Löwen, Leoparden und Thüringer Leberwurst – Überraschungen in Namibia

Leopard am Rande der Etosha Zone

Tinka duckt sich, fletscht die Zähne und faucht Furcht einflößend. Nur ca. 2 Meter entfernt auf dem Sitz des Safari-Jeeps bekommt man Respekt vor dem schwarz gefleckten Geparden. Doch Jenny, die „Katzenmutter“ hat ihre Schützlinge im Griff. Sie spricht das Tier in strengem Ton an, worauf sich dieses vom Fahrzeug entfernt und zur Gruppe ihrer Artgenossen zurück schleicht. Erfährt man, unter welchen Umständen die Tiere aufgewachsen sind, welches Leid sie ertragen mussten, wundert einen nicht, dass sie den Menschen die Zähne zeigen. Aufgefunden als reizendes „Katzenbaby“ sollte Tinka als exklusives Haustier  dienen. Bis aus dem Kätzchen eine Katze wurde, die in einer engen Holzkiste landete, wo sie angeblich keinen Schaden mehr anrichten konnte. Glücklicherweise fanden die Leute von der AfriCat  Foundation sie rechtzeitig bevor, der Gepard in seinem Gefängnis elendiglich verendet wäre. Heute lebt sie mit anderen Geparden, denen ähnliche Schicksale widerfuhren auf 10.000 Acres der Cheetah Rehabilitation Area, ca. 50 Kilometer südlich von Otjiwarongo in Zentral-Namibia. Seit der Gründung 1993 rettet die Organisation durchschnittlich Jahr für Jahr 70 Geparden und Leoparden. Die meisten mussten aus Tierfallen befreit werden, welche auf dem umliegenden Farmland zum Schutz der Rinderherden aufgestellt wurden. Im hauseigenen Hospital werden die Tiere ärztlich versorgt. Ungefähr 85% können nach ihrer Genesung wieder die freie Wildbahn genießen. Der Rest findet eine neue Heimat im weitläufigen Resort.

„Wenn Geparden ohne Mutter aufwachsen, lernen sie die Jagd auf Beutetiere nicht. Das bedeutet; keine Überlebenschance für das Junge“, erklärt Jenny. Die Tiere rangeln um die mitgebrachten Fleischstücke. Anschließend findet „Katzenwäsche“ statt. Peinlichst genau werden Pfoten und Schnurbart gereinigt. Der wendigen Zunge entgeht nichts. Dann trollen sie sich des Weges. Bald schon sind sie im hohen gelben Steppengras untergetaucht, für das menschliche Auge kaum mehr sichtbar.

Namibia hat in den letzten Jahren wesentliche politische Änderungen erfahren. Ein Land im Umbruch, von dem man noch nicht weiß, in welche Richtung es letztendlich geht. Insgesamt 12 Bevölkerungsgruppen leben hier, mit sehr unterschiedlichen Kulturkreisen. Namibia gehört zu den am dünnsten besiedelten Ländern der Erde. Auf 824.292 Quadratkilometern leben nur rund 1,8 Mio Menschen. Abgesehen von zahlreichen Bodenschätzen verfügt der westafrikanische Staat über einzigartige Naturschönheiten. Die wohl älteste Wüste, die Namib besticht durch ihre Kargheit. Man hat das Gefühl, hier ist alles auf das Wesentliche reduziert: die schroffen Bergkanten, der blaue Himmel, bizarre Pflanzen und eine Tierwelt, die sich diesen harten Lebensbedingungen angepasst hat. Auf die  Dünen in Sossusvlei regnete es seit vielen Jahren erstmals wieder, was die Wüste zum Blühen brachte und die Sandberge mit  einem grünen Flaum aus Gras überzog. Die Wasserlöcher sind bis weit über den Rand hinaus gefüllt.

