
Berlin, BRD (Weltexpress). Die Niederlage, die die USA vor 50 Jahren in ihrer Aggression gegen Vietnam erlitten, war auch eine der BRD. Die Bundesrepublik war mehr als alle anderen Bündnispartner der USA an deren verbrecherischen Krieg in Vietnam beteiligt.1 Nach zwei verheerenden Niederlagen in von ihm angezettelten Weltkriegen wollte der deutsche Imperialismus in der neuen Bündniskonstellation sich als Hauptverbündeter der USA profilieren, diesbezüglich seine Rolle in der NATO stärken, die Aufhebung noch vorhandener Rüstungsbeschränkungen durchsetzen sowie Mitspracherechte und Verfügungsgewalt über Atomwaffen erlangen. Dabei spielten die beträchtlichen Kriegsprofite, welche die westdeutschen Konzerne aus der Beteiligung an der USA-Aggression scheffelten, naturgemäß eine zentrale Rolle.
Die USA-Rüstungsindustrie erzielte nach Schätzung der „International Herald Tribune“ vom Dezember 1968 zu dieser Zeit jährlich Gewinne von 4,5 Milliarden $. Mitte der sechziger Jahre waren bereits 18 westdeutsche Unternehmen mit den 30 größten Rüstungskonzernen der USA durch Kapitalbeteiligung und Aufträge verflochten. Die Kapitalanlagen westdeutscher Betriebe in den USA stiegen zwischen 1960 bis 1969 auf das fünffache. Wenn die Nettoprofite der 100 größten Aktiengesellschaften der Industrie der BRD von 18,5 Milliarden 1966 auf 30,5 Milliarden DM 1970 anwuchsen, schloss das beträchtliche Profite aus Beteiligungen an Kriegsgeschäften ein. Die größten Gewinne steckten die IG-Farbennachfolger, die Stahlkonzerne und die Werften ein. AP meldete am 14. März 1967 aus Bremen, dass die mit Thyssen liierten Bremer Werften für die USA 39 „German Liberty-Schiffe“ bauten, die vor allem dem Transport von Kriegsmaterial nach Vietnam dienten.
Mit der Unterstützung der USA-Aggression in Vietnam, für Kriegsverbrechen und Völkermord, ereichte die Bundesrepublik als völkerrechtlicher Nachfolgestaat des Dritten Reiches faktisch die Rehabilitierung der von der Hitlerwehrmacht in den besetzten Gebieten begangenen ähnlichen Verbrechen durch Washington. Heeresinspekteur Albert Schnez nahm das laut „Frankfurter Rundschau“ vom 15. Dezember 1969 zum Anlass, die Pflege des Geistes der faschistischen „Kampfbataillone und -kompanien des letzten Krieges“ als „Vorbild“ zu fordern. Wenn die USA mit westdeutscher Beteiligung sich in Südvietnam die Ergebnisse und Erfahrungen der Giftgasproduktion und ihrer Anwendung durch die IG Farben während des Zweiten Weltkrieges, u. a. in den Konzentrationslagern, zu nutze machten, dann bedeutete auch das nichts anderes als die Rehabilitierung selbst dieser in Nürnberg verurteilten Kriegsverbrechen Hitlerdeutschlands.
