Der Schweizer Maler Ferdinand Hodler (1853–1918) steht am Anfang dieser historischen Entwicklung. Als einer der hervorstechenden Vertreter der Lebensreformbewegung gibt er dem um 1900 mit großem Pathos vorgetragenen Thema des „Neuen Menschen“ in seiner Malerei künstlerischen Ausdruck. Seine großfigurigen Gemälde weiblicher und männlicher Gestalten tragen jedoch, ungeachtet ihrer Monumentalität, bereits die Zeichen des Artifiziellen und Dekorativen an sich – und können von daher als „müde Helden“ betrachtet werden.
Der im Westen weniger bekannte, in Kursk geborene Aleksandr Dejneka (1899-1969) war zwischen 1918, dem Todesjahr Ferdinand Hodlers, und der Verordnung des Sozialistischen Realismus in der Sowjetunion im Jahr 1932 ein Protagonist der postrevolutionären Malerei. Bisher völlig unbeachtet blieb, wie sehr sich der russische Maler in seinen Bildmotiven wie auch in der Körpersprache und der Modellierung seiner Personen an Hodlers eurythmisch bewegten Figuren orientiert. In seinen Gemälden ersetzt Dejneka die aufblühende Natur durch im Aufbau befindliche Industrielandschaften. Dejnekas Arbeiterinnen und Arbeiter erscheinen wie die Wiedergeburt der symbolistischen Malerei des Schweizers in proletarischem Gewand.
Im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts greift der in der DDR aufgewachsene und ausgebildete Neo Rauch (*1960) den von Hodler und Dejneka geprägten Typus nach dem Ende des Kommunismus erneut auf. Mit bewusstem Rückgriff auf die Helden aus Technik und Industrie der Zwanziger und Dreißiger Jahre lässt er die Figuren in Posen der Handlungshemmung erstarren und in absurden Zusammenhängen ins Leere laufen. Die Utopie des „Neuen Menschen“ verkehrt sich hier in eine Absage an die Fortschrittsgläubigkeit und an jegliche Ideologie. In der Ausstellung „Müde Helden“ wird das Werk des international anerkannten, führenden Malerstars der Leipziger Schule, Neo Rauch, erstmals in einem historischen und kunsthistorischen Zusammenhang präsentiert.
Zudem bietet „Müde Helden“ die Gelegenheit, das Werk des in Russland hoch geschätzten Malers Aleksandr Dejneka zu entdecken, der mit einer großen Anzahl wichtiger Gemälde vertreten ist, die noch nie in Deutschland zu sehen waren.
In thematisch geordneten Bezügen zu einer großen Werkgruppe ihres modernen Vorläufers, Ferdinand Hodler, erschließt sich so die historische Entwicklung vom „Neuen Menschen“ um 1900 zum zeitgenössischen „Müden Helden“.
Die Ausstellung besteht nahezu ausschließlich aus großformatigen Gemälden und umfasst über 90 Werke. Zur Ausstellung erscheint im Hirmer Verlag ein reich bebilderter Katalog (240 Seiten), erhältlich in den Museumsshops, im Buchhandel oder unter www.freunde-der-kunsthalle.de
Müde Helden: Ferdinand Hodler – Aleksandr Dejneka – Neo Rauch. Bis 13. Mai 2012 in der Hamburger Kunsthalle, Galerie der Gegenwart, 1. und 2. Etage. Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall, D-20095 Hamburg www.hamburger-kunsthalle.de