Mühsam, die sechste – Annotation

© Verbrecher Verlag

Erich sitzt jedenfalls im Knast in Bamberg. Eingekerkert samt diverser Freunde & Genossen der Münchner Räterepublik. In Bayern wütet die Reaktion, etliche Genossen sind ermordet, Mühsam wartet auf seinen Prozeß vorm Standgericht. Die Geisel-Erschießungen einiger Räterepublikaner werfen einen bitteren Schatten, auch wenn EM damit nichts zu tun hat. Die Ehre der Räterepublikaner ist öffentlich bloß gestellt, die Arbeiterschaft greift nicht zu den Waffen oder probt den Generalstreik, um die Gefangenen frei zu pressen. Freikorps und Bürgerwehren bestimmen die Straße, die bayrische Rote Armee hat sich ergeben, die Räterepublik war einmal. Mühsam wird nach einer Weile der Unsicherheit und Isolation im Knast von Ehefrau Zenzl und seiner aktuellen Geliebten versorgt. Er glaubt an die heilende Kraft des Kommunismus und ist eine Art Kulturbolschewist mit anarchistischer Ader.

Doch er bleibt immer prinzipienfest, seinen Prozess erlebt er standhaft, lässt sich ungebrochen zu Festungshaft verurteilen und denkt an die kommunistische Zukunft der Welt. Er wird sogar ein paar Monate eingetragenes KPD-Mitglied, um diese voll des Ekels vor ihrem Bonzentum, wieder zu verlassen. Er wettert in gewohnter Weise über seine politischen Gegner, lässt kein gutes Haar an der verräterischen SPD, genießt den Bienenfleiß seiner Ehefrau und träumt heimlich von an all den leckeren Dämchen, denen er so gern seinen kleinen Freund vorstellen möchte. Bin gespannt wie es weiter geht. Band 7 folgt im November.

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Erich Mühsam, Tagebücher, Band 6, 1919, Leinen mit Lesebändchen, 462 Seiten, Verbrecher Verlag, Berlin 2014, ISBN: 9783940426826, 28 Euro (D)

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