„Lernen, wie heute Kriege geführt werden“
Im Rahmen der USA-Strategie des „roll back“ des Sozialismus konnte die Bundesrepublik ihre eigenen revanchistischen Expansionsziele, die sich auf die DDR und andere „verlorene“ Ostgebiete erstreckten, vertreten und, wie „Die Welt“ am 23. Mai 1964 schrieb, in Vietnam „lernen, wie heute Kriege geführt werden“. Bundeswehrreserveoberst Adalbert Weinstein forderte in der „FAZ“ vom 28. Dezember 1965, „neue operative und taktische Erkenntnisse“, die der dort geführte Krieg vermittle, zu studieren. Die Zeitschrift „Wehr und Wirtschaft“, gleichermaßen Sprachrohr der Bundeswehrführung und der Rüstungsindustrie, sprach in ihrer Nr. 8/9-1965 von der „Kriegsschule Vietnam“, dem „Probefall Vietnam“, der zu „waffentechnischen Überlegungen“ anrege und Erfahrungen, beispielsweise darüber, wie „taktischer Luftkrieg am besten“ geführt wird, vermittelt. Oberstleutnant Holltorf, Generalstabsoffizier und Militärattaché in Saigon, erklärte 1967, er habe „selbstverständlich die Aufgabe, alle Entwicklungen, die für die eigene Militärpolitik, für die eigene Waffenentwicklung von Bedeutung sind, zu verfolgen.“ Die etwa 540.000 in Südvietnam stehenden GIs hielt Herr Holltorf für unzureichend und empfahl, „um den Krieg militärisch zu beenden, müssen sie hier Truppen reinpumpen, noch und noch und noch.“ Zum Ende des Krieges äußerte der Bundeswehrmilitär, das könne erst der Fall sein, „wenn Nordvietnam zum Einlenken gezwungen wird. Ob dieses Einlenken nun erreicht wird durch eine Besetzung Nordvietnams, oder ob es durch andere militärische Mittel und meinetwegen durch Verschärfung des Luftkrieges, das ist völlig offen.“2
Nach dieser Devise stand die Bundeswehr 1968 auch bereit, den „Prager Frühling“ in der CSSR „zu unterstützen“. Während die reaktionären Kreise in der Bundesrepublik die USA zum noch schärferen Vorgehen zur Liquidierung des Sozialismus in der DRV und zur Meuchelung der nationalen Befreiungsbewegung in Südvietnam anstachelten, heuchelten sie Sorge um einen „besseren Sozialismus“ in der CSSR. Dazu hatte die USA-geführte NATO im Frühjahr 1968 den Plan „Zephir“ (milder Südwestwind) konzipiert, der detailliert die Herstellung der Interventionsbereitschaft der in der BRD stationierten 7. US-Armee und von Bundeswehrverbänden gegen die CSSR vorsah. In der NATO-Stabsübung „Shapex“ wurde das im Mai 1968 entsprechend trainiert. Die 14. Kommandeurstagung der Bundeswehr legte im gleichen Monat „eine unorthodoxe Operationsführung (fest), die eine operative Täuschung und Überraschung nutzt“.3 Bundeswehrverbände standen für „demonstrative militärische Aktionen im grenznahen Raum“ bereit. Bereits seit Sommer 1967 hatten Bundeswehrkommandeure in Zivil geheime Erkundungsfahrten in die Westgebiete der CSSR unternommen. Unter ihnen befand sich im Mai 1968 der stellvertretende Kommandeur der 12. Panzerdivision der Bundeswehr, Oberst Fritz Fechner, der mit falschen Papieren als Journalist Anton Speck einreiste, um konsprative Sender zu installieren. General a. D. Trettner äußerte im Juli 1968, es sei notwendig, bestimmte Situationen zu nutzen, „um überfallartig anzugreifen“. Der „Sunday Times“ vom 25. August 1968 war zu entnehmen, dass der Warschauer Pakt einer Intervention der NATO zuvorgekommen war, die von speziell ausgebildeten Agenten der CIA und des BND durch Provokationen vom „Typ Gleiwitz“ ausgelöst werden sollte.
Die reaktionärsten Kreise der Bundesrepublik und ihre Medien nutzten die USA-Aggression zur Ausprägung ihres antikommunistischen Feindbildes, in dem sie die südvietnamesischen Befreiungskämpfer als „Viet Cong“ (vietnamesische Kommunisten) zu blutrünstigen Monstern abstempelten. Abgesehen davon, dass es sich bei den FNL-Kämpfern in ihrer Mehrheit um keine Kommunisten handelte, wurde diese Sprachverstümmelung, wie einst in der Goebbelspropaganda „Bolschewisten“ und „Russen“, zu einem der übelsten Schimpfworte in der antikommunistischen Hetze. Die „Bildzeitung“ brachte dazu unzählige „Frontberichte“ aus Saigon. In einem hieß es am 27. Februar 1968: „Hunde stöberten die Vietcong auf. … 50 wurden erschossen“. Das Springerblatt war es auch, das seinen Lesern in Tönen höchsten Lobes den Saigoner Polizeichef präsentierte, der sich bei der eigenhändigen Ermordung eines gefangenen FNL-Kämpfers durch Genickschuss fotografieren ließ. Das wurde durch Bedrohungslegenden untersetzt, welche die Zeitung unter anderem am 4. Juli 1967 von sich gab: „In Vietnam wird die Frage entschieden: verliert die Freiheit die letzte Bastion in Südostasien … oder nicht?“
