höhe eher aufgestellten Streichholzschachteln als Hochhäusern. Das nahezu rechteckig angeordnete Wirrwar von Straßen und Vorortsiedlungen stößt am Lake Ontario an seine natürliche Grenze. Dazwischen grüne Inseln, die sich beim Näherkommen entweder als Parks oder Golfplätze entpuppen. Per Mietwagen wollen wir zunächst mal in die Wildnis. Ein ausgiebiges Wiedersehen mit Ontarios Hauptstadt steht später auf dem Reiseplan.
Der Verkehrsfluss ist enorm. Mit sehr viel Mut und einem gewissen Maß an Frechheit fädelt man sich in die Spur, die vom Highway weg in eine der weniger belebten Nebenstrecken führt. Eine Stunde später sind wir dort, wo wir eigentlich sein wollten: In der kanadischen Einsamkeit.
Ontario gehört mit einer Fläche von 1.070.000 Quadratkilometern zu einer der größten Provinzen Kanadas. Wirtschaftlich ist sie auch die wichtigste. Man sagt nicht umsonst: Wenn Toronto hustet wird Kanada krank. Am Stadtrand der größten Stadt Kanadas beginnt jedoch die Wildnis.

Wasser, Wald und Wildtiere –Algonquin-Provinzpark

Das Zeichen für Visitor Center taucht neben der Straße auf. Südöstlich von North Bay bzw. südlich des Ottawa-River Oberlaufs kommen wir zum Algonquin-Provinzpark. Mehr als 2400 Seen soll es in dem von Kiefern, Fichten und Ahorn besetzten Mischwald geben. Der Name stammt von den dort auch heute noch dort lebenden First Nation People, wie sich die Indianer Kanadas schon seit einigen Jahren nennen. Das Museum gibt einen interessanten Überblick über die Geschichte des Parks. Freundliche Ranger geben Auskunft und empfehlen Wanderungen, oder warnen vor den Unwegsamkeiten der kanadischen Wildnis. Wir wollen noch vor Einbruch der Dunkelheit zu unserem nächsten Ziel und fahren weiter.
Mit Minimalgepäck stehen wir am Bootssteg und warten auf den per Telefon bestellten Abholdienst. Bald wird die Stille, die uns hier im Algonquin Park umgibt von einem Bootsmotor unterbrochen. Außer uns werden noch Lebensmittel und Getränke verladen. Hier kann man nicht mal kurz zum Einkaufen fahren. Verteilt auf kanadischem Urgestein stehen bunte Hütten. Von der „porch“ blickt man hinunter aufs Wasser. Der klägliche Ruf des Eistauchers ist das letzte was wir hören bevor uns die Müdigkeit überwältigt.
Bei all den vielen Seen und Wasserläufen liegt es nahe den Park per Boot zu erkunden. Über 1600 Kilometer sind als Kanustrecken ausgewiesen. Wir paddeln geruhsam zwischen Schilf und ins Wasser gefallenen Bäumen das schmale Flüsschen entlang. Ein Haubentaucher nähert sich uns recht auffällig. Besonders schön ist es in der Zeit des „Indian Summer“ unterwegs zu sein. Dann, wenn sich die Blätter der Ahornbäume grellrot färben. Je nach Sonneneinstrahlung, aber auch bei schlechtem Wetter, kommt es zu unglaublichen Farbnuancen.

Auf einem der gut ausgebauten Rastplätze haben sich zwei befreundete Familien mit großen Pferdeanhängern getroffen. Sie haben die kanadischen Ausmaße eines Wohnmobils. Aus den weit geöffneten Fenstern strecken die Tiere den Kopf und begutachten sich gegenseitig freundschaftlich schnaubend. Auch sie genießen die Pause. Pferde spielen eine wichtige Rolle, vor allem als Freizeitbeschäftigung.