Etosha – Nationalpark, ein raues Paradies für Mensch und Tier

Seltsame Schreie durchbrechen die Stille. Dann, in der Senke des Wasserloches sieht man die Urheber: Zebras, soweit das Auge reicht. Mit geschürzten Lippen rufen die Mütter nach ihren Jüngsten. Es klingt wie eine Mischung aus Pferdewiehern und Eselsgeschrei. Sie lassen sich durch Autos auf dem Weg nicht aus der Ruhe bringen. Im Etosha-Nationalpark fühlen sich die Tiere sicher. Unterwegs zur nächsten Wasserstelle überqueren Giraffen die Straße. Weit ausschreitend mit ihren langen staksigen Beinen haben sie alle Zeit der Welt. Später sieht man nur noch die Köpfe mit den beiden Hökern aus dem Gestrüpp herausragen, von dem sie vorsichtig zwischen den Dornen das Grün abzupfen. Zierliche Antilopen liegen dicht am Straßenrand und dösen in der heißer werdenden Sonne. Sie sind so zahlreich, dass man wegen ihnen nicht mehr anhält. Die nächste Suhle ist als solche kaum erkennbar. Nur wenige Pfützen geben Hinweis auf Wasser. Wir warten. Geduld ist erforderlich bei der Tierbeobachtung. Dann eine vage Bewegung, ganz hinten am Wald, ca. 1 Kilometer entfernt. Mit dem Fernglas kann man die graue Masse erkennen, die Rüssel schwenkend in unsere Richtung unterwegs ist: zwei  Elefanten. Sie haben es nicht eilig. Dann haben sie das Schlammloch entdeckt. Die wendigen Rüssel saugen das wohltuende Nass auf und verteilen es gleichmäßig auf dem massigen Körper, mal rechts, mal links. Die Ohren sind ständig in Bewegung und sorgen für kühlenden Luftzug. Am Wasserloch treten die anderen Tiere den Rückzug an. Es herrscht eine klare Hierarchie. Die beiden Riesen tauchen unermüdlich den Rüssel in das kostbare Nass, um es in den geöffneten Schlund zu spritzen. Endlich scheint der Durst der beiden Kolosse gestillt zu sein. Sie machen sich wieder auf den Weg, vielleicht zur nächsten Wasserstelle, die viele Kilometer entfernt liegt. Unterwegs gilt es den enormen Hunger nach Grünzeug zu befriedigen. Wir verharren noch eine Zeitlang an diesem Platz, der sich langsam wieder mit Zebras, Antilopen und Giraffen bevölkert.

Über 4731 Quadratkilometer erstreckt sich das vorwiegend steppenartige Gebiet die Etosha Pfanne herum. Nach schweren Regenfällen füllen sich die Senken, gespeist von den beiden Flüssen Ekuma und Oshigambo im Norden. Zahlreiche Quellen, die im lehmigen Boden nicht versickern, sorgen für ausreichend Wasser im Süden. Etosha bedeutet „Großer Weißer Platz“, was wohl ein Hinweis auf die Salzkristallbildung am Rand der Pfanne ist. Als der Nationalpark 1907 gegründet wurde betrug die Fläche ca. 80.000 Quadratkilometer. Heute gehören nur noch ca. 22912 Quadratkilometer zum Park, der in zwei Tagesetappen von der Hauptstadt Windhoek aus erreichbar ist. Die Unterkünfte sind einfach, aber sauber. Eine Grundversorgung an Lebensmittel ist vorhanden. Jedes Camp verfügt über ein Restaurant. Strenge Regeln gelten für die Einlasszeiten, die Besucher sollten sich danach richten. Zwischen Sonnenuntergang bzw. –aufgang sind die Tore geschlossen. An den campeigenen Wasserstellen, die bei Nacht sogar beleuchtet sind, lassen sich aus sicherer Distanz gut Tiere beobachten: Nashörner, Elefanten, Warzenschweine und andere.

