Moskau lässt grüßen – Impressionen einer Kurzreise

@ Foto: Dr. Ronald Keusch, 2015

Die Frage, ob die europäischen Sanktionen spürbar seien, perlt an Moskaus City ab. Fast alle stehen zu Präsident Wladimir Putin. Er ist der ungekrönte Zar. Das altslawische „Wlad“ steht für Herrscher, die zweite Silbe „mir“ für Welt, Frieden oder Ordnung. Wladimir, der Herrscher der Welt. Sieht er sich so?

Sein neues Moskau jedenfalls hat sich vom Jahre 2005 bis heute durch Eingemeindung der Randbezirke von ca.1000 km ² auf 2500 km ² ausgedehnt. Die Einwohnerzahl vermehrt sich monatlich. Heute schätzt man Moskau auf 13 bis zu 20 Millionen Menschen. Dank Putin ist die City sauber, grün und sicher. Und doch, die Schere zwischen Arm zu Reich klafft tief. Akademiker haben oftmals Renten von 1000 Rubel (90 €). Als arm gilt, wer unter 8000 Rubel monatlich zum Leben hat. Viele alte Menschen bessern sich nachts in der Stoleshnikov pereulok, eine der teuersten Einkaufsstraßen Europas, ihre Rente auf. Mit Schaufel und Besen bewaffnet, sind sie jedem kleinen Seidenpapierschnipsel hinterher.
 
Sanktionen hin oder her, in Einschnitten ist man geübt.

Der Schweizer Käse fällt aus. Bei Kleinkindern greifen Mütter neuerdings zu Trockenmilchpulver. Warum? Eine russische Kuh muss heute mehr geben, als ihr zuträglich ist. Bakterien freie Milch wird nur durch reichlich Chemie erreicht.

Bio kommt in der Massentierhaltung nicht vor. Die russische Landwirtschaft wächst nicht wie die Immobilienbranche. Schon gar nicht auf Grund von Sanktionen.
 
Susdal, ein heiliger Ort des Goldenen Rings, eine 230 km Tagesspritztour weit von Moskau
 
@ Foto: Dr. Ronald Keusch, 2015Vor der Romantik-Kulisse, goldenen Zwiebeltürmen mit russisch-orthodoxen Kreuzen, postiert sich die Biker-Gang für ein Gruppenfoto. Nachtwölfe, behauptet der Moskauer Biker Vladimir seien sie alle. Er ist Rentner. Ende Vierzig. Behinderungen sieht man ihm nicht an. Braucht er auch nicht. Er war Polizist. Da zählt ein Berufsjahr für zwei. Nebenjob sei Ehrensache. Was er genau macht? Eine riskante Frage. Er spricht nur ein deutsches Wort. Jeden übersetzten Satz bestätigt er mit: „GENAU“. Nach Berlin wollen sie alle. Einstimmiges Nicken. Ihr „Leitwolf„ hat Berlin in 24 Stunden geschafft.

Ah, und apropos Krise. Ihre Meinung: Hunger & Not kannten ihre Großmütter. Vladimirs Eltern standen 1991 vor einem Marmeladeglas voll eng gerollter, hart abgesparter Scheine. 25 Jahre Traum vom Lada. Über Nacht – Asche.

Im Sommer 1998 hat der Rubel das Fünffache an Wert verloren. Die Aktien haben sich 2008 halbiert. Wer will da heute über fehlenden Käse reden?

Ob der Wodka das Volksproblem Nr.1 sei? Die kleine blutjunge Süße von Vladimir auf ihren 23 cm Plateau-High-Heels zwitschert tröstend: “Sie müssen ihn nicht trinken. Sie sind eine Frau. Meine Mutter hat sich damit nur die Ohrläppchen eingerieben, wenn sie zu erfrieren drohten. Oma hat den Gummibaum mit Wodka gedüngt. Seine Äste sind sooo geworden.“ Bildlich dehnt sie ihre Arme in vergleichbare Weite – und schwankt. Vladimir fängt sie auf und zieht sie rettend an seine über und über tätowierte Brust.

Alle lachen.

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