Jenny, eine braun gefleckte Apaloosa-Stute,  steht am andern Ende der Reithalle. Sie scharrt verlegen mit den Hufen im Sand und schleckt sich mit der Zunge über das Maul, die Ohren senkrecht nach oben aufgestellt. Eindeutige Signale: Sie sucht Kontakt zum Trainer. Er schickt mich zu ihr. Als ich durch die Halle spaziere folgt sie mir und wir drehen einige Runden. Sie hat mich als Ranghöhere akzeptiert. Die Beziehung zwischen Mensch und Pferd sollte von Vertrauen und Respekt geprägt sein so erfahren wir während unserer „Reitstunde“. Ist dieses Verhältnis gestört, kann man es wieder zurückgewinnen mit einer Methode die durch den Pferdeflüsterer Monty Roberts bekannt wurde, dem so genannten „Join-up“.Das Pferd galoppiert einige Runden in der Halle, am Seil oder frei; man schickt es quasi vom Reiter weg. Nach einiger Zeit wird es angehalten und zur Wende gezwungen indem man ihm den Weg abschneidet. Dieser Vorgang wiederholt sich öfters. Ist das Pferd bereit den Menschen als übergeordnet anzuerkennen, bleibt es stehen und zeigt durch seine Körpersprache, dass es zur Zusammenarbeit bereit ist. Reitanfänger, die noch etwas zögerlich sind, finden so einen verständnisvollen Zugang zum Pferd. Die Methode dient nicht nur verängstigte oder aggressive Tiere ohne Gewalt zu bändigen, sondern bietet auch verunsicherten, oftmals mit psychischen Problemen belasteten Menschen die Möglichkeit, ein Gefühl der Sicherheit und neuen Selbstbewusstseins aufzubauen.

Das Glück der Erde – nicht nur auf dem Rücken der Pferde

Das Terrain rund um die Reitanlage ist hügelig, unterbrochen von ausdehnten Wäldern. Hier im Süden Ontarios ist Kanada lieblich beinahe europäisch geprägt. Nur ca. 95 Kilometer östlich der Provinzhauptstadt Toronto in der Nähe der Kleinstadt Cobourg befindet sich die außergewöhnliche Hotelanlage Ste. Anne ´s Spa, Kanadas renommiertestes Resort dieser Art.  Die wuchtigen Gebäude aus Stein erinnern an irische Landhäuser. Ebenerdig nehmen die Gäste in ungezwungener Atmosphäre ihre Mahlzeiten ein. Von den luxuriös eingerichteten Zimmern und Suiten überblickt man den angrenzenden Park, ein Paradies aus alten Bäumen und üppig blühenden Blumenbeeten. Alles was die Natur liefert wird zur Steigerung des Wohlbefindens der Gäste eingesetzt. Das bezieht sich nicht nur auf die Aroma-Therapie sondern auch auf die Küche. Leichte gesunde Kost soll die Behandlungen unterstützen.
In Zusammenarbeit mit dem Valley View Reitstall wird noch ein besonderes Programm angeboten: Horse-2-Heart nennt es sich. Angelehnt an die bereits beschriebenen Grundgedanken von Monty Roberts erhält der Gast die Gelegenheit  Pferde kennen- und lieben zu lernen, indem er ihr lernt ihr Verhalten zu verstehen. Die neu gewonnene Selbstsicherheit gibt ein Wohlgefühl, die man durch keine Schlammpackung erreichen kann.

Ottawa – oder wie regiert man einen Staat mit sieben Zeitzonen?

Mit einem Zug der VIA-Rail geht es bequem von Cobourg nach Ottawa der Landeshauptstadt Kanadas. Hält man sich als Gast hier auf, unbeeindruckt von politischen Geschehnissen, zeigt sie sich vielseitig und charmant. Viele Grünflächen und auch die Lage am Fluss tragen zu dem aufgelockerten Stadtbild bei. Wir genießen die sommerliche Sonne und eine leichte Brise, während das Ausflugsboot entlang diverser Sehenswürdigkeiten durch den Rideau-Kanal gleitet. Nur 6 Jahre Bauzeit bedurfte es zur Fertigstellung des 202 Kilometer langen Kanals, einer Verbindung des heutigen Ottawas mit dem St.Lorenz-Strom. Über 27 Schleusen geht es durch Wälder und Moore, vorbei an Kalksteinebenen oder Hügeln aus Granit. Das ganze Jahr wird er für viele Freizeitmöglichkeiten genutzt.