Trommeln und Schellen erklingen aus dem Dunkel. Eine Gruppe einheimischer Kinder tanzt singend und musizierend ins Restaurant. Ein kurzes Kommando von der Leiterin und sie beginnen sich rhythmisch zu bewegen, im Gleichmaß mit Gesang und Instrumenten. Die dunklen Gesichter strahlen, die weißen Zähne blitzen. Manch einer legt eine Beweglichkeit an den Tag, die ihm wahrscheinlich in die Wiege gelegt wurde. Hier finden wir keine krummen Wirbelsäulen vom ständigen Sitzen vor Computer und Fernseher. Diese Schulklasse tanzt vor Gästen des Camps, um ihre Schulkasse etwas aufzubessern. Bei soviel Spaß an Musik und Bewegung erübrigt sich langwieriges Einüben. Man spürt ein bisschen Afrika, das bei den vorwiegend weißen Mit-Touristen manchmal verloren geht.

Windhoek – Gepflegtes Deutschtum im Herzen Afrikas

„Hätten Sie gerne von der Thüringer Leberwurst?“, fragt der dunkelhäutige Verkäufer auf perfektem Deutsch in einer Metzgerei. Bei unserem ersten Besuch in der Hauptstadt hätte uns dieser Vorschlag verwundert. Inzwischen haben wir die deutsche Seite Windhoeks kennen und schätzen gelernt. Beim deutschen Bäcker kommen Rosinenbrötchen und Streuselkuchen frisch aus dem Backofen. Der hier allerdings wegen der großen Hitze im Freien steht. Im Buchladen sind die Hasenschule und Nesthäkchen im Schaufenster ausgestellt, Kinder- und Jugendbücher, die bei uns schon längst nicht mehr zum Repertoire der heutigen Generation gehören.

Doch es gibt auch die afrikanische Seite, die finden wir auf dem Markt in Katutura. Zu dem Viertel gehören eine Vielzahl an Behausungen, die sich sehr von den vornehmen, in holländischem Stil gebauten Häusern der Innenstadt unterscheiden. Ob Eternit, Plastik oder Blech, mit allen Mitteln versucht man der sengenden  Hitze Einhalt zu gebieten, mit wenig Erfolg. An wenigen Wasserstellen, versorgt man sich mit dem täglichen Bedarf. Zwischen den Marktständen herrscht reges Treiben. Herero-Frauen in ihren farbenfrohen Kutten und seltsam geformten Kopfbedeckungen verhandeln lachend Preise für ihre Waren. Auf einem Tisch liegen halbe Schweine und Rinderteile, von Fliegen übersät. Bescheiden werden an einem Stand nur Zwiebeln und ein paar Früchte angeboten. Kinder toben zwischen Kisten und Schalen herum. Aus einer anderen Ecke riecht es verführerisch nach Gebratenem. Mit gemischten Gefühlen nehmen wir die wirklich afrikanischen Eindrücke in uns auf, mit dem Bewusstsein die einzigen Weißen unter all den Farbigen zu sein.

Schule im Busch

Bunte Kinderzeichnungen, Fotoreportagen, Tierknochen, ein Tellereisen. Für ein Klassenzimmer eine recht eigenartige Ausschmückung. Mitten im Busch befindet sich die Ein-Klassen-Schule. Auf dem Schulhof stehen überdachte Sitzgelegenheiten. „Wir wollen aufklären und Achtsamkeit erwecken!“ Uwe von der Leo-Foundation weiht uns in seine Pläne ein: Nachhaltiger Tourismus ist angesagt. Voraussetzung ist ein friedliches Miteinander von Farmern und Tierschützern. Instand gehaltene Zäune verhindern, dass Tiere aus dem Reservat ausreißen und somit Probleme für die von den Farmern gehaltenen Rinderherden werden. Um ihre Tiere vor Löwen zu schützen benützen sie jegliche Art von Fallen. Noch sind die Löwen in Namibia nicht vom Aussterben bedroht, ihr Lebensraum wird jedoch durch die Landwirtschaft immer mehr eingeschränkt. In seiner Schule möchte Uwe mit der kommenden Generation von Farmern Möglichkeiten der Zusammenarbeit und Konfliktlösungen trainieren. „Es bedarf viel Geduld, um besonders die Einheimischen davon zu überzeugen, dass der Löwe keine Bestie, sondern eine schützenswerte Spezie ist.“ Doch Uwe ist zuversichtlich, der Anfang ist gemacht.