Während sich westliche Regierungen von der USA-Aggression distanzierten, Frankreich sie in einem Kommunique des Ministerrates verurteilte, stellte sich das offizielle Bonn voll hinter Washington. Angesichts anhaltender Niederlagen der US-Armee empfahl „Die Welt“ am 11. August 1965, sich „an die grobe Faustregel des Panzergenerals Guderian (zu) halten: nicht kleckern, klotzen!“ Bundespräsident Heinrich Lübke, am Bau der KZs Hitlers beteiligt, beglückwünschte Präsident Johnson zu den ersten Terrorangriffen auf Hanoi am 29. Juni 1966 in einem offiziellen Staatstelegramm, in dem es hieß, der Luftterror möge „von Erfolg gekrönt sein“. Wirtschaftswunder-Kanzler Erhard ließ am 1. Juli, als bereits Berichte über die zahlreichen zivilen Todesopfer der Terrorangriffe bekannt waren, „alle Maßnahmen der Amerikaner“ gutzuheißen. Am gleichen Tag bejubelte die Westberliner „Nachtdepesche“ die Todesopfer als „Wunder der Präzision“ und forderte, Washington müsse sich entschließen, „dichtbesiedelte Industriezentren zu bombardieren“. Springers Westberliner „BZ“ schrieb am 18. Juli, notwendig sei „ein kompromissloser Krieg, der auch vor Fabriken, Häfen, Bewässerungsanlagen und Staudämmen nicht mehr halt macht.“ Erhard-Nachfolger Kurt Georg Kiesinger, Mitglied der Hitlerpartei seit 1933 und stellvertretender Leiter der Rundfunkabteilung im Auswärtigen Amt Ribbentrops, versicherte Washington in seiner Regierungserklärung am 13. Dezember, die Bundesrepublik werde „entschiedener als bisher Mitverantwortung in Vietnam übernehmen“.
Während so in der Bundesrepublik und in Westberlin ungestraft offen Kriegshetze betrieben werden durfte, waren Gegner der USA-Aggression schweren Repressalien ausgesetzt. In Westberlin wurden am 10. Dezember, dem „Tag der Menschenrechte“, 74 Teilnehmer an einer Demonstration gegen die USA-Aggression in Vietnam festgenommen. Bei einer folgenden, vom Sozialistischen Deutschen Studentenbund organisierten Protestdemonstration ging die Westberliner Polizei brutal mit Gummiknüppeln vor und verhaftete 86 Personen.
Nazi-Diplomaten Botschafter in Saigon
In Saigon war ein Dr. Wilhelm Kopf Bonns Chefdiplomat, der sich seine Sporen bereits unter Hitler verdient hatte. Im Dezember 1968 wurde ein Dr. Horst von Rom sein Nachfolger. Er war im Dritten Reich Mitarbeiter der faschistischen Justiz, was seine Karriere in der Bundesrepublik in keiner Weise behindert hatte. Vorher war er u. a. Konsul in Atlanta. Auch für die USA war seine Nazi-Vergangenheit kein Anlass gewesen, seine Akkreditierung abzulehnen. Warum auch, war doch in Saigon einer ihrer Marionettenchefs, der bereits erwähnte Nguyen Cao Ky, der Hitler öffentlich zu seinem „Vorbild“ erklärte und hinzufügte, „wir brauchen vier oder fünf Hitlers“. Von Rom versicherte ihm bei seinem Amtsantritt, die Bundesrepublik werde die Unterstützung Südvietnams auch weiterhin als ihre „wesentliche Pflicht“ betrachten. Dazu gehörten bis dahin Rüstungsgüter, Kredite und anderweitige Zuschüsse in Höhe von 1,165 Milliarden DM. Unter den Regierungen Adenauer und Erhard leistete die Bundesrepublik auf der Grundlage eines „Devisenausgleichsabkommens“ in Form von Waffenkäufen zwischen 1961 bis 1965 Devisenhilfe in Höhe von über 10,8 Milliarden DM. Bei einem USA-Besuch sicherte Bundeskanzler Erhard 1966 Präsident Johnson zu, auch künftig dem „Devisenausgleichsabkommen nachzukommen“. Mit Erhard unterstützte ein weiterer Helfershelfer der Kriegsverbrechen des „Dritten Reiches“ den ähnlichen Kurs des Weißen Hauses. Er war ab 1943 „wirtschaftswissenschaftlicher Berater“ der „Reichsgruppe Industrie und der IG Farben“ gewesen.
Unter Kopf wie auch von Rom war die bundesdeutsche Botschaft ein regelrechtes Führungszentrum für den Einsatz westdeutscher Hilfe für die USA-Aggression und die Auswertung vielfältiger Erfahrungen, die dieser schmutzige Krieg der Bundeswehr vermittelte. Ende 1967 hielt sich dazu der Stab des Bonner Militärattachés mit drei weiteren eingeflogenen Offizieren der Bundesluftwaffe im USA-Luftwaffen- und Marinestützpunkt Da Nang auf. Wiederholt kam der bereits erwähnte Weinstein nach Südvietnam, um Kriegserfahrungen aufzufrischen und sie anschließend an Offiziere der Bundeswehr weiter zu geben. Nebenbei fungierte er als Frontberichterstatter für die „FAZ“. Im Juli 1970 kam Hubertus Prinz zu Löwenstein in seiner Eigenschaft als „Sonderberater des Presse- und Informationsdienstes der zu dieser Zeit von der SPD-FDP-Koalition geführten Bundesregierung nach Südvietnam, um sich über die Lage zu informieren. Der Prinz überflog im Kampfhubschrauber entlaubte Wälder, zerstörte Dörfer und zeigte sich nach seiner Rückkehr in Bonn „sehr beeindruckt“ davon, wie die Amerikaner ihre Aufgabe lösen.
Auch Botschafter Kopf nahm wiederholt in amerikanischer Uniform an Kampfoperationen teil und tauschte „Erfahrungen“ mit USA-Militärs aus. Laut „FAZ“ vom 29. September 1967 ließ Kopf sich in Saigon gern als „altes Frontschwein“ feiern. Das betrachte er als passend für seine Tätigkeit. In der „Kölner Rundschau“ lobte er am 17. August 1966 die Gräueltaten der USA, die bis dahin mehr als Tausend südvietnamesische Dörfer mit Napalm ausgelöscht und Hunderttausende Menschen getötet oder verstümmelt hatten, als „konsequentes Eingreifen“. Die „New York Herald Tribune“ berichtete am 18 November 1966 über einen Frontflug, den der Botschafter mit einem Generalmajor de Puy, Kommandeur einer Division, über dessen Stellungen unternahm. Aus einem Kampfhubschrauber filmte Kopf Angriffe auf südvietnamesische Einwohner. Puy erklärte nach dem gemeinsamen Inspektionsflug dem Chefredakteur der „Neuen Ruhr-Zeitung“, Jens Feddersen: „Das beste wäre, ich hätte an meiner rechten und an meiner linken Flanke je eine deutsche Division.“
Der Divisions-Chef gab keine Casino-Parolen wieder, sondern die offizielle Forderung des Pentagon an die Hardthöhe. Das verdeutlichte die „Neue Ruhr-Zeitung“ am 26. November 1966, als sie die Meinung des Drei-Sterne-Generals Heintges, Stellvertreter des Vietnam-Oberbefehlshabers, General Westmoreland, wiedergab, der „zwei Infanterie-Divisionen und eine Panzergrenadier-Division“ für Vietnam verlangte. Heintges stützte sich in Bonn auf alte Kameraden aus der Hitlerwehrmacht, denn er war jener General, der mit Theodor Blank, dem ersten Verteidigungsminister der BRD, und Hitlergeneral Heusinger die Bundeswehr aufgebaut hatte.
Germans to Vietnam
Als Verteidigungsminister sprach sich der frühere SA-Mann Gerhard Schröder von der CDU laut „Spiegel“ 4/1966 „für eine Entsendung deutscher Soldaten auf den fernöstlichen Kriegsschauplatz“ aus. Der „Hessische Rundfunk“ meldete danach am 22. Februar, die Bundesrepublik wolle zwei Divisionen nach Vietnam schicken. Wenn es trotzdem nicht zum Einsatz regulärer Bundeswehr-Einheiten kam, dann war das einzig und allein auf die zunehmende westdeutsche Solidaritätsbewegung mit Vietnam und die Proteste auch auf internationaler Ebene und in den USA selbst gegen den verbrecherischen USA-Krieg zurückzuführen, deren weiteres Anwachsen man in Bonn befürchtete.
In verschiedenen verdeckten Formen beteiligte sich die Bundesrepublik dennoch personell am USA-Krieg bzw. ließ sie solches völkerrechtswidriges Engagement zu. Von einer bundesdeutschen „Geisterarmee“ oder einer „Legion Vietnam“ war fortan die Rede. Nachdem AP am 24. Januar 1966 aus Bonn gemeldet hatte, Bundespressechef, Staatssekretär von Hase, habe erklärt, „jede personelle Hilfeleistung hat gegenüber einer rein materiellen Hilfe in Südvietnam tausendfachen Wert“, bestätigte der Presse- und Informationsdienst des Kabinetts vier Tage später das ausdrücklich als Standpunkt der Bundesregierung.
Das personelle Engagement erfolgte vor allem durch die Entsendung von „technischen Spezialisten“ sowie durch Soldaten und Offiziere der Bundeswehr in amerikanischen Uniformen. 1965 befanden sich darunter 121 Angehörige der Bundesluftwaffe, die Bombenangriffe gegen Nordvietnam flogen. Bonn orientierte sich an den Erfahrungen der „Legion Condor“ in Spanien. Damals waren die Soldaten, nach dem sie pro forma aus der Wehrmacht entlassen worden waren, auch als Zivilisten nach Spanien gegangen, wo sie als „Freiwillige“ spanische Uniformen und Rangabzeichen trugen.
Das US-Magazin „Time“ berichtete am 23. Juli 1965 vom Einsatz „deutscher Piloten“ in Vietnam. Drei Tage später bestätigte eine „Panorama“-Sendung des westdeutschen Fernsehens diese Tatsachen, gestützt auf Äußerungen einer Mutter, deren Sohn als Fliegeroffizier vom Februar bis April 1965 in Vietnam eingesetzt war. Die nach Vietnam geschickten Angehörigen der Bundesluftwaffe waren nach Beginn des Luftkrieges gegen die DRV vom Herbst 1964 bis Februar 1965 zur Spezialausbildung in den USA gewesen. „Le Monde“, Paris, berichtete am 8. September 1965 über offene Werbung in Bundeswehrkasernen für den Kriegseinsatz in Vietnam. Einfachen Soldaten wurde ein Monatssold von 2.000.- DM geboten und schnelle Beförderung versprochen. Während Bonn den Söldnereinsatz geheim zu halten suchte und dementierte, gaben die Amerikaner das publik, um ihre deutschen Verbündeten zum offenen Bekenntnis zu veranlassen. In einem DPA-Bericht vom 2. August 1966 hieß es: „Das Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte in Saigon bestätigt, dass eine – wenn auch geringe – Anzahl deutscher Staatsbürger in den amerikanischen Einheiten in Südvietnam eingesetzt“ sei.
Am 12. Januar 1966 berichtete UPI, dass diese Unterstützung zu einem vom Erhard-Kabinett beschlossenen „breit angelegten Hilfsprogramm für Südvietnam“ gehöre. Der in Bonn erscheinende Informationsdienst „RF-World News” bestätigte am 8. Februar 1966, dass sich zu diesem Zeitpunkt rund 2.500 westdeutsche Techniker in Südvietnam befanden, darunter zahlreiche Angehörige der Bundeswehr. Der im Februar 1967 in den USA weilende Generalinspekteur der Bundesluftwaffe Steinhoff, sagte einen weiteren verstärkten Einsatz westdeutscher Piloten in Vietnam zu. Darunter fiel auch die Lieferung von 40 Kampfhubschraubern der Bundesluftwaffe samt Flugpersonal.
In den letzten Märztagen des Jahres 1966 entstieg an einem der Kampfabschnitte nördlich von Saigon Ein distinguiert wirkender Herr mittleren Alters einem amerikanischen Militärjeep und ließ sich von einem Colonel der Special Force „in die vorderste Linie“ führen. Der Oberst erklärte ihm die Lage. Danach traf er US-Oberbefehlshaber Westmorland, der ihm „klar machte“, diesen Krieg „können die Amerikaner militärisch nicht verlieren“. Anschließend frühstückte der Herr mit dem gerade an die Macht gehievten neuen Saigoner Regierungschef, Luftwaffengeneral Nguyen Cao Ky, einem „offenen Bewunderer Hitlers. Er schwärmte von seinem Frontbesuch und war „beeindruckt“ von der „Perfektion der amerikanischen Militär-Maschinerie“.
Bei dem vornehmen Herrn handelte es sich um einen gewissen Konrad Ahlers, zu dieser Zeit stellvertretender Chefredakteur des Hamburger Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“. Schon ein Jahr später avancierte er für drei Jahre zum Pressechef und Staatssekretär der SPD-FDP-Regierung. Der Report, den Ahlers in der Nr. 16 seiner Zeitschrift veröffentlichte, unterschied sich lediglich in Nuancen von den „Frontberichten“, in Springers „Welt“, der „Morgenpost“ oder der „FAZ“, in der Hitlergeneralstäbler Adalbert Weinstein regelmäßig berichtete und Stimmung machte, für ein noch stärkeres Engagement der Bundesrepublik im schmutzigen Krieg der USA in Vietnam. Der „Spiegel“ schwadronierte von einem idyllischen Krieg, in dem „vor den Augen der südkoreanischen Tiger-Division Vietcong-Frauen Schweinefleisch verkauften und aus amerikanischen Lagern einen Schlag Reis“ bekamen. „Wer da gegen wen kämpft, (sei) schwer zu durchschauen“. Der von Ahlers interviewte Ky konnte davon schwafeln, „ein demokratisches Regime (zu) installieren“, dass der Krieg geführt werde, um „der kommunistischen Aggression“ zu begegnen, um „ein Reformprogramm“ zu verwirklichen, dass die Südvietnamesen „nicht reif für allgemeine Wahlen“ seien, und wenn sie einmal stattfänden, „Kommunisten natürlich nicht gewählt werden“ dürften.
An den Kriegsverbrechen der USA beteiligten sich deutsche Vietnam-Legionäre. AP berichtete am 7. Februar 1967 in Wort und Bild über einen Deutschen namens Rudolf Heinrich aus Westberlin, der als Captain der 1. US-Infanteriedivision an der Vernichtung von Dörfern und der Liquidierung und Vertreibung von Einwohnern bei Saigon teilnahm. Die Illustrierte „Quick“ gab in ihrer Nr. 11/1966 einen Dierk Piffko aus München wieder, der die „Durchsuchung“ eines Dorfes schilderte: „Wir stießen auf ein altes Ehepaar, einer von uns schoss auf sie, wohl aus Langeweile oder wie jemand, der auf Hasenjagd geht. Er schoss dem alten Mann die Zehen ab. … Ich schrie: Macht keine Gefangenen, erschießt sie alle!“.
Westdeutsche Transportschiffe brachten unter fremden Flaggen amerikanisches Kriegsmaterial, darunter „Pershing“-Raketen, nach Vietnam. Die Hamburger Reederei Transerz transportierte 1966 laut „Vorwärts“ Nr. 16/1967 mit dem Frachter „Magellan“ mit westdeutscher Besatzung samt Kapitän unter liberianischer Flagge Panzer und anderes Kriegsgerät, nach Südvietnam. Westdeutsche Tanker beförderten Treibstoff für die Maschinen der USAF. Die westdeutschen Matrosen besaßen neben ihren deutschen auch amerikanische Pässe, damit sie sich mit ihnen in den südvietnamesischen Kriegshäfen frei bewegen konnten.
1965/66 erschienen in westdeutschen und westeuropäischen Medien, darunter am 23. November 1967 AFP aus Saigon, nicht nur Berichte von Bundesdeutschen, die in der US-Armee in Südvietnam kämpften, sondern auch Todesanzeigen für dort gefallene Deutsche. Zu ihnen gehörten der 27 Jahre alte Frank Prediger und der ein Jahr ältere Franz Xaver Wallner. Insgesamt, so ergab sich aus den verschiedenen Todesanzeigen bzw. Berichten, dass zwischen November 1965 bis Juli 1966 sechs Bundesdeutsche ums Leben gekommen waren. Auf die Familienangehörigen als auch auf die Zeitungen wurde Druck ausgeübt, keine derartigen Todesanzeigen zu veröffentlichen.
Der Missbrauch der „Helgoland“
Zum Kriegseinsatz lief auch das Lazarettschiff „Helgoland“. Nach Südvietnam aus. Gegen seine Verwendung unter dem Kommando des Bonner Militärattachés in Saigon äußerte das westdeutsche Rote Kreuz zunächst Bedenken; das Internationale Rote Kreuz verweigerte ihm das Fahren unter der Rot Kreuz-Flagge. Laut „Frankfurter Rundschau“ vom 12. Februar 1966 lehnte die Bundesregierung die Empfehlung des IRK ab, der „Helgoland“ den Status der zweiten Genfer Konvention zu verleihen, nach dem das Lazarettschiff für beide kriegführende Seiten Hilfe leisten, also auch nach Nordvietnam hätte auslaufen müssen. Eine „Panorama“-Sendung nannte den Einsatz am 28. Februar 1966 die „erste Stufe einer vormilitärischen Beteiligung“. Personal der „Helgoland“ nahm mit amerikanischen Offizieren in Hubschraubern zum „Sonntagsvergnügen“ an „Vietcong-Jagden“ teilnahm. Auf dem Lazarettschiff wurde auch die Wirkung des von den USA eingesetzten Napalm und anderen chemischen Kampfstoffen erforscht. Über den völkerrechtswidrigen Einsatz der „Helgoland“ sagte Dr. Erich Wulf am 1. Dezember 1967 vor der Tagung des Russel-Tribunals in der dänischen Stadt Roskilde aus.
Im Juni 1969 kam die Beteiligung westdeutscher Unternehmen am verbrecherischen Einsatz chemischer Gifte und Kampfstoffe in Südvietnam ans Licht. Es ging um den Milliardenkredit eines bundesdeutsches Bankkonsortiums an die amerikanische Dow Chemical. Zu den Partnern des berüchtigten Konzerns, des größten Napalmproduzenten und Hauptlieferanten für die USA-Aggression in Südvietnam und damit gleichermaßen Nutznießer des Kredits, gehörte der IG-Farbennachfolge-Konzern Badische Anilin- und Sodafabriken (BASF) Ludwigshafen, der in den USA zwei Tochtergesellschaften unterhielt, darunter in Freeport/Texas die Badische Dow Chemical Company. Mit jeweils fünf Filialen waren die Farbwerke Hoechst und mit drei die Bayer AG Leverkusen in den USA vertreten und über sie an Aufträgen für die amerikanischen Truppen in Vietnam beteiligt. Die Pariser „France Nouvelle“ hatte am 6. Juli 1965 berichtet, dass die Bayer AG den USA mehrere Patente für die Herstellung chemischer Kampfstoffe verkauft und über ihre USA-Filiale Chamagro Corporation in Kansas City auch direkt Giftstoffe lieferte, die vom USA-Chemical-Corps in Vietnam angewendet wurden.
An chemischen Waffen für den Einsatz in Vietnam wurde auch in der Bundesrepublik selbst gearbeitet. In den Giftlabors des Bayer-Forschungszentrums in Wuppertal-Elberfeld waren dazu die Professoren Otto Ambros und Wolfgang Wirth am Werk, die beide unter dem Hitlerregime Todesgase entwickelt und hergestellt hatten. Ambros war Direktor der IG-Farben und Chef der Abteilung chemische Kriegführung im Rüstungsministerium Speer gewesen und als Kriegsverbrecher verurteilt worden. Wirth forschte seit 1937 zur militärischen Anwendung von Nervengasen.
IG-Farbennachfolger lieferten Giftgas
Weitere Einzelheiten darüber, wie „die deutschen militärischen Führer und eine Reihe von Industriefirmen in der Bundesrepublik den Amerikanern bei ihrem Aggressionskrieg in Vietnam halfen“, enthüllte die Londoner Zeitschrift „Eastern World“ in ihrer Juli/August-Ausgabe 1966: „Sie (die Amerikaner) haben reges Interesse an den neuen, äußerst wirksamen Kampfgasen bekundet, die in westdeutschen Laboratorien auf der Grundlage der zur Zeit des Zweiten Weltkrieges von der IG-Farbenindustrie hergestellten Gase entwickelt werden.“ Dass habe zu „einer engen Zusammenarbeit zwischen amerikanischen und westdeutschen militärischen Kreisen, Laboratorien und Firmen, die auf den Gebieten der Entwicklung, der Herstellung und der Anwendung chemischer und bakteriologischer Kampfstoffe maßgebend sind“, geführt. Die Hoechst AG hätte zugesagt, „mehrere Sachverständige … in die USA zu entsenden“ und den USA auch „die notwendigen Unterlagen und Angaben für die Herstellung tödlicher Gase vom Typ Zyklon B zu überlassen, das die Nazis im vergangenen Krieg in großem Maße in ihren Todeslagern verwendeten und mit dessen Anwendung für nicht weniger grausame Zwecke die Amerikaner in Südvietnam bereits begonnen haben“. Laut „Eastern World“ arbeiteten westdeutsche Chemiker und Bakteriologen, darunter von den Farbwerken Hoechst AG, in Südvietnam in einer Sondereinheit der US-Armee, die ein mobiles Forschungsinstitut für bakteriologische und chemische Kriegsführung betrieb, das am „lebenden Objekt“ neue Kampfstoffe testete. Auch dazu wurde der Status der „Helgoland“ missbraucht. Auf ihr befand sich, in den Bordlisten als Sanitätspersonal getarnt, eine weitere Gruppe westdeutscher Chemiker und Bakteriologen, die in Wirklichkeit zu der berüchtigten amerikanischen Sondereinheit gehörten.
Aus der Kooperation mit den USA im Bereich der chemischen und bakteriologischen Waffen, die ein ganzes System kapitalmäßiger und produktionstechnischer Verflechtungen umfasste, zogen die westdeutschen Chemiekonzerne nicht nur einträgliche Profite, sondern auch praktische Erfahrungen, die sich in weiteren Entwicklungen niederschlugen. In den chemischen Laboratorien der US-Armee Edgewod und im Forschungszentrum für bakteriologische Kriegsführung in Camp Detrick in Maryland beteilgiten sich ständig Bundeswehroffiziere an der Erforschung, Entwicklung und Verbesserung weiterer Waffensysteme und der Methoden ihres Einsatzes. Damit waren nicht nur westdeutsche Unternehmen, sondern auch die Bundesregierung direkt an schwersten Kriegsverbrechen der USA in Südvietnam, an der Ermordung und Verstümmelung Hunderttausender Vietnamesen, der Verseuchung riesiger Flächen von Wald und Reisfeldern beteiligt. Seit 1964 wurden jährlich Hunderttausende Hektar Reisfelder und Wälder mit Herbiziden besprüht, große Teile der Reisernte und andere Anbauarten vernichtet. 1970 wurden in Südvietnam insgesamt 50.000 Tonnen Totalherbizide versprüht, 1971 fast das Doppelte.
Die Bundeswehr wertete die in Südvietnam gewonnen Erkenntnisse und Erfahrungen sofort aus. Nach beweiskräftigen Presseveröffentlichungen, unter anderem in der „Frankfurter Rundschau“ vom 14., der „Süddeutschen Zeitung“ vom 24. und der „Hildesheimer Presse“ vom 28./29. Februar 1970, musste der Staatssekretär des Verteidigungsministeriums Karl Wilhelm Berkhan einräumen, dass in der Bundesrepublik chemische Kampfstoffe produziert, die Bundeswehr über solche Gifte, u. a. das tödliche Nervengas „Tabun-Sarin Typ 7/67“, verfügte und Gaskriegsmanöver durchführte. Berkhan wörtlich, auf chemische Waffen könne die Bundeswehr „nicht verzichten“.
Kriegshetze à la Springer
Schockierend waren die Reaktionen in der Bundesrepublik als die USA gezwungen wurden, am 1. November 1968 die bedingungslose Einstellung der Luftaggression gegen Nordvietnam zu erklären und die FNL als Verhandlungspartner in Paris zu akzeptieren. Bereits im Vorfeld der Verhandlungen hatte der damalige Presse-Tycoon Springer am 5. Mai 1968 in seiner Westberliner „Morgenpost“ die USA aufgefordert, sich in Paris auf keinen Fall die Waffe der Bombenangriffe auf die DRV „aus der Hand schlagen“ zu lassen und auch die FNL nicht als legitimen Vertreter Südvietnams anzuerkennen. „Die Welt“ verlangte am 6. November eine Fortsetzung der Terrorangriffe gegen die DRV, deren Einstellung sie eine „Kapitulation Präsident Johnsons“ nannte, der sich „den Forderungen Hanois gebeugt“ habe. Die „FAZ“ warf Johnson am 14. Januar 1969 vor, „die Luftangriffe zu früh eingestellt“ zu haben.
Anmerkungen:
1 H. Rennhack: BRD-Imperialismus. Komplize der USA-Aggressoren, Berlin (DDR) 1973.
2 Heynowski & Scheumann: Die Kugelweste, Berlin/DDR, 1980, S. 10 f.
3 Wehrkunde, München, 6/1968, S. 379
Siehe die Beiträge
- Vor 50 Jahren – Vietnams Sieg über die USA von Gerhard Feldbauer
- Wie der Luftkrieg gegen Nordvietnam mit einer Niederlage endete – Erinnerungen an den Kampf Vietnams gegen die USA, der mit dem Sieg im April 1975 endete von Gerhard Feldbauer
- Volltreffer auf die Kathedrale von Nam Dinh von Gerhard Felbauer
- Daran sollte sich Emmanuel Macron ein Beispiel nehmen – Unter Charles de Gaulle verurteilte Frankreich die USA-Aggression gegen Vietnam von Gerhard Feldbauer
- Jassir Arafat begrüßten wir mit „Fi Sichatak“ – Unvergessliche Begegnungen im kämpfenden Vietnam von Gerhard Feldbauer
im WELTEXPRESS.
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