Entstanden an der Sprachgrenze zwischen dem französisch sprechenden Quebec und dem englischsprachigen Ontario wählte Königin Victoria diplomatisch den Standort für das Parlamentsgebäude,  die wohl am meisten besuchte Sehenswürdigkeit der Stadt. Zur Zeit des Kanalbaus standen dort schäbige einfache Holzbauten. Auf einem Kalksteinvorsprung hoch über dem Ottawa-River thront das aus drei neugotischen Komplexen bestehende Parliament Building. Besonders eindrucksvoll ist die im hinteren Teil des Centre Blocks gelegene Bibliothek. Als 1916 eine Feuersbrunst wütete, blieb sie als einziges Gebäude verschont. Seine runde Form fällt schon von außen auf. Eine tägliche Wachablösung während der Sommermonate lockt viele Touristen auf den Hügel, wenn die Governor General ´s Foot Guards in hellroten Uniformjacken und Bärenfellmützen sich vor dem Gebäude versammeln.
Politik zu betreiben in diesem Land ist nicht einfach. Zu den Herausforderungen der Politik kommt noch die Einbindung einer geografischen Dimension dazu, die im zweitgrößten Land der Erde zu bewältigen ist.

Eines der sehenswertesten Museen befindet sich allerdings auf der französischen Seite der Stadt in Hull: Das Musée Canadien des Civilisations. In dem modern gestalteten Gebäude erfährt man auf verschiedenen Ebenen alles über Kanada. Unter der Vielzahl an Museen, die man in Ottawa antrifft ist mit Sicherheit für jeden Geschmack etwas dabei. Nach einem ausgezeichneten Abendessen zieht es uns nochmals zum Parlamentsgebäude. Jetzt im Dunkeln wird es von allen Seiten beleuchtet, ein imposanter Anblick. Im Brunnen vor dem Hauptgebäude brennt die „Jahrhundert-Flamme“. Sie wurde in der Neujahrsnacht 1966 angezündet, um an die ersten hundert Jahre der kanadischen Konföderation zu erinnern. Auch uns wird wieder bewusst, wie jung Kanada eigentlich ist. Hier ist es innerhalb von nicht einmal 200 Jahren gelungen, trotz der Anfechtungen von Klima, Wildnis und Entfernungen ein gut organisiertes Staatswesen aufzubauen. Gerade kommen mehrere überlange und mit Blumen geschmückte Limousinen an. Hochzeitsgäste und ein Brautpaar steigen aus und posieren mit viel Gelächter vor dem Brunnen für ein Erinnerungsfoto.

Informationen:

Anreise: Die Lufthansa bietet von Düsseldorf und Frankfurt täglich Nonstopflüge nach Toronto, www.lufthansa.de
Reisezeit: Angenehm sind die Temperaturen zwischen Ende Mai und Anfang Oktober.
Verkehrsmittel: Innerhalb Kanadas sind die Städte Toronto, Cobourg und Ottawa mit der VIA Rail erreichbar. Generalagent in Deutschland für die VIA Rail und z. b. auch Anbieter von Flügen und Bausteinprogrammen ist CRD International in Hamburg, www.crd.de
Für den Besuch des Algonquin Parks empfiehlt sich ein Leihwagen.
Unterkünfte: Im Algonquin Park z. B. die Bartlett Lodge, die nur über das Wasser erreicht werden kann, www.bartlettlodge.com, das Wellnessresort St. Annes bei Cobourg, mit Teilnahmemöglichkeit an einem „Join-up“ mit Pferden, www.steannes.com,
Auskünfte: für Ontario generell im Internet unter www.ontariotravel.net/de und direkt bei der deutschen Vertretung per E-Mail unter ontario@lieb-management.de
Literatur für Unterwegs: zum Beispiel die bewährten Reiseführerprodukte aus dem Hause MAIRDUMONT Richtig reisen „Kanada – der Osten“, 488 Seiten € 24,95 und Baedeker „Kanada Osten“, auch 488 Seiten € 22,95 www.mairdumont.com

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