Bei der abendlichen Rundfahrt können wir die Könige der Wüste noch hautnah erleben. Als überflüssiges Inventar eines bankrotten Zoos haben sie glücklicherweise hier eine Heimat gefunden. Durch einen schützenden Zaun getrennt, können wir die Tiere in aller Ruhe beobachten. Es ist ganz still. Nur hin und wieder ist ein Schmatzen zu hören, wenn die flinke Zunge des mähnigen Patriarchens Wasser aus der Quelle schlabbert.

Informationen:

Reisezeit: Eine besondere Saison gibt es nicht. Lediglich sind die Winter (Juni bis September)
Trockener und nachts sehr kühl, bei angenehmen Tagestemperaturen. Bei Fahrten in den Norden und in den Caprivistreifen ist während des Sommerhalbjahres Malariaprophylaxe empfohlen.

Anreise: Air Namibia fliegt wöchentlich ab Frankfurt nonstop zum Preis ab € 841 inkl. Rail & Fly in Deutschland nach Windhoek. Zusätzlich sind Anschlüsse z. B. nach Südafrika möglich.

Rundreisen: Namibia eignet sich gut für Selbstfahrer. Sehr zuverlässige Mietwagen und Jeeps mit oder ohne Campingausrüstung gibt es z. B. bei Asco Car Hire in Windhoek, der Gäste vom Flughafen abholt. Infos unter www.ascocarhire.com; die Einweisung dort erfolgt auf deutsch. Karawane Reisen in Ludwigsburg bietet z. B. eine breite Palette von Namibiareisen an, von Individualreisen, zu Gruppentouren und Rundreisen per Bus.
Infos unter www.karawane.de

Reiseliteratur: eine wie gewohnt edle Neuerscheinung des renommierten Afrikafotografen Michael Poliza ist soeben auf den Markt gekommen. Legendär ist sein schwerer und großer Farbband „Africa“ und hat seine Ernennung 2009 zum Botschafter des WWF mit befördert. Nun hat der Afrikaprofi nachgelegt und präsentiert im Querformat und in Wildlederoptik stimmungsvolle Duplexbilder auf Naturpapier. Majestätische Giraffen, freche Schimpansen oder originelle junge Geparden in Detailaufnahmen lassen den Betrachter nicht aus dem Staunen kommen, wenn er sich auf diese einmalige Bildersafari begibt. „Classic Africa“ von Michael Poliza, teNeues Verlag, 32 x 25 cm, 140 Duplexfotografien und ein Text in Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch zum Preis von € 98. www.teneues.com

Wer die namibische Küche schätzt bekommt genügend Anleitung für zuhause bei der kulinarisch orientierten Globetrotterin Barbara Boudon “Namibia – Genussreise und Rezepte”. Die Naturküche der Ureinwohner verbindet sich mit den Heimat-Rezepten der Einwanderer aus Europa, gleichzeitig gibt es einen ausführlichen Adressteil mit Restaurant””, Übernachtungs- und Einkaufstipps, der dabei hilft, die Reise auch abseits ausgetretener Touristenpfade hin zu wagen. Walter Hädecke Verlag, € 17,90; www.haedecke-verlag.de
In der bewährten Reihe "Faszination Erde" ist im Kunth Verlag der prächtige Bildband "Südliches Afrika" erschienen. Neben der reichen Bebilderung ist besonders der im Anhang befindliche Straßenatlas mit detailreichen Karten zu erwähnen, sowie das ausführliche Register. Der Bildband deckt neben Namibia auch Reiseziele in Südafrika und Botswana ab. Preis: € 19,90; www.kunth-verlag.de

Allgemeine Auskünfte zu Reisen nach und innerhalb Namibias: www.namibia-tourism